British Rail Class 390

British Rail Class 390
Klasse 390 “Pendolino”
Klasse 390 “Pendolino” im Bahnhof Birmingham New Street
Anzahl: 53
Hersteller: Alstom, Washwood Heath
(Fiat Neigetechnik)
Länge über Puffer: 217 m
Höhe: 2,73 m
Breite: 2,9 m
Leermasse: 466 t
Radsatzfahrmasse: 14,7 t
Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h (zugelassen)
200 km/h (im Dienst)
Dauerleistung: 5100 kW
Anfahrzugkraft: 204 kN
Stromsystem: 25 kV
Anzahl der Fahrmotoren: 24
Sitzplätze: 145 (erste Klasse)
294 (zweite Klasse)

Die Fahrzeuge der auch als Pendolino bezeichneten Britischen Klasse 390 sind elektrisch angetriebener Neigezüge, die von der Bahngesellschaft Virgin Trains auf der West Coast Main Line im Vereinigten Königreich eingesetzt werden. Gebaut wurden die Züge von Alstom, die aktive Neigetechnik stammt von Fiat.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Virgin Trains im Jahr 1997 die Ausschreibung für den InterCity-Verkehr auf der West Coast Main Line gewann, wurde beschlossen, die dort verkehrenden Züge durch neues Wagenmaterial zu ersetzen. Bei den alten Zügen handelte es sich vor allem um Elektrolokomotiven der Typen BR-Klasse 86, BR-Klasse 87 und BR-Klasse 90, sowie um Wagen der Typen BR Mark 2 und BR Mark 3 im Wendezugbetrieb. Alstom/Fiat wurde daraufhin mit dem Bau von Neigezügen beauftragt; die meisten Komponenten stammen von Fiat, die Endmontage geschah jedoch in Washwood Heath. 53 Einheiten wurden zwischen 2001 und 2004 gebaut, mit den Nummern 390001 bis 390053.

Damit werden nicht zum ersten Mal Neigezüge auf der WCML betrieben. Bereits zwanzig Jahre zuvor hatte British Rail den Advanced Passenger Train (APT; British Rail Class 370) konstruiert. Obwohl dieser letztendlich gescheitert war, hat viel von dessen Technologie überlebt – sie war an Fiat verkauft worden, und damit ist der Class 390 in mancherlei Hinsicht ein Nachfolger des APT.

Ursprünglich sollten die Züge mit einer Geschwindigkeit von 225 km/h (140 mph) fahren. Der Ausbau der West Coast Main Line wurde jedoch teurer als geplant, daher wurde lediglich für eine Maximalgeschwindigkeit von 200 km/h (125 mph) ausgebaut. Entsprechend wurden dann auch die Züge auf diese Maximalgeschwindigkeit ausgelegt. Damit fahren die Züge zwar mit der gleichen Geschwindigkeit wie früher die APTs von British Rail; diese waren jedoch ursprünglich für eine Geschwindigkeit von 155 mph entwickelt worden, und hatten auf Testfahrten tatsächlich einmal 162 mph (261 km/h) erreicht.

Klasse 390, Nr. 390045 Virgin Valiant in Carlisle am 27. August 2004, unterwegs von Bahnhof Glasgow Central nach Bahnhof Euston

Zum Einsatz kamen die Züge zum ersten Mal auf der Strecke von Bahnhof Euston nach Bahnhof Manchester Piccadilly am 23. Juli 2002, zur Eröffnung der Commonwealth Games in Manchester. In den folgenden Monaten übernahmen die Klasse-390-Züge den Verkehr nach Manchester vollständig und wurden auch nach Bahnhof Liverpool Lime Street, Bahnhof Birmingham New Street, Wolverhampton und Preston eingesetzt. Ende 2003 war auch die letzte Klasse 86-Lokomotive durch Pendolinos ersetzt worden.

2004 wurden die Pendolinos dann auch nach Bahnhof Glasgow Central und später auch auf allen Strecken nördlich von Preston eingesetzt; damit konnten die BR-Klasse 90-Lokomotiven vollständig eingespart werden. Wegen technischer Probleme der Pendolinos blieben einige BR-Klasse 87-Lokomotiven jedoch auch weiterhin im Dienst.

Im selben Jahr wurden die Pendolinos auch für die North Wales Coast Line von Crewe nach Holyhead freigegeben. Da diese Strecke nicht elektrifiziert ist, werden die Züge von BR-Klasse 57-Diesellokomotiven gezogen (die auch zum Einsatz kommen, wenn Pendolinos über nicht-elektrifizierte Strecken umgeleitet werden).

Technik

Der Klasse 390 ist der schnellste britische Triebzug; lediglich der französisch-britische Eurostar ist schneller, das Signalsystem beschränkt jedoch auch ihn auf eine Geschwindigkeit von 125 mph (200 km/h) auf Ausbaustrecken. Im September 2006 stellte ein Klasse 390 eine neue Bestzeit für die 401 Meilen (642 km) lange Strecke von Glasgow nach London auf; mit 3 Stunden 55 Minuten war er schneller als der vorige Rekord von 4 Stunden 14 Minuten, aufgestellt vom Advanced Passenger Train im Jahr 1981.

Im Unterschied zu den anderen Pendolino-Neigezügen, die eine hydraulische Neigetechnik verwenden, wurde bei der Klasse 390 eine elektromechanische Neigetechnik eingebaut (entwickelt von SIG, später FIAT-SIG und heute ALSTOM Schienenfahrzeuge AG und ESW GmbH). Im Gegensatz zur FIAT-Neigetechnik weden keine Pendel, sondern auf Rollen laufende, schrägstehende Kulissen verwendet. Diese soll effizienter sein und geringere Wartungskosten verursachen. Statt eines traditionellen Speisewagens gibt es ein Bord-Bistro. Es gibt ein elektronisches Informationssystem, mit Anzeigen an den Wagenenden und außen an den Türen. An den Sitzen gibt es Kopfhörerbuchsen für das Bordradio. Für die Platzreservierung gibt es ebenfalls elektronische Anzeigen; diese haben sich jedoch als unzuverlässig erwiesen, so dass nach wie vor die Reservierungen mit Papierzetteln gemacht werden. Die Abteiltüren öffnen sich auf Knopfdruck. Bei den älteren Wagen vom Typ British Rail Mark 3 und British Rail Mark 4 gab es Kritik wegen der Zugluft, wenn die mit einem Sensor ausgestatteten Türen durch ein Gepäckstück offengehalten wurden. Allerdings wird heute kritisiert, dass die Türen sich schließen, wenn noch Passagiere auf den Ausstieg warten. Die Türen besitzen ausfahrbare Stufen, die sich an die Bahnsteighöhe anpassen. Dies gab es bereits beim APT-P.

Die Pendolino-Flotte ist beheimatet im Manchester Traincare Centre in Longsight, wo größere Wartungsarbeiten durchgeführt werden; dazu gibt es eine Hebebühne, die einen gesamten Zug anheben kann. Kleinere Wartungsarbeiten werden auch in den anderen Werkstätten von Alstom durchgeführt, nämlich in Wembley (in London), Oxley (bei Wolverhampton), Edge Hill (in Liverpool) und Polmadie (in Glasgow).

Jede Einheit besteht aus neun Wagen; die ersten 34 Einheiten wurden nur mit acht Wagen gebaut, ein neunter wurde im Jahr 2004 hinzugefügt. Eine Einheit ist folgendermaßen zusammengestellt:

Wagennummer Typ Beschreibung Sitzplätze
1. Klasse 2. Klasse Toiletten
69101-69153 DMRFO Endwagen (angetrieben): erste Klasse, Restaurant 18 - -
69401-69453 MFOD Mittelwagen (angetrieben): erste Klasse, Behindertensitzplatz 39 - 1 (behindertengerecht)
69501-69553 PTFO Mittelwagen (mit Stromabnehmer): erste Klasse 44 - 1
69601-69653 MFO Mittelwagen (angetrieben): erste Klasse 46 - 1
68801-68853 TSO Mittelwagen: zweite Klasse - 76 1
69701-69753 MSO Mittelwagen (angetrieben): zweite Klasse, Behindertensitzplatz - 66 1 (behindertengerecht)
69801-69853 PTSRMB Mittelwagen (mit Stromabnehmer): zweite Klasse, Bord-Bistro - 48 -
69901-69953 MSO Mittelwagen (angetrieben): zweite Klasse, Behindertensitzplatz - 64 1 (behindertengerecht)
69201-69253 DMSO Endwagen (angetrieben): zweite Klasse - 46 1

Probleme und Zwischenfälle

Im Oktober 2004 kollidierte ein Zug mit dem Prellbock am Bahnsteiganfang im Bahnhof Liverpool Lime Street; ein ähnlicher Unfall passierte ein paar Wochen später im selben Bahnhof. Die Ursache war laut Rail Safety and Standards Board ein Software-Fehler im Antiblockiersystem, das die Bremsen bei niedriger Geschwindigkeit nach längerem Ausrollen (wie dies bei der Einfahrt in einen Bahnhof passiert) deaktiviert. Bis zur Behebung des Fehlers galt eine Höchstgeschwindigkeit von 110 mph[1].

Ein weiteres Problem (das auch bei den dieselbetriebenen Schwesterzügen der Klasse 220 auftrat) betraf die Toiletten; der auftretende Gestank rührte vermutlich daher, dass die Belüftungsöffnung für die Abwassertanks direkt neben den Ansaugöffnungen der Klimaanlage liegen. Um das Problem zu beheben, wurden Lufterfrischer installiert, die Abwassertanks gereinigt (mit einer Flüssigkeit, die auch in den Flugzeugen von Virgin Atlantic genutzt wird), die Abwasserrohre ausgetauscht sowie die Abwassertankbelüftung modifiziert.

Das hohe Gewicht der Züge verursachte einen deutlich höheren Verschleiß an den Schienen. Zudem erfordert die Neigetechnik einen geringeren Wagenquerschnitt, und auch der Boden ist gegenüber anderen Zügen erhöht, um darunter die Neigungsmechanik unterbringen zu können. Außerdem sind behindertengerechte Toiletten vorhanden. Dies alles reduziert die Sitzkapazität im Vergleich zu den alten Zügen und sorgt für ein höheres Gewicht pro Passagier und damit mehr Energieverbrauch, was im Jahr 2006 vom britischen Transportminister Alistair Darling kritisiert wurde[2]. Weitere Kritikpunkte sind die kleineren Fenster, die weniger Licht in den Zug lassen (wobei die dicken Fensterrahmen auch einer erhöhten Crash-Sicherheit geschuldet sind), sowie mangelnde Fahrradstellplätze.

Schließlich mussten auch jeweils mehrere Züge aus dem Verkehr gezogen werden, um Sandstreuer nachzurüsten – die seltsamerweise beim Bau nicht installiert worden waren.

Entgleisung bei Grayrigg

Am 23. Februar 2007 entgleiste ein Pendolino bei Grayrigg in Cumbria. Der Zug mit der Nummer 390 033 und dem Namen „City Of Glasgow“ war von Bahnhof Euston (Abfahrt 17:15 Uhr) nach Bahnhof Glasgow Central unterwegs; bei dem Unfall befanden sich 115 Passagiere an Bord, eine Person kam ums Leben. Ursache war eine defekte Weiche; insgesamt bestätigte sich bei dem Unfall jedoch die Crash-Sicherheit des Zuges.

Zukunft

Nachdem durch die Streckenmodernisierung die Passagierzahl deutlich angestiegen war, fordert Virgin Trains vom Verkehrsministerium einen zusätzlichen Wagen pro Zugeinheit, was von den Bahnsteiglängen her unproblematisch wäre. Für Züge mit 11 oder 12 Wagen müssten Bahnsteige verlängert werden, bei 12 Wagen auch die Depots. Es wird überlegt, die zusätzlichen Wagen beispielsweise mit einer zusätzlichen Tür auszustatten, um den Gepäcktransport zu vereinfachen.

Nachdem das Werk in Washwood Heath geschlossen wurde, werden zukünftige Garnituren vermutlich in den italienischen Alstom-Werken hergestellt werden.

Quellen

  1. BBC: Virgin Cuts Speed of Pendolino
  2. GOVERNMENT PLANS NEW LONG-TERM RAIL STRATEGY (Rail has not done as well as it could on the environment)

Weblinks


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