- Marquesas
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Die Marquesas-Inseln (franz.: Archipel des Marquises; ursprünglicher Name Te Fenua Enata[1] übersetzt „Die Erde der Männer“) gehören geografisch und politisch zu Französisch-Polynesien.
Sie liegen 1.600 Kilometer nordöstlich von Tahiti bei 9° Süd und 139° West (Hiva Oa) südlich des Äquators im Pazifischen Ozean.
Die Marquesas mit 14 Inseln und zahlreichen kleinen Eilanden werden in eine nördliche Gruppe mit den Hauptinseln Nuku Hiva, Ua Pou und Ua Huka sowie in eine südliche Gruppe mit Hiva Oa, Tahuata und Fatu Hiva unterteilt. Die gesamte Landfläche umfasst 1.274 km². Die Bevölkerung beträgt 8.600 Personen (Zählungen 2002, 2007).
Inhaltsverzeichnis
Geografie
Die Marquesas sind die Gipfel einer aus der Tiefsee aufragenden Gebirgskette vulkanischen Ursprungs. Ähnlich wie Hawaii sind sie als Hot-Spots der pazifischen Platte entstanden. Im Gegensatz zu anderen polynesischen Inseln fehlt das umgebende Saumriff völlig. Die Inseln haben nur wenige kleine Strände, meist aus schwarzem Sand. Die höchste Erhebung ist der Mont Oave mit 1.232 Metern auf Ua Pou, zweithöchste der Mont Tekao auf der Insel Nuku Hiva mit 1.224 Metern.
Das Inselinnere ist überwiegend gebirgig, stark zerklüftet mit tief eingeschnittenen Tälern, deren Flüsse sich zum Teil mit spektakulären Wasserfällen ins Meer ergießen. Die Süd- und Ostseite der Inseln ist in Luv mit üppiger tropischer Vegetation nahezu undurchdringlich bedeckt. Der Regenwald reicht bis in die höchsten Gipfel. Die windabgewandte Nordwestseite ist meist arid, mit spärlichem Bewuchs und stellenweise wüstenähnlichem Charakter.
Das Klima ist tropisch heiß mit ergiebigen Regenfällen und hoher Luftfeuchtigkeit, die Temperatur beträgt im Jahresmittel 28 °C. Die Nächte, insbesondere in den Monaten Mai bis Oktober, können jedoch gelegentlich unangenehm kühl werden.
Inseln
Die Marquesas werden geografisch in eine Nord- und eine Südgruppe aufgeteilt. Die wichtigsten Inseln sind:
Name Gruppe Position Fläche
km²Einwohner
(2007)Nuku Hiva Nord 8° 52′ S, 140° 6′ W-8.8666666666667-140.1 339 2.660 Ua Pou Nord 9° 25′ S, 140° 5′ W-9.4166666666667-140.08333333333 105 2.157 Ua Huka Nord 8° 54′ S, 139° 33′ W-8.9-139.55 83,4 571 Eiao Nord 8° 0′ S, 140° 42′ W-8-140.7 43,8 —1) Hatutu Nord 7° 55′ S, 140° 34′ W-7.9166666666667-140.56666666667 6,4 —1) Motu Iti Nord 8° 40′ S, 140° 37′ W-8.6666666666667-140.61666666667 0,3 —1) Motu One Nord 8° 0′ S, 139° 12′ W-8-139.2 0,03 —1) Hiva Oa Süd 9° 45′ S, 139° 0′ W-9.75-139 387 1.986 Tahuata Süd 9° 56′ S, 139° 6′ W-9.9333333333333-139.1 61 671 Fatu Hiva Süd 10° 29′ S, 138° 39′ W-10.483333333333-138.65 84 587 Fatu Huku Süd 9° 25′ S, 138° 55′ W-9.4166666666667-138.91666666667 1,3 —2) Molopu Süd 10° 0′ S, 138° 50′ W-10-138.83333333333 15 —2) 1) zur Gemeinde Nuku Hiva
2) zur Gemeinde Hiva OaFlora und Fauna
Flora
Der tropische Regenwald der Inseln ist sehr artenreich. Ein Forschungsprojekt der Smithsonian Institution hat festgestellt, dass von den 714 dort vorkommenden Gefäßpflanzen 337 einheimische Spezies sind, davon nahezu die Hälfte endemisch. Der Bestand an Farnpflanzen ist mit 27 Familien, 55 Gattungen und 117 Arten einer der reichhaltigsten auf der Erde.[2]
Die mittlerweile auf den Inseln vorherrschenden Nutzpflanzen wurden im Zuge der verschiedenen Siedlungswellen eingeführt. Hauptnahrungsmittel ist bis zum heutigen Tag die Brotfrucht, die zu einem nahrhaften Brei, Popoi genannt, verarbeitet wird. Von großer Bedeutung sind auch Yams und Taro, Bananen, Kava sowie alle Arten von tropischen Früchten. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist die Kokospalme, die Grundlage für eine bescheidene Kopra-Produktion. Neuerdings wird auch vermehrt der Anbau von Noni-Früchten (Morinda citrifolia) für die alternative Heilkunde betrieben.
Fauna
Als Großtiere kommen lediglich Nutztiere wie Pferde, Rinder, Schweine und Hühner vor. Die Tierwelt an Land beschränkt sich ansonsten auf Insekten, Schnecken und Eidechsen. Im Regenwald sind zahlreiche seltene Vogelarten heimisch, zum Beispiel die Marquesen-Erdtaube (Gallicolumba rubescens), der Marquesasliest (Todiramphus godeffroyi), der Marquesas-Monarch (Pomarea mendozae), der Iphis-Fliegenschnäpper (Pomarea iphis), der auf der Insel Ua Huka endemisch ist, und der nur auf Fatu Hiva vorkommende Fatuhivamonarch (Pomarea whitneyi).
Auf den kleineren, unbewohnten Inseln gibt es eine reichhaltige Vogelwelt mit Fregattvögeln, Seeschwalben und anderen Seevogelarten.
Geschichte
Vorgeschichte
Funde von später Lapita-Keramik (Plainware) auf Nuku Hiva durch den Anthropologen Harry Lionel Shapiro von American Museum of Natural History bei Ausgrabungen 1956 beweisen eine verhältnismäßig frühe Kolonisierung der Marquesas durch Protopolynesier, wobei der genaue Zeitpunkt umstritten ist. Der amerikanische Archäologe Robert Suggs geht von einer Initialbesiedlung zwischen 100 v. Chr. bis 150 n. Chr. aus,[3] neuere Veröffentlichungen nehmen jedoch eine Erstbesiedlung nicht vor 300 n.Chr. an.[4] Die polynesische Kolonisierung der Marquesas erfolgte von Westen, vermutlich von Samoa oder Tonga, im Rahmen der Polynesischen Expansion.[5] Neuere Erkenntnisse stützen allerdings eher die Multibesiedelungsthese in Form mehrerer Siedlungswellen. Von den Marquesas ging später die Besiedlung Hawaiis, Neuseelands, der Gesellschaftsinseln und möglicherweise auch der Osterinsel aus.
Fußend auf den Forschungen von Suggs teilt man die Inselgeschichte bis zur europäischen Entdeckung in vier Zeitabschnitte ein:
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- Siedlungsperiode (vom Beginn der Besiedlung bis ca. 600 n. Chr.)
- Entwicklungsperiode (von 600 bis 1200 n. Chr.)
- Expansion (von 1200 bis 1600 n. Chr.)
- Klassische Zeit (von 1600 bis zur Einflussnahme der Europäer im späten 18. Jahrhundert).
Im frühesten, der Initialbesiedlung folgenden Zeitabschnitt ließen sich die Menschen in kleinen, kompakten Strandsiedlungen oder unter Felsüberhängen im unmittelbaren Küstenbereich nieder. Ihre Hauptnahrungsquelle war die Küstenfischerei, wie Funde zahlreicher Angelhaken aus Muschelschalen beweisen.[6]
Dieser Besiedlungsphase schloss sich eine Periode der kulturellen Entwicklung und Stabilisierung an. Ab der Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. gewann der Ackerbau (Taro, Yams) und die Nutzung kultivierter, fruchttragender Bäume (Brotfrucht, Kokosnuss) zunehmend an Bedeutung. Die Technik der Tiefseefischerei wurde, wie aus der Fortentwicklung der Angelhaken ersichtlich ist, verfeinert, wahrscheinlich hielt man auch Schweine und Hunde als Nahrungstiere.[7] Fortschritte im Kanubau ermöglichten einen umfangreichen Warenaustausch mit anderen Inseln. Belegt sind Fahrten nach Rarotonga – immerhin 2500 Kilometer entfernt – um die leuchtendroten, sehr begehrten Kura-Federn (von einer Unterart des Kaka (Nestor meridionalis)) für den Häuptlingsschmuck einzuhandeln. Gegen Ende dieser Periode gab es eine auffallende Änderung im Nahrungsangebot. Archäologische Untersuchungen von Abfallhaufen zeigten eine drastische Abnahme der Überreste wildlebender Tiere (Land- und Seevögel, Schildkröten und Meeressäuger).[8] Lokal gab es einen deutlichen Anstieg in der Bevölkerungsdichte, verbunden mit einem Raubbau an der umgebenden Natur und der Ausrottung einzelner Spezies.[9]
Das weitere Bevölkerungswachstum und der Niedergang der natürlichen Nahrungsquellen machte ab dem 2. Jahrtausend n. Chr. die Expansion und die Entwicklung neuer Agrartechniken notwendig. Die Siedlungen entfernten sich von der Küste und wuchsen die steilen Täler hinauf. Anbauterrassen für den Taro mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen wurden angelegt. Gelegentliche Trockenperioden und Naturkatastrophen, die den Ertrag minderten, wurden mittels aufwendig angelegter, riesiger Vorratsgruben für den fermentierten Brei aus der Brotfrucht (ma) überbrückt. Eine dieser Vorratsgruben im Taipivai-Tal auf Nuku Hiva hatte ein Fassungsvermögen von 216 m³.[10] In den durch steile Felsrücken getrennten, tief eingeschnittenen Tälern entwickelten sich unabhängige Stammesfürstentümer mit einer stratifizierten Gesellschaftsordnung. An der Spitze standen die Stammeshäuptlinge, die ihre Genealogie auf die vergöttlichten, mythischen Vorfahren zurückführen konnten und vom Adel und der Priesterschaft gestützt wurden. Sie waren Inhaber aller Ressourcen und sicherten die komplizierte Gesellschaftsstruktur durch ein ausgeklügeltes System von Abhängigkeiten, Rechten und Tapus (Verbote, Unantastbarkeiten), die jedem Individuum zwar ein gewisses Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht einräumten, aber die Einflussmöglichkeiten sorgsam nach Alter, Geschlecht und sozialer Stufe unterschieden.
Zentrum der Siedlung war der tohua, ein ausgedehnter Platz für Feste, Tänze und Zeremonien, um den sich zahlreiche steinerne Plattformen kumulierten. Darauf befanden sich die aus vergänglichen Materialien errichteten Häuser – z. B.: Tempel, die Häuptlingsresidenz, Wohnhäuser für den Adel und die Priesterschaft, Versammlungshallen, ein Tätowierhaus, ein Haus für die Krieger u. a. – die heute nicht mehr erhalten sind. Bergfestungen aus einem sinnreich konstruierten System von Gräben, Palisaden und Plattformen überzogen die schwer zugänglichen Bergrücken und belegen eine kriegerische Gesellschaft mit häufigen, ritualisierten Stammeskriegen.
In der klassischen Periode, etwa ab dem 17. Jahrhundert, wuchsen die Siedlungen weiter die Täler hinauf, die Strände jedoch wurden gemieden, der Archäologe Suggs vermutet, um sich zunehmender Angriffe von See her zu entziehen.[11] Die Architektur strebte einem Höhepunkt entgegen. Man errichtete riesige, mehrstufige Tempelplattformen (me'ae) mit kolossalen, anthropomorphen Steinfiguren. Hausplattformen (paepae) wurden nun in megalithischer Steinsetzung gebaut. Das Kunstschaffen verlagerte sich auf Experten (tohunga), die die Kultur zu einer neuen Blüte führten und begnadete Tattoo-Künstler, Holz- und Knochenschnitzer, Steinbildhauer und Kanubauer hervorbrachten. Deren Erzeugnisse sind heute über die Völkerkundemuseen der ganzen Welt verstreut. Auf den Marquesas selbst ist nur wenig davon verblieben.
Zu den Schattenseiten gehörte der zunehmende Einfluss der Kriegerkaste (toa), was zur Intensivierung der Konflikte führte. Es bildete sich der elitäre Kriegerorden der Kaioi, etwa vergleichbar mit den Arioi auf Tahiti, jedoch aggressiver in der Ausprägung. Menschenopfer und Kannibalismus waren verbreitet.
„Die Männer der Marquesas, kaum weniger barbarisch als die von Neuseeland, gestalten ihren Krieg meistens als Geplänkel oder überraschenden Überfall, weil er häufig lediglich ein Vorwand ist, die Zutaten für eine kannibalische Mahlzeit auf Kosten des besiegten Feindes zu erobern.“[12]
Diese Periode reichen kulturellen Wachstums endete, als die Europäer – insbesondere die Missionare – ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend Einfluss ausübten.
Entdeckungsgeschichte
Für Europa entdeckt wurden die Marquesas vom Spanier Alvaro Mendana de Neira. Er fuhr mit vier Schiffen von Peru zu den Salomonen, um dort einen spanischen Stützpunkt zu errichten. Zunächst sichtete er die Insel Tahuata und benannte die Inselgruppe nach Marques de Mendoza, dem damaligen Vizekönig von Peru: „Las Islas Marquesas Don García Hurtado de Mendoza y Canete“, verkürzt „Marquesas“. Am 21. Juli 1595 landete er auf Fatu Hiva. Nach einer freundlichen Begrüßung und dem Austausch von Geschenken begingen die Inselbewohner einige kleinere Diebstähle. Bei dem anschließenden Gefecht wurden 8 Eingeborene getötet, darunter ein betagter Häuptling.
Vom 27. Juli bis 5. August 1595 hielt sich Mendana auf der Insel Hiva Oa auf. Auch dort kam es zu Konflikten und der Plan einer Eroberung und Besiedlung scheiterte am heftigen Widerstand der Insulaner. Fernandes de Quiros, einer der Kapitäne, schreibt, bei diesen Auseinandersetzungen seien insgesamt 200 Eingeborene getötet worden.[13]
Wegen der ungenauen Positionsangabe und einer Interessenverlagerung der Spanier vom Pazifik weg, gerieten die Inseln bald in Vergessenheit. Erst fast zweihundert Jahre später wurden sie von James Cook wieder entdeckt, der sich während seiner zweiten Südseeexpedition vom 7. bis 11. April 1774 auf den Marquesas aufhielt.
1791 entdeckte der Amerikaner Joseph Ingraham, der mit seiner Handelsbrigg Hope von Boston in die Südsee segelte, die Nordwestgruppe der Marquesas mit der größten Insel Eiao, er benannte sie nach dem amerikanischen Präsidenten „Washington Island“.
Leutnant Richard Hergest von der Daedalus, dem Versorgungsschiff der Vancouver-Expedition, zeichnete im März/April 1792 die erste vollständige Karte der Marquesas.
Im Mai 1804 ankerte Adam Johann von Krusenstern bei seiner Weltumseglung mit den Schiffen Nadeshda und Newa in der Bucht von Taiohae auf der Insel Nuku Hiva. Während seines zehntägigen Aufenthaltes studierte er den Alltag und die Bräuche der Insulaner. Hierbei konnte er auch Anzeichen für rituellen Kannibalismus feststellen.[14]
In den Folgejahren wurden die Inseln gelegentlich von Händlern, Abenteurern, entlaufenen Matrosen und Walfängern aufgesucht, die Geschlechtskrankheiten, Feuerwaffen und Alkohol mitbrachten und damit das soziale Gefüge auf den Inseln aus dem Gleichgewicht brachten.
„Da waren die wilden Abenteurer, kleine Conquistadoren, die, im Besitz von Flinte und Munition, einen oder ein paar Talstämme beherrschten, die Eingeborenen in ihren Kriegen anführten und sie womöglich zur Strandpiraterie anstifteten. Sie waren der Schrecken der Missionare. Als ‚Erzieher‘ der Eingeborenen spendeten sie ihnen die Gabe des Kokospalmweines.“[15]
1813 erreichte Kommodore David Porter mit der Fregatte USS Essex Nuku Hiva, nahm die Insel am 19. November 1813 für die USA in Besitz und nannte sie „Madison Island“. Der Kongress der Vereinigten Staaten hat die Okkupation jedoch nicht ratifiziert.
Vom 18. August bis zum 2. September 1814 ankerten die Kriegsschiffe HMS Briton und HMS Targus vor Nuku Hiva und Tahuata. Von dort fuhren sie weiter nach Pitcairn, wo die Besatzung auf John Adams, den letzten Überlebenden der Meuterei auf der Bounty traf.
1838 erreichte der Franzose Abel Aubert Du Petit-Thouars (1793–1864) mit seiner Fregatte Venus die Marquesas-Inseln und brachte katholische Missionare mit. Nach einem Bericht von Jules Dumont d’Urville, der wenige Wochen später mit seinen Schiffen Astrolabe und Zélee vor Taiohae ankerte, hatten sich damals außerdem vier Amerikaner, zwei Spanier und ein Engländer unter der indigenen Bevölkerung in Taiohae angesiedelt.
Bei seiner zweiten Reise in den Pazifik nahm Du Petit-Thouars, inzwischen Konteradmiral, die Marquesas als Kolonie für Frankreich in Besitz. Die Annexion vollzog sich in zwei Etappen:
- am 1. Mai 1842 in Vaitahu auf Tahuata für die südöstliche Gruppe. Häuptling Iotete (andere Schreibweise: Lotete) akzeptierte die französische Oberherrschaft vertraglich. Zum Dank unterstützten ihn die Franzosen in den Stammeskonflikten, sodass sich Iotete zum König der gesamten Inselgruppe erheben konnte.
- am 2. Juni 1842 in Taiohae auf Nuku Hiva für die nordwestliche Gruppe. Die Franzosen errichteten dort ein Fort und eine Siedlung, um ihren Anspruch deutlich zu machen.[16]
Der Schriftsteller Herman Melville hielt sich im Juni 1842 vier Monate auf der Insel Nuku Hiva auf. In seinem Roman Typee schildert er – romantisch überzeichnet, doch keineswegs unrealistisch – sein Leben mit einem Clan der Marquesas. Der Erfolgsroman erschien 1846 bei John Murray in London. Die in dem Buch enthaltene Kritik an Kolonisierung und Missionierung führte zu heftigen Angriffen konservativer Kreise. Dennoch beeinflusste der Roman viele spätere Autoren die über die Südsee schrieben, zum Beispiel Robert Louis Stevenson, Jack London oder Robert Dean Frisbie.
1860 begann ein drei Jahre dauernder Raubzug peruanischer Sklavenhändler, die zahlreiche Einwohner auf die Guanoinseln vor der peruanischen Küste verschleppten. Die wenigen Rückkehrer verursachten 1863 eine Pockenepidemie, der zahlreiche Bewohner der Marquesas zum Opfer fielen.
1888 weilte der Schriftsteller Robert Louis Stevenson für mehrere Monate auf den Marquesas, auf dem Tuamotu-Archipel und auf Tahiti.
1897/98 besuchte der deutsche Arzt und Ethnologe Karl von den Steinen die Marquesas. Ihm verdanken wir u.a. eine akribische Beschreibung der Tätowierungen. Ohne diese Arbeit wären die kunstvollen Muster für immer verloren.
Missionsgeschichte
Die ersten Missionare, die ab 1797 aus England kommend über Tahiti die Marquesas erreichten, waren die Baptisten William Pascoe Crook und John Harris. Harris kam mit den Verhältnissen überhaupt nicht zurecht und kehrte wenige Monate später nach Tahiti zurück (in einem zeitgenössischen Bericht heißt es, er sei völlig verzweifelt, nackt und ausgeplündert am Stand aufgelesen worden). Crook blieb bis 1799.
Nicht mehr Erfolg hatte die amerikanisch-hawaiische Mission. William Patterson Alexander, Benjamin Parker und Richard Armstrong erreichten 1834 mit ihren Ehefrauen und einem drei Monate alten Baby von Hawaii kommend die Marquesas. Bereits im selben Jahr kehrten sie zurück. 1835 kamen zwei weitere Reverends mit ihren Ehefrauen aus Hawaii nach Fatu Hiva, konnten sich aber dort nicht halten und gingen später nach Hiva Oa. Immerhin gelang es dem aus Hawaii stammenden James Bicknell 1857 das Johannesevangelium ins Marquesanische zu übersetzen.
Ab 1838/39 konnte sich die katholische Mission, getragen von dem erst 1800 gegründeten französischen Orden „Pères et religieuses des Sacrés-Cœurs de Picpus“ (oder auch „Picpusiens“, benannt nach dem Ordenssitz in der Picpus-Straße in Paris) etablieren. Die Missionare breiteten sich von Mangareva aus nach Tahuata, Ua Pou und Nuku Hiva aus. Sie hatten, nicht anders als ihre evangelischen Glaubensbrüder, unter der gleichen feindseligen Aufnahme und den Stammeskriegen zu leiden. Mit Unterstützung der französischen Behörden konnten sie sich allerdings – trotz aller Hindernisse – auf Dauer behaupten. Ihnen gelang es sogar, König Moana von Nuku Hiva zu taufen, der jedoch 1863 an den Pocken starb.
Die Missionare jeder Glaubensrichtung taten ihr Bestes, die überlieferte Kultur mit Kava-Trinken, Fruchtbarkeits- und Mannbarkeits-Riten, Tatauierung, Schädelpräparation, Tanz und traditioneller Musik auszumerzen, allerdings versuchten sie auch – und das letztlich mit Erfolg – Kannibalismus und die ständigen Stammeskriege zu unterbinden.
Bevölkerungsentwicklung
Die fruchtbare Natur war in den ersten Jahrhunderten in der Lage, die zahlreiche und schnell wachsende Bevölkerung zu ernähren. Ältere Schätzungen gehen davon aus, dass Ende des 13. Jahrhunderts die Inseln insgesamt zwischen 50.000 und 100.000 Einwohner hatten. Neuere Forschungen halten aber die Zahl von 35.000 für realistischer. Das rasche Wachstum verlief nicht ohne Konflikte:
„Eine wesentliche Ursache für die immensen Stammesrivalitäten darf man in der Relation zwischen der Einwohnerzahl und dem nutzbaren Land sehen. Als die Bevölkerung über den Punkt hinauswuchs, an dem alle ökologischen Nischen gefüllt waren, vervielfachten sich auch die Konflikte über die Landverteilung und –nutzung.“[17]
Naturkatastrophen, Abtreibung und Kindstötung, aber vor allem die grausamen Stammeskriege, verhinderten ein weiteres Ausufern der Bevölkerungszahl. Die Einflussnahme der Europäer beendete die Konflikte zunächst nicht, sondern verschärfte sie noch durch die Verfügbarkeit von Feuerwaffen. Hinzu kamen bisher unbekannte Krankheiten und Seuchen sowie ein Geburtenrückgang.
Einigermaßen zuverlässige Zahlen, die den dramatischen Bevölkerungsrückgang nach dem Kontakt mit den Europäern deutlich machen, gab es erst nach Übernahme der Verwaltung durch die französischen Behörden (Zahlen für alle Inseln zusammen):
- 1842: 20.200 Einw.
- 1856: 12.550 Einw.
- 1872: 6.045 Einw.
- 1882: 4.865 Einw.
- 1897: 4.279 Einw.
- 1911: 3.000 Einw.
- 1930: 2.200 Einw.
Die amtliche Zählung registrierte die Einwohner insgesamt, einschließlich der europäischen Zuwanderer. In bereinigten Zahlen dürften 1897 nur noch etwa 3.800 marquesanische Ureinwohner verblieben sein.[18]
Politik und Verwaltung heute
Politisch gehören die Marquesas heute zum französischen Überseeland (Pays d'outre-mer, POM) Französisch-Polynesien und sind damit der EU angegliedert. Sie werden durch eine Unterabteilung (Subdivision administrative des Îles Marquises) des Hochkommissariats von Französisch-Polynesien (Haut-commissariat de la République en Polynésie française) mit Sitz in Papeete verwaltet.
Die Subdivision administrative des Îles Marquises umfasst sechs politisch eigenständige Gemeinden (Communes des Îles Marquises):
Gemeinde Hauptort Einwohner Teilgemeinden (Communes associées) Fatu Hiva Omoa 629 Hiva Oa Atuona 2.310 Atuona und Puamau
verwaltet auch die unbewohnten Inseln Molopu und Fatu HukuNuku Hiva Taiohae 2.798 Hatiheu, Taiohae und Taipivai
verwaltet auch die unbewohnten Inseln Eiao, Hatutu, Motu Iti und Motu OneTahuata Vaitahu 706 Ua Huka Vaipaee 592 Ua Pou Hakahau 2.246 Hakahau und Hakamaii Währung ist (noch) der an den Euro gebundene CFP-Franc. Der Verwaltungshaushalt der Marquesas wird wesentlich mit Mitteln aus Frankreich und der EU subventioniert.
Die 8.632 Einwohner (2007) [19] sind mehrheitlich katholischen Glaubens. Sie wohnen überwiegend in kleinen Dörfern, große Städte gibt es auf den Marquesas nicht. Größter Ort ist Taiohae auf der Insel Nuku Hiva, gleichzeitig auch der Verwaltungssitz, mit 1.927 (2007) Einwohnern.
Seit einigen Jahren gibt es Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Marquesas fühlen sich von der Zentralverwaltung Französisch-Polynesiens in Papeete nicht ausreichend vertreten und streben eine unmittelbare Anbindung an Frankreich an.[20]
Sprache
Amtssprache auf den Marquesas ist das Französische. Die indigene Sprache Marquesanisch gehört zu den polynesischen Sprachen, einer Untereinheit des austronesischen Sprachstamms. Sie wird von 5.500 Marquesanern gesprochen.[21] Marquesanisch gliedert sich in einen Nord-Dialekt (3.400 Sprecher) auf der nördlichen Insel-Gruppe und einen Süd-Dialekt (2.100 Sprecher) auf den südlichen Inseln. Manche Forscher betrachten die beiden Varietäten als selbstständige Sprachen.
Literatur
- Thor Heyerdahl: Fatu Hiva; Goldmann Verlag München, Neuauflage 1996; ISBN 3-442-08943-3 (Bericht über eine ein Jahr dauernde abenteuerliche Robinsonade auf der heute noch abgelegenen Insel Fatu Hiva).
- Herman Melville: Typee. Erstveröffentlichung 1846, mehrere deutsche Auflagen. (Persönliche Erlebnisse Melvilles bei einem Stamm auf der Insel Nuku Hiva, eingebunden in eine Romanhandlung)
- Karl von den Steinen: Die Marquesaner und ihre Kunst, 3 Bände; Dietrich Reimers Berlin, 1925–1928; Facsimilereprint Fines Mundi, Saarbrücken 2006 (auch heute noch gültiges ethnologisches Grundlagenwerk über die Marquesas)
- Adam Johann von Krusenstern: Reise um die Welt, ausgewählt, bearbeitet und herausgegeben von Christel und Helmuth Pelzer; F.A. Brockhaus Verlag Leipzig, 1985; ISBN 3-325-00172-6.
- Greg Dening: Islands and beaches: discourse on a silent land; Marquesas 1774–1880; Honolulu, Hawaii: University Press of Hawaii, 1980; ISBN 0-8248-0721-9.
- Burgl Lichtenstein: Die Welt der 'Enana – Eine Reise durch Geschichte und Gegenwart der Marquesas-Inseln. MANA-Verlag, Berlin 2007; ISBN 978-3-934031-62-3 (eine Art Reisetagebuch mit umfangreichen Hintergrundinformationen und vielen persönlichen Eindrücken).
Weblinks
- Literatur zum Schlagwort Marquesas im Katalog der DNB und in den Bibliotheksverbünden GBV und SWB
- Jane Freeman Moulin: Music of the Southern Marquesas Islands. In: University of Auckland (Hrsg.): Occasional Papers in Pacific Ethnomusicology, Nr. 3, 1994
- Tourismus-Seite der Marquesas
Einzelnachweise
- ↑ Es gibt mehrere Schreibweisen: Te Henua Kenana, Henua ‘enana, um nur zwei weitere zu nennen. Da die marquesanische Kultur keine eigene Schrift entwickelt hat, beruhen alle auf mündlichen Weitergaben an die Europäer. Man darf unterstellen, dass eine so falsch ist wie die andere.
- ↑ Flora of the Marquesas
- ↑ R.C. Suggs: Archaeology of Nuku Hiva, Marquesas Islands, French Polynesia; Anthropological Papers of the American Museum of Natural History, New York 1961, S. 181
- ↑ M. Spriggs und A. Anderson: Late Colonisation of East Polynesia in Antiquity Vol. 67, S. 210
- ↑ P.V. Kirch: The evolution of the Polynesian chiefdoms, Cambridge, Mass., 1996, S. 78
- ↑ F. Leach u. a.: The fishermen of Anapua Rock Shelter, Ua Pou, Marquesas Islands; in Asian Perspectives – the Journal of Archaeology for Asia and the Pacific 36 (1997), S. 51–66
- ↑ P.V. Kirch 1996, S. 158
- ↑ P.V. Kirch: On the Road of the Winds – An Archaeological History of the Pacific Islands before European Contact, Berkeley und Los Angeles 2002, S. 258–259
- ↑ B.V. Rollett: Colonisation and cultural change in the Marquesas; in J. Davidson u. a.: Oceanic Culture History: Essays in Honor of Roger Green; Dunedin (Neuseeland) 1996, S. 538 ff.
- ↑ R. Linton: Archaeology of the Marquesas Islands; Honolulu 1925, S. 103
- ↑ R. C. Suggs 1961, S. 185
- ↑ Zitat aus: J.A. Moerenhout: Voyages aux îles du Grand Océan; Paris, 1837, S. 304
- ↑ The Voyages of Pedro Fernandez de Quiros – 1595 to 1606; übersetzt und hrsg. von Clements Markham, Band 1; London 1904; Kapitel 4–7
- ↑ Ivan Fedorovich Kruzenshtern: Reise um die Welt in den Jahren 1803, 1804, 1805 und 1806 auf Befehl Seiner Kaiserl. Majestät Alexander des Ersten, auf den Schiffen Nadeshda und Newa, unter dem Commando des Capitäns von der Kaiserl. Marine, A.J. von Krusenstern; Berlin 1811
- ↑ Zitat aus: Karl von den Steinen: Die Marquesaner und ihre Kunst, Band 1; Berlin 1925–1928; S. 38
- ↑ Eugéne Caillot, Histoire de la Polinésie Orientale, Paris 1910, S. 344
- ↑ Zitat aus R. C. Suggs: The island civilisations of Polynesia; New York 1961; S. 128
- ↑ Karl von den Steinen, S. 12
- ↑ Einwohnerzahlen vom Institut Statistique de Polynésie Française (ISPF) – Recensement de la population 2007
- ↑ http://www.rue89.com/2007/12/23/polemique-a-tahiti-les-marquises-veulent-se-rapprocher-de-paris?page=0, eingestellt August 2008
- ↑ Wurm & Hattori 1981, in Ethnologue 2005
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