Braunschweiger Platt

Braunschweiger Platt

Braunschweigisch als hochdeutsche Mundart ist wohl zu unterscheiden vom Brunswieker Platt (Braunschweiger Platt), welches dem Niederdeutschen (Plattdeutschen) zugeordnet wird. In der Stadt Braunschweig sowie im Land Braunschweig entstand im Spannungsfeld zwischen den niedersächsischen Mundarten und der in den letzten Jahrhunderten zunehmend mittelhochdeutsch geprägten Magdeburger Region ein breiter, im Wesentlichen auf das Braunschweiger Land begrenzter Dialekt. Wer Braunschweigisch als Mundart spricht, der braunschweigert.

Inhaltsverzeichnis

Sprachliche Eigenheiten

Das „klare A“

Seinen besonderen Charakter schöpft er aus dem so genannten „Braunschweiger A“, scherzhaft auch „klares A“, genannten Laut, der natürlich alles andere als „klar“ (i. S. v. deutlich) ist; vielmehr handelt es sich um einen Vokal, der bei der Aussprache irgendwo zwischen a, ä und o, ö changiert. Insbesondere werden auch die Diphthonge „ei“ und „au“ (die ja beide auch im Namen Braunschweig vorkommen) durch dieses lange A ersetzt.

Als eine Erklärung - aus dem Reich der Anekdoten, keineswegs wissenschaftlich - für diese besondere Note innerhalb des Ostfälischen gilt die Annahme, dass sich die Stadtbraunschweiger von den Bewohnern der weiteren Region, die das „normale“ Ostfälisch sprachen (mit einem eher dunkler gesprochenen „A“), abheben wollten. Man wollte mit einer „klaaooören Sspraaooöche“ einfach „faainer saain“.

Beispiel:

„Wo kommst denn du wech?“ – „Aoos Broonschwaaich!“
(Wo kommst du denn her?“ – „Aus Braunschweig!“)

Baaide Baaine in ainem Aaimer und kaaine Saaife, aau waai. (Beide Beine in einem Eimer und keine Seife, au weia.)

Das „spitze S“

Neben dem „klaren A“ erkennt man echte Braunschweiger aber auch noch an anderen Aussprache-Besonderheiten. So hört man dort bei bestimmten Worten oder Redewendungen das „spitze S“: „Ein S-tudentens-tulpens-tiefel s-tolpert über’n s-pitzen S-taain.“, „Frühs-tück“ oder „Schorns-taain“ sind nur einige Beispiele hierfür. Das spitze S ist auch Wesensmerkmal der hannöverschen Mundart.

Lautverschiebung

Braunschweigisch beinhaltet als Wesensmerkmal die Verschiebung von Diphthongen: ei wird zu aa oder aai, au und eu werden zu oo bzw. ou. Ergebnis: Braunschweig wird zu Broonschwaaich bzw. Brounschwaaich. Auch dieses Merkmal ist im Hannoverschen wieder zu finden, hier sind jedoch in dem ei, was zum aa wird, keine Reste von einem i mehr zu finden (aane aanzichachtije Sstadt).

Typisches

Neben diesen lautlichen Eigenheiten gibt es natürlich auch eine Vielzahl von weiteren Wörtern, Redewendungen, Sinnsprüchen und Volksweisheiten, die das Braunschweigische zu einer eigenständigen Mundart haben werden lassen.

So spricht man z.B. von „Tüsch“, „Füsch“ und von „Köache“ oder „Köaschen“ – gemeint sind selbstverständlich Tisch, Fisch, Kirche und Kirschen. Ebenso redet der Braunschweiger von „Gorke“, „korz“, „Korve“, „Borg“, „Worst“, was eigentlich Gurke, kurz, Kurve, Burg und Wurst bedeutet. Aber auch „Kachten“ (Karten) und „Sochten“ (Sorten) gibt es in Braunschweig. So heißt eine Martha dann natürlich „Machta“. Dazu kommen die Zahlen „ölf“ (elf) und „vöazehn“ (vierzehn). Eine typische Formulierung bei einer Verabschiedung unter Freunden und Bekannten ist „bis denne“ (wohlgemerkt mit „e“!) oder „verschütt gehen“, was „verloren“ bedeutet. Das Adjektiv „peekig“ („peekich“ gesprochen) oder das dazugehörige Substantiv „Peek“ wird ebenfalls gerne verwendet. Beide bezeichnen die Tatsache, dass der Braunschweiger von etwas oder jemandem, das oder der extrem schmierig, verdreckt und überhaupt höchst widerlich aussieht, abgestoßen wird.

Darüber hinaus meint man hier mit „Datt is mich aans“, dass dem Redner die Angelegenheit einerlei sei und, wenn der Braunschweiger in seinen (Schreber-) Garten geht, dann geht er „Aof den Gachten“. Und wenn er sagt „Da habe ich mich verjagt!“ (ausgesprochen „vajaacht“), dann hat er sich nicht etwa selbst verscheucht, sondern sehr erschrocken.

Typisch braunschweigische Worte (Überschneidungen mit dem Hannöverschen sind auch teilweise möglich) sind auch „Bollchen“ (Bonbon), „detsch“ (blöd, v. a. für Personen), „Dölmer“ (Tolpatsch, Trottel), „(an etwas herum) prokeln“ (fummeln, basteln – allerdings mit eher ungewissem Ausgang), „(mach’ doch nich’ so’n) Prijammel“ (nun reg’ dich doch nicht [schon wieder so sinnlos] auf), „Glissecke“ (selbst hergestellte Eisbahn zum Schlittern), „Bregen“ (Gehirn), „Piesepampel“ (unangenehmer oder erbärmlicher Zeitgenosse / Hanswurst), „Beet“ (Strafzettel). Ein in jüngerer Vergangenheit wieder häufiger auftauchendes Wort ist Klinterklater, das heute geborene Braunschweiger bezeichnet.

Spärliche Reste der alten Broonschwaajer Mundacht haben sich noch erhalten und werden v. a. noch von den älteren Braunschweigern und in der ländlichen Umgebung der Stadt gesprochen; typische Vokabeln wie oben angegeben werden aber auch noch in jüngeren Generationen verwendet.

Literatur

  • Werner Flechsig: Ostfälische Sprichwörter. Volksweisheit und Volkshumor aus fünf Jahrhunderten zusammengestellt aus gedruckten und ungedruckten Quellen, EA Braunschweig 1974
  • Eckhard Schimpf: Klinterklater I – Typisch braunschweigisch. 750 Redensarten, Ausdrücke und kleine Geschichten, Braunschweiger Zeitungsverlag, 1993
  • Eckhard Schimpf: Klinterklater II – Typisch braunschweigisch. 850 Redensarten, Ausdrücke und kleine Geschichten, Braunschweiger Zeitungsverlag, 1995
  • Fritz Timme (Hrsg.): Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte und Sprachkunde. Festgabe der Stadt Braunschweig zur Tagung des Hanseatischen Geschichtsvereins und des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung. In: Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte, Bd. 15, Braunschweig 1954

Weblinks


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