Brel

Brel
Jaques Brel

Jacques Romain Georges Brel (* 8. April 1929 in Schaerbeek/Schaarbeek bei Brüssel; † 9. Oktober 1978 in Bobigny/Frankreich) war ein französisch- und flämischsprachiger Chansonnier (Chanson-Sänger) und Schauspieler aus Belgien, der als einer der wesentlichsten Repräsentanten und Erneuerer des französischen Chansons gilt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jacques Brel verlebte eine unbeschwerte Kindheit in der französisch inspirierten Atmosphäre der belgischen Bourgeoisie. Seine Eltern waren in Schaerbeek/Schaarbeek bei Brüssel Miteigentümer einer Kartonagenfabrik, in der er lustlos arbeitete und die er einmal übernehmen sollte.

Schon früh schrieb er Gedichte, Prosastücke und christlich beeinflusste Lieder, die er unbeholfen auf der Gitarre begleitete, und erlangte einen mäßigen Bekanntheitsgrad in Belgien. Eine erste Single, aufgenommen im Februar 1953, verkaufte sich zwar schlecht, machte jedoch einen französischen Talentsucher auf ihn aufmerksam, der ihm anbot, nach Frankreich zu kommen. Im Alter von 24 Jahren verließ Brel mit Unterstützung seiner Familie für ein Jahr Brüssel, um sich in Paris als Chansonnier zu versuchen. Seine Frau und seine beiden Töchter blieben zunächst zurück.

Nach Paris gekommen, trat er dort anfangs in verschiedenen Cabarets, Bistros und Avantgardelokalen auf, sowie 1954 auch erstmals im Vorprogramm des Olympia. Bei einem Chansonfestival in Knokke belegte er nur den vorletzten Platz.[1] Brel später selbstkritisch: "Zu Anfang war ich nicht unverstanden, ich war schlecht."[2] Im Januar 1955 spielte er in der Brüsseler "Ancienne Belgique" eine Woche lang im Vorprogramm des belgischen Sängers Bobbejaan. Danach begab er sich mit dem Saxophonisten Sidney Bechet auf eine Tournee durch die Provinz und durch Nordafrika. Im Februar 1957 trat Brel - neben Maurice Chevalier, Michel Legrand und Zizi Jeanmaire - im Pariser "Alhambra" auf. Insgesamt sagte er später über diese Zeit: "Ich habe lange debütiert, fünf Jahre lang."[3]

Brel hatte in den ersten Pariser Jahren zwar keine großen Erfolge, konnte sich aber mit seinen Liedern und mit Hilfe seiner Familie durchschlagen. Zeitweilig wohnte seine Frau Miche mit ihm in Paris, hier wurde auch die dritte Tochter des Paares geboren. Bis in die 1960er Jahre führte Brel jedoch eine Art Doppelleben: Er lebte mit seinen großen Lieben in Frankreich zusammen, lebte frei, ungebunden exzessiv, lebte seine Musik. In Tourneepausen kehrte er jedoch immer wieder zu seiner mittlerweile wieder in Brüssel lebenden Familie zurück und spielte dort einen eher konservativen Familienvater.

Seine Bekanntheit stieg, als die Sängerin Juliette Gréco sein Lied Ca va /Le diable übernahm und die Nummer Quand on n'a que l'amour ein großer Erfolg wurde sowie einen prestigereichen Schallplattenpreis gewann. Durch weitere populäre Titel wie Les flamandes, La valse à mille temps oder Ne me quitte pas verkauften sich Ende der fünfziger Jahre auch seine Langspielplatten zusehends besser. Der ganz große Durchbruch gelang ihm jedoch als Live-Künstler.

Hatte Brel sich anfangs alleine auf der Gitarre begleitet, so verlieh die Bekanntschaft mit den beiden Pianisten François Rauber und Gérard Jouannest (ab 1957) sowie dem Akkordeonisten Jean Corti (ab 1961) seinem Schaffen neue Impulse und eröffneten ihm die Möglichkeit, sein gesamtes theatralisches Talent auf der Bühne zu entfalten. Die Authentizität, die er bei seinen Live-Auftritten vermittelte, wurde zu seinem Erfolgsgeheimnis. Er verzichte nunmehr großteils darauf, sich selbst auf einem Instrument zu begleiten, sondern brachte sich - so der SPIEGEL - "seinem Publikum emphatisch und ungestüm wie ein singendes Tier dar. Er grimassierte und fuchtelte, und er sang dabei mit pathetischem Elan, mal frivol und salopp, mal larmoyant, oft verhalten, meist aggressiv und bisweilen auch mit sehr viel Geschmack fürs Makabre."[4] Während seiner Tour de chant erfand Brel, der stets im weißen, knopflosen Hemd auftrat, fortwährend neue Mimikspiele und Gesten - nichts war einstudiert. Er leistete sich Hanswurstiaden, um groteske Effekte seiner Lieder deutlicher zu machen, und wenn er nichts zu tun hatte, dirigierte er seine Vier-Mann-Band: Brel stand keinen Augenblick still. Wenn der Vorhang nach 45 Minuten fiel, hatte der erschöpfte Sänger gewöhnlich ein Kilo Gewicht verloren. [5]

Nachdem schon seine Auftritte im Olympia 1958 und im "Bobino" 1959 große Erfolge gewesen waren, feierte er im Oktober 1961 wieder im Olympia, wo er kurzfristig in Vertretung von Marlene Dietrich als Star der Gala eingesprungen war, einen regelrechten Triumph und "stieg binnen kurzem zur Kultfigur der Chanson-Szene auf."[6] Damit begann für ihn ein aufreibendes Tourneeleben mit bis zu 30 Galas pro Monat, in dessen Verlauf er rund 130.000 Kilometer jährlich zurücklegte. Seine Konzertreisen führten ihn dabei von französischen und belgischen Metropolen und Provinzstädten bis nach Montreal, Tokio und Moskau. 1964 trat Brel erneut im Olympia mit neuen Chansons (u. a. „Amsterdam“) ins Rampenlicht, woraufhin die Zeitung Le Figaro von einem "Orkan namens Brel" sprach, die Londoner Times vom "besten Chansonsänger der Welt."[7]

Im Spätsommer 1966 kündigte er - obwohl populärer, erfolgreicher und angesehener denn je - seinen Rückzug von der Bühne an, da er "kein alter Sänger" werden und sein "Publikum nicht betrügen" wolle. Seine von Beifallsstürmen und Wehmut gleichermaßen begleitete Abschiedstournee begann im Oktober 1966 wieder im Olympia und endete nach Auftritten u. a. in London (Royal Albert Hall) und New York (Carnegie-Hall) am 16. Mai 1967 mit einem allerletzten Konzert in Roubaix. Anfang 1968 wurde in New York mit großem Erfolg die musikalische Revue „Jacques Brel is alive and well and living in Paris“ mit englischen Übersetzungen seiner Lieder uraufgeführt.[8] Im September 1968 nahm er seine – vorläufig – letzte Platte mit neuen Chansons auf, kurz danach gastierte er in der Rolle des Don Quichote mit dem von ihm ins Französische übertragene Musical Der Mann von La Mancha in Brüssel und anschließend in Paris. Mit der letzten Aufführung am 17. Mai 1969 nahm er endgültig Abschied von der Bühne.

Von 1967 bis 1973 wirkte er in einer Reihe von Filmen mit. Die erfolgreichsten davon waren Mein Onkel Benjamin (mit Claude Jade), Die Entführer lassen grüßen und Die Filzlaus (mit Lino Ventura). Zweimal führte er auch selbst Regie. Während Franz wohlwollende Kritiken erhielt aber wenig Publikum fand, entwickelte sich Le Far West zu einem kompletten Misserfolg.

Im Herbst 1974 wurde bei dem Kettenraucher Brel Lungenkrebs diagnostiziert und ein Teil der Lunge operativ entfernt. Vorläufig wieder genesen zog er sich völlig aus der Öffentlichkeit auf sein schon vorher erworbenes Boot zurück, besegelte die Meere und ließ sich schließlich 1975 auf der Marquesas Insel Hiva Hoa in Französisch-Polynesien nieder.

Im Herbst 1977 veröffentlichte er völlig überraschend noch einmal eine neue Langspielplatte, die in Frankreich, wo er eine Art Mythos geworden war, eine regelrechte Brel-Hysterie auslöste. Trotz Werbeverzichts gingen mehr als eine Million Vorbestellungen[9] ein. Zur Präsentation der LP, die durchwegs hervorragende Kritiken erhielt (z. B. "Le Point": "wunderbar, umwerfend, herzzerreißend"[10]) bot das französische Fernsehen sogar den Sozialistenführer (und späteren Präsidenten) François Mitterrand auf.[11] In seiner Heimat Belgien, der Brel stets in einer Art Hassliebe verbunden war, sorgte vor allem das neue Chanson Les F. für Kontroversen, in welchem er die "Flamingants", die ultrakonservativen Flamen, als "Nazis während der Kriege, dazwischen Katholiken" charakterisierte.[12]

Nachdem sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte, kehrte Brel im Juli 1978 zur medizinischen Behandlung nach Frankreich zurück, wo er in Auseinandersetzungen mit der Illustrierten Paris Match verwickelt wurde, deren Fotografen seine Privatsphäre verletzten. Am 9.Oktober 1978 erlag er in einer Klinik in Bobigny bei Paris mit nur 49 Jahren seinem Krebsleiden. Er wurde auf Hiva Oa begraben, nur wenige Meter entfernt vom Grab Paul Gauguins.

Jacques Brel war ab Ende der 1950er-Jahre einer der meistgehörten Interpreten des Chansons und veröffentlichte rund 130 Lieder. In seinen teils sozialkritischen Texten prangerte er Hass und Ungerechtigkeit an.

„Letztlich glaube ich, dass, was auch immer er sagt, Jacques Brel alle Menschen liebt. Er ist sehr großzügig, aber er tut alles, um es zu verstecken. Er ist Belgier, aber er ist viel mehr ein Südländer. Er muss auf den Tisch hauen, wenn er zornig ist, und wenn er sagt, dass er jemanden umarmt, dann muss er seine Arme weit öffnen.“

Georges Brassens

Jacques Brels Chanson-Texte und -Melodien decken unterschiedliche Stimmungen von frivol-ausgelassen bis zu melancholisch oder mahnend ab, doch selbst die Lieder, die von Trennung handeln, haben einen ironisch-hoffnungsvollen Anklang. Ein Zitat aus „Les blés“, in dem es um die Getreideernte geht:

Les blés sont pour la faucille
Le soleil pour l'horizon
les garçons sont pour les filles
et les filles pour les garçons
(deutsch:Das Getreide ist für die Sichel//die Sonne für den Horizont//die Jungen sind für die Mädchen//und die Mädchen für die Jungen)

Bekannte Chansons von Jacques Brel

  • Quand on n'a que l'amour
  • Vesoul
  • La valse à mille temps
  • Le plat pays / Mijn vlakke land
  • Les bourgeois
  • Amsterdam (Le port d'Amsterdam)
  • Ne me quitte pas
  • Le Moribond (Adieu Émile)
  • Les Flamandes
  • Mathilde
  • On n'oublie rien
  • Ces gens là (u. a. gecovert von Ange)
  • Orly

Coverversionen

Immer wieder haben sich Künstler an der Interpretation von Chansons von Jacques Brel versucht. Schon zur Jahreswende 1967/68 schaffte Scott Walker einen Achtungserfolg mit Jackie. Einen Welthit landete Terry Jacks 1974 mit Seasons in the Sun, einer englischsprachigen Adaption von Le Moribond. Die wohl größten Weltstars, die auch Jacques Brel interpretierten, sind David Bowie, von dem es Aufnahmen mit Amsterdam gibt, und Sting.

Der österreichische Schauspieler und Chansonnier Michael Heltau hat in Brels Auftrag dessen Chansons in deutscher Sprache, in der Nachdichtung von Werner Schneyder, bekannt gemacht.

Der deutsche Liedermacher Klaus Hoffmann interpretierte Brels Lieder neu auf deutsch und ist damit heute noch sehr erfolgreich.

Werke

Diskografie

  • 1953: Erste in Brüssel eingespielte Single: La Foire/Il y a
  • 1954: Erstes Album: Jacques Brel et ses chansons
  • 1957: Quand on n'a que l'amour, Heureux Pardons,…
  • 1958: Je ne sais pas, Au printemps,…
  • 1958: Platte für die Zeitschrift Marie-Claire mit L'introduction à la Nativité und L'Évangile selon saint Luc
  • 1959: La valse à mille temps, Ne me quitte pas, Je t'aime, Isabelle, La mort, …
  • 1961: Marieke, Le moribond,…
  • 1962: Olympia d'octobre 1961
  • 1963: Les Bigotes, Les vieux, La Fanette,…
  • 1964: Jef, Les bonbons, Mathilde, Amsterdam, Le dernier repas,…
  • 1964: Olympia 1964
  • 1965: Ces gens-là, Fernande,…
  • 1967: 67 comprenant Mon enfance, À jeun,…
  • 1968: Vesoul, L'éclusier,…
  • 1970: L'Homme de la Mancha
  • 1972: Neuaufnahmen älterer Chansons
  • 1976: Gold
  • 1977: Les Marquises

Filmografie

Literatur

  • Heinz Riedel: Der zivilisierte Affe [frz.-dt.], Ahrensburg 1970: Damokles Verlag
  • Thomas Weick: Die Rezeption des Werkes von Jacques Brel, Frankfurt am Main 1991: Lang – ISBN 3-631-42936-3
  • Olivier Todd: Jacques Brel - Ein Leben („Jacques Brel, une vie“, 1984), Bremen 1997: Achilla Presse – ISBN 3-928398-23-7
  • Michaela Weiss: Das authentische Dreiminutenkunstwerk. Léo Ferré und Jacques Brel - Chanson zwischen Poesie und Engagement, Heidelberg 2003: Universitätsverlag Winter – ISBN 3-8253-1448-0

Einzelnachweise

  1. Biographie auf rfimusique.com
  2. www.diplomatie.be
  3. JACQUES BREL
  4. JACQUES BREL
  5. Jacques Brel - Grand Jacques
  6. DER SPIEGEL Nr. 42/1978 vom 16. Oktober 1978, Seite 284 Gestorben
  7. DER SPIEGEL Nr. 36/1967 vom 28. August 1967, Seite 106 Orkan im Saal
  8. Bei der Verfilmung 1974 spielte Brel selbst kurz mit. Anlässlich der Dreharbeiten entstand das letzte TV Interview. Darin bekräftigte er, dass sein Abschied von der Bühne endgültig sei: "Es ist normal, in der Badewanne zu singen, aber nicht vor Menschen. 20 Jahre lang habe ich mich vor jedem Auftritt erbrochen."
  9. http://www.cd-kritik.de/frameset/frset.htm?/kritiken/kuenstler/brel.htm
  10. DER SPIEGEL Nr. 49/1977 vom 28. November 1977, Seite 214, Frankreich feiert Jacques Brel
  11. Mitterrand spricht über Brel
  12. DER SPIEGEL Nr. 51/1977 vom 12. Dezember 1977, Seite 134, Einfach vulgär

Weblinks


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