Bullenheimer Berg

Bullenheimer Berg

Der Bullenheimer Berg ist eine in Fachkreisen bekannte Höhenlage, auf der archäologische Funde der europäischen Frühzeit gemacht wurden. Sie liegt in der Nähe von Ippesheim und wird von Forschern in geometrische Beziehung zu einer dort vorhandenen Kreisgrabenanlage gesetzt. Die befestigte Höhensiedlung auf dem Bullenheimer Berg wird aber auch oft in einen Zusammenhang mit vergleichbaren Siedlungsplätzen in der Region gestellt.

Einer der maßgeblichen Ausgräber war Walter Janssen. Seine Schwerpunkte lagen im Bereich der Urnenfelderzeit. Anlass für seine wissenschaftlichen Grabungen am Ort waren mehrere Hortfunde, die durch illegale Raubgrabungen zustande kamen.

Inhaltsverzeichnis

Geographie und Topographie

Der Bullenheimer Berg erhebt sich wenige Kilometer nordöstlich der unterfränkischen Gemeinde Ippesheim über das umliegende Terrain, welche wiederum etwa 30 Kilometer südöstlich von Würzburg und ungefähr acht bis neun Kilometer in derselben Richtung vom Main entfernt gelegen ist. Er stellt damit den westlichsten Ausläufer des ressourcenreichen Naturparks Steigerwald dar.

Im Jahre 1973 wurde der Bullenheimer Berg bei einer planmäßigen Aufnahme fränkischer Bodendenkmäler als Tafelberg mit großem, flachem Plateau erfasst, welcher sich durchschnittlich 150 Meter über das Umgebungsniveau erhebt und durch steil abfallende Hänge davon abgegrenzt ist.[1] Das Plateau ist ungefähr 1200 Meter lang und 180 bis 400 Meter breit, womit sich eine Fläche von etwa 30,5 ha ergibt. Der Boden bildet sich aus anstehenden Blasensandsteinen, genauer dem Lettenkeuper, welche in Bänken zum Teil bis unmittelbar unter die Oberfläche herauftreten. Die Erde weist generell viele verschiedene kleinräumige, natürliche Verfärbungen auf und macht die Differenzierung archäologischer Befunde wie z. B. Pfostengruben dadurch stellenweise recht schwierig. Das gesamte Plateau ist heute relativ stark bewaldet und war es dank der Ressourcennutzung des Eichenbestandes auch schon seit einigen Jahrhunderten, wodurch einerseits kaum anthropogene und erosive Störungen wie z. B. landwirtschaftliche Aufpflügung auftreten, andererseits untertägige Siedlungsschichten aber auch teils heftig durchwurzelt und vermengt sind. Entlang der Steilhänge finden sich zahlreiche natürliche Bodendenkmäler wie Terrassen und Rinnen, aber auch einige durch menschliches Einwirken entstandene wie Bombentrichter und Schanzanlagen oder auch Grabhügel. Darüber hinaus sind frühere Wallanlagen bis heute deutlich an der Oberfläche zu erkennen, insbesondere ein Randwall, der das gesamte Plateau umschließt, sowie drei kleinere Querwälle. Mit seinen 30,5 ha ist der Bullenheimer Berg sowohl eine der größten, als auch eine der bislang am besten erforschten niederfränkischen Höhensiedlungen.

Forschungsgeschichte

Lange Zeit war der Bullenheimer Berg vor allem unter Laiengräbern und Sondengängern wegen des ergiebigen Fundmaterials beliebt. Erst mit der Erfassung und Beschreibung von 1973 entwickelte sich auch in archäologischen Fachkreisen das Interesse. Mit der Entdeckung eines besonders reichen Hortfundes durch Sondengänger im Herbst 1981, jedoch von den Entdeckern dem zuständigem Landesamt für Denkmalpflege (Würzburg) noch in situ gemeldet wurde, kam es zu einer ersten offiziellen, amtlichen Intervention. Der Umfang dieses Fundes gab schließlich Anlass für eine weiterführende Grabungskampagne durch das Würzburger Institut für Vor- und Frühgeschichte, mit der verhindert werden sollte, dass weitere Befunde solcher Größenordnung durch Eingriffe Unbefugter gestört werden. Die Projektleitung oblag Walter Janssen, die Grabungsleitung vor Ort Georg Diemer.

In zwei größeren Kampagnen (1981/83 und 1989) und mehreren Einzelmaßnahmen wurden so Teile des Ringwalles, die unmittelbar an ihn anschließende Innenbebauung, sowie ein kleiner Teil der im Inneren gelegenen Fläche archäologisch untersucht.

Formen und Phasen der Besiedlung

Die bisherigen Siedlungsbefunde aus den Flächengrabungen und Wallschnitten, sowie die Gesamtheit der bekannten Lesefunde, deuten auf eine mehrphasige Besiedlungsgeschichte des Bullenheimer Bergplateaus hin.[2]

Mesolithikum und Neolithikum

Eine gelegentliche Anwesenheit von Menschen im Mesolithikum und im eingehenden Neolithikum ist nachweisbar, während eine dauerhafte Besiedlung sehr unwahrscheinlich ist. Die meisten Streufunde dieser Zeit dürften als Verlustfunde anzusprechen sein. Zu einer ständigen Besiedlung kam es wohl im Laufe des Jungneolithikums, aus dem entsprechende Funde in größerer Anzahl vorliegen. Die Besiedlung fand aus bisher unklaren Gründen vermutlich zunächst im nördlichen Randbereich des Plateaus statt.

Bronzezeit

Die frühbronzezeitliche Besiedlung ließ sich aus den bisherigen Grabungen bereits relativ genau nachvollziehen. In ihrer Anfangszeit war sie vermutlich zunächst offen, dann mit einer Holz-Erde-Konstruktion befestigt. Wie einige stark holzkohlehaltige Schichten zeigen, brannten diese befestigten Anlagen wohl mindestens einmal ab und wurden in der späten Bronzezeit (Bz D) schließlich aufgegeben. Abgesehen davon gibt es keine weiteren Anzeichen für kriegerisches Einwirken, außerdem ist die Aufgabe von Höhensiedlungen in diesem Zeitraum ein bereits bekanntes Phänomen, sodass von einem friedlichen Auflassen der Siedlung, vermutlich aufgrund wechselnder klimatischer Bedingungen, ausgegangen werden kann. Eine urnenfelderzeitliche Neubesiedlung fand spätestens um die Wende des ersten Jahrtausends v. Chr., möglicherweise auch schon eine gewisse Zeit davor, statt. Eine genauere typologische Datierung ist schwierig, da sich die Fundgruppen Zeitstufen (Ha B1 bzw. Ha A2 nach Müller-Karpe) allgemein nur schwer differenzieren lassen und weil sie auf dem Bullenheimer Berg wie bereits erwähnt oft recht stark durchmischt sind. In dieser Phase erreichte die Besiedlung des Plateaus ihren vorläufigen Höhepunkt, wie besonders die bisher untersuchten Randbefestigungen aufzeigen. Diese waren nun bereits so massiv, dass sie nur unter Beteiligung einer bevölkerungsstarken Gesellschaft entstanden sein konnten. In der späten Urnenfelderzeit, d. h. spätestens ab ca. 880-800 v. Chr. (Ha B3), brach aber auch diese Besiedlungsphase wieder ab.

Eisenzeit

Dauerhafte Siedlungsaktivität ließ sich bisher erst wieder ab der Latènezeit und dem Frühmittelter nachweisen. Charakteristisch für diese ist insbesondere die mehrstufige Wehranlage in Verbindung mit den Querwällen, die vermutlich auch über hölzerne Torkonstruktionen verfügten.

Hinweise auf zentralörtlichen Charakter

Eine der zentralen Fragen hinsichtlich des Siedlungstyps „Höhensiedlung“ ist naheliegenderweise ihre Funktion und ihre Stellung in ihrem regionalen Siedlungsgefüge. Im Falle des Bullenheimer Bergs gilt dies insbesondere für seine Beziehung zur Urnenfelderkultur Mainfrankens. Zur Diskussion standen dabei eine Funktion als ausschließliche Rückzugsorte für den Kriegsfall, wichtige Kultstätten oder dauerhafte Siedlungen zentralörtlichen Charakters, in denen sich vielleicht schon früh herrschende Gesellschaftsschichten herausragende Niederlassungen geschaffen haben. Eben für die letztere Funktion finden sich einige Hinweise auf dem Bullenheimer Berg.

Das Depot 11

Wie anfangs beschrieben, stellte dieser bemerkenswert umfangreiche Hortfund den Anlass für die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen auf dem Plateau dar, nachdem es von einem privaten Metallsondengänger entdeckt aber in situ belassen wurde. Die sachgemäße Bergung durch die Außenstelle Würzburg des Landesamts für Denkmalpflege und das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Würzburg brachte insgesamt 65 Bronzeobjekte aus einer etwa 0,30 m unter der heutigen Oberfläche gelegenen und ca. 0,40 x 0,45 m großen, rechteckigen Grube hervor. 29 davon waren urnenfelderzeitliche Schaukelringe, wie sie bereits in größerer Menge vom Fundort vorlagen, doch darüber hinaus barg der Hort 30 unterschiedlich große Zierscheiben aus Bronzeblech, sogenannte Phaleren , und darüber zwei Ringgehänge aus jeweils zwei ineinanderpassenden Ringen. Unter den nach ihrer Größe geordneten Phaleren befanden sich zudem ein Eberzahn und mehrere Tierknochen. In einer kleineren Pfostengrube mit erhöhtem Holzkohleanteil unmittelbar neben der Depotgrube sah G. Diemer eine „obertägige Markierung mittels eines Holzpfahls […], in dem wir eine Art kultisch motivierte Markierung des Niederlegungsortes sehen dürfen“.[3]

Das Brandgrab

Ein einzelnes Brandgrab wurde im Winter 1987 an der nordöstlichen Spornspitze des Plateaus, außerhalb des Randwalles, entdeckt und von der Außenstelle Würzburg des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und Georg Diemer ausgegraben. Nach Abtrag von ungefähr zehn Zentimetern Humus zeigte sich eine ovale bis rundliche Verfärbung von maximal 25,4 cm Durchmesser, welche eine fünf bis sechs Zentimeter tiefe Grube auswies. Der gesamte Befund wurde großzügig freigelegt und eingegipst und erst in der Restaurierungswerkstatt der Außenstelle Würzburg des Landesamts für Denkmalpflege ausgegraben. Dabei ergab sich ein Leichenbrand, der kaum Holzkohlepartikel umfasste, offenbar also sehr sorgfältig vom Scheiterhaufen ausgelesen und in die Grube verbracht worden war. Einer anthropologischen Untersuchung zufolge ist hier vermutlich ein männlicher Erwachsener im Alter zwischen 20 und 40 Jahren bestattet worden.[4] Die Bestattung umfasste keine eindeutig geschlechtstypischen Beigaben, sodass eine sicherere Geschlechtsbestimmung wohl nicht möglich ist. Die zugehörigen Beigaben ließen sich nach Janssen in drei Gruppen einteilen. Die Grube selbst beinhaltete 34 bronzene Bruchstücke späturnenfelderzeitlicher Schaukelringe sowie einen geschlossenen Ring, während sich in unmittelbarer Nähe zur Bestattung elf weitere Schaukelringfragmente befanden. Bei einer ergänzenden Nachsuche konnten 1990 nochmals vier Schaukelringfragmente in ca. fünf Metern um den Fundort geborgen werden. Insgesamt macht das 49 Ringfragmente und einen geschlossenen Ring, welche alle in etwa die gleichen Verzierungen zeigen und die mit großer Wahrscheinlichkeit dem Grab zuzuordnen sind. Sie wiesen alle Spuren unterschiedlich starker Feuereinwirkung auf. Janssen sieht die verschiedenen Verbrennungsgrade der Bruchstücke darin begründet, dass die Ringe bereits in zerbrochenem Zustand in das Feuer geworfen wurden und dort entweder in der Mitte oder im Randbereich landeten. Die weitgehende Ähnlichkeit der Bruchstücke mit solchen aus einigen Depotfunden des Bullenheimer Bergs datiert das Brandgrab in die Stufe Ha B 2/3.[5]

Davon ausgehend, dass diese sie als Schmuck um die Fußgelenke getragen wurden, stellt Janssen die Vermutung auf, dass die persönlichen Ringe vom Körper des Verstorbenen entfernt und zerbrochen wurden, sodass die Bruchstücke während der Bestattung an die Teilnehmer der Zeremonie verteilt und von diesen schließlich in die Brandgrube geworfen werden konnten. Bisher sind aus Unterfranken kaum späturnenfelderzeitliche Bestattungen bekannt, die so gut erhalten sind und so sorgfältig ausgegraben wurden, wie die vom Bullenheimer Berg. Die daraus abgeleiteten Vermutungen stehen deshalb „vorerst unter der Einschränkung eines Einzelbefunds. Um ihn weiter abzusichern, wäre es nötig, vergleichbare Gradfunde in größerer Zahl zu untersuchen“. Georg Diemer sah in der Besonderheit dieses Einzelgrabes und dem auffallenden Reichtum seiner Bronzebeigaben dagegen ein mögliches Indiz für die Anwesenheit einer herrschenden Führungsschicht: „Auf Grund seiner reichen Ausstattung lässt es sich am ehesten mit süddeutschen Brandflächengräbern vergleichen, die als typische Gräber der führenden späturnenfelderzeitlichen Adelsschicht angesehen werden. Es handelt sich wohl um die Ahnherrn der späteren hallstattzeitlichen Nobilität“.[6]

Depot A: Das „Goldene Ornat“

Obwohl die reine Anzahl an Hortfunden auf dem Bullenheimer Berg alleine schon recht bemerkenswert wäre, fallen davon zwei in besonderem Maße auf, da sie besonders viel Schmuck beinhalteten. Das erste dieser beiden Schmuckdepots enthielt mindestens zwei Sätze Schaukelfußringe mit Strichgruppenverzierungen, die mit kleineren Ringen gebündelt waren und starke Abnutzungsspuren an ihren Ober- und Unterseiten aufwiesen. Sie passen formell gut in das Fundgut der anderen nahegelegenen urnenfelderzeitlichen Hortfunde. Konnte der genaue Fundort für dieses von Metallsondengängern ergrabene Depot vom Landesamt für Denkmalpflege noch recht genau ermittelt werden, so waren sich die Entdecker des zweiten Schmuckdepots in dieser Hinsicht nicht mehr ganz so einig. Anhand ihrer unabhängigen Überlieferungsstränge können nur die folgenden Angaben als einigermaßen gesichert gelten: Zunächst wurden mindestens 19 Bronzegegenstände unterschiedlicher Art in größerer Tiefe gefunden und geborgen, darunter Armringe, Schaukelfußringe, Lappen- und Tüllenbeile, Sicheln, sowie Tüllenmeißel und ein Beitel. Darunter kam dann ein Gefäß zum Vorschein, das zwölf Goldgegenstände beinhaltete. Unklarheit besteht darin, ob die Bronzen wenigstens teilweise ebenfalls in dem Gefäß lagen oder eine sekundäre Befundlage über dem Gefäß darstellen. Für zweiteres würde sprechen, dass die Bronzen typologisch an das Ende der Urnenfelderzeit datieren, während die Goldgegenstände eher mit Funden aus der frühen Urnenfelderzeit vergleichbar sind. Ein Zusammenhang beider Fundgruppen erscheint dennoch wahrscheinlicher, da einige der Goldbleche eine Bronzepatina aufweisen, die auf gemeinsame Lagerung im Gefäß oder zumindest unmittelbar darüber deuten. Eine „Längere Verwendungszeit im Rahmen von zeremoniellen Handlungen [ist] durchaus wahrscheinlich“. Außerdem ist ein vergleichbarer Hortfund vom Bullenheimer Berg bereits bekannt (Depot 5). Im Einzelnen umfasste der Anteil der Goldgegenstände des Depots vier Armspiralen, sowie sechs reich verzierte Buckel und zwei längsovale Bleche. Die genaue Funktion der Buckel und Bleche ist nicht ganz eindeutig, doch wiesen sie alle zahlreiche Löcher am Rand auf, sodass sie auf jeden Fall als „Applikation auf einer Unterlage“ angebracht waren. Nach R. Gebhard erscheint „eine Interpretation der Goldgegenstände als Bestandteile eines Zeremonialgewandes […] angesichts der Bedeutung des Bullenheimer Bergs nicht abwegig“.[7]

Die Depots 1-4 und das „Rechteckhaus“

Ausgangspunkt der zweiten umfangreicheren Grabung von 1989 waren die Fundorte der Depots 1 bis 4, welche von privaten Ausgräbern zuvor im Abstand von wenigen Metern geborgen wurden und zusammen 45 Bronzeobjekte enthielten. Neben Gegenständen wie Beilen, Sicheln und Armringen, wie sie in größerer Zahl aus den anderen Depots des Bullenheimer Bergs bekannt sind, enthielten diese vier Horte außerdem vier Achskappen samt zugehöriger Vorstecksplinte. Um zu klären, ob diese Hortkonzentration eventuell mit weiteren archäologischen Befunden in Zusammenhang stehen könnte und um die bisherigen Annahme zu überprüfen, dass sich die urnenfelderzeitliche Besiedlung vor allem in unmittelbarer Nähe des Randwalls abgespielt hat, wurde das Plateau großflächig einer Prospektion mit Hilfe der Phosphatanalyse unterzogen. Diese ergab einige Konzentrationen auch im Innenraum der Siedlung, insbesondere an der Fundstelle eben der Depots 1 bis 4. Dort wurde deshalb eine Grabungsfläche von etwa 200 m² eröffnet, welche auch die früheren Fundpunkte der vier Depots einschloss. In diesem Areal stand in einer geringen Tiefe von ungefähr 30-60cm bereits der Blasensandstein des Keupers an, auf welchem eine unregelmäßig starke Kulturschicht auflag. Siedlungsfunde des ersten Planums wie Keramikscherben, Hüttenlehmfragmente und Holzkohlepartikel waren durch Durchwurzelung zunächst stark durchmischt, doch tauchten in einem nächsten Planum bereits mehrere Verfärbungen auf, die sich als Pfostenlöcher erwiesen, die in den anstehenden Feldgrund eingelassen waren. Acht davon wiesen einen rechteckigen, zweischiffigen Pfostenbau von ca. 5 x 7 m Größe aus. Für das Gebäude konnte anhand von einigen Keramikfragmenten aus zweien der Pfostenlöcher ein Terminus post quem in die jüngere Urnenfelderzeit angegeben werden. Die Grabung lieferte ferner einige Bronzereste, darunter ein einschneidiges Rasiermesser, einen abgebrochenen Griff eines zweiten und ein Nadelfragment, welche großteils ebenfalls in die jüngere Urnenfelderzeit datieren. Nur einzelne Funde stammen aus der Bronzezeit und dem Neolithikum. Da die Fundpunkte teilweise innerhalb des Gebäudes liegen, „zeigen sie einen eindeutigen räumlichen Bezug zu demselben und sind mit Sicherheit nach dessen Errichtung niedergelegt worden. Ob allerdings das Haus zu diesem Zeitpunkt noch bestand, ist mit den heutigen Datierungsmöglichkeiten nicht zu unterscheiden“.[8] Durch Zufall wurde noch während der Arbeiten ungefähr 30m südlich der Grabungsfläche ein weiterer Hortfund (inzwischen der dreizehnte bekanntgewordene!) mit Hilfe einer Metallsonde entdeckt. Sein Inhalt war mit nur fünf Objekten relativ klein und entsprach dem bisherigen Fundgut vom Bullenheimer Berg. Besonderes Interesse muss diesem Depot vielmehr deshalb beigemessen werden, weil „Hinweise auf eine Umfüllung oder eine Eintiefung in die auch an dieser Stelle anstehende Kulturschicht […] vollständig [fehlen]. Es hat den Anschein, als ob der Hort auf der alten Oberfläche deponiert gewesen sei“. Dieser Umstand könnte die spärlichen Fundberichte zu den Depots 1-4 ein wenig glaubhafter erscheinen lassen, denen zufolge deren Fundsituation insofern ganz ähnlich gewesen sein soll, als dass die darin gefundenen Achskappen, Beile, Sicheln, Armringe und Grußkuchen ebenfalls an der früheren Oberfläche abgelegt worden zu sein schienen: „Eine Aufbewahrungsweise der zweifellos wertvollen Objekte, die eher für ein nicht profanes Umfeld spricht“.[9]

Vergleich der Depotfunde mit urnenfelderzeitlichen Flußfunden

Die Niederlegung von Gegenständen in Depots wird weithin mit zwei möglichen Motiven begründet, nämlich zum Einen einer ausschließlich profanen Verwahrungsabsicht, z. B. in Kriegszeiten als Schutz gegen Raub und Plünderung oder durch Händler, und zum Anderen mit einer kultisch motivierten Niederlegung, etwa als Opfer- oder Weihgabe. Zur Interpretation der Niederlegungsabsicht können und sollten nach Möglichkeit sowohl das Depot selber, in Hinsicht auf seine Niederlegungsart und seinen Inhalt, als auch die Umstände seines Fundortes und seines näheren Umfeldes betrachtet werden.[10] Die Depots des Bullenheimer Bergs bieten sich vor allem für eine genauere Betrachtung ihrer Niederlegungsart und ihrer Inhalte an, da sie „Bronzeformen [enthalten], wie sie gleichzeitig in Flüssen und Feuchtgebieten vorkommen […]. Dabei zeigt sich, dass sich manche unserer Gegenstände aus Depotfunden nur noch unter den Flußfunden nachweisen lassen.“[11] So konnte G. Wegner aufzeigen, dass sich zu bestimmten Zeiten z. B. einige Messer- und Beiltypen in ungefähr gleicher Menge in Flüssen niedergeschlagen haben. In Hinblick auf die Niederlegungsabsicht solcher Flußfunde stellte er fest, dass „viele der Gegenstände […] gewiß beim Befahren oder Überschreiten der Flüsse verlorengegangen [sind], manches […] als Abfall mit Absicht in den Fluß geworfen, anderes hinwiederum bei Hochwasser von diesem an sich gerissen [wurde]. An der absichtlichen Versenkung des größten Teiles der Funde, und zwar aus religiösen Motiven, kann indessen nach den Forschungen der letzten Jahrzehnte nicht mehr gezweifelt werden […].“[12] Er kommt also ferner zu dem Schluss, „[…] daß zumindest in der Endphase der Urnenfelderzeit (Ha B3) Flußfunde und Hortfunde in die gleiche Kategorie gehören: beide wurden aus kultischen Motiven niedergelegt und sollten nicht wieder gehoben werden“[13], wodurch sich auch eine kultische Niederlegung zumindest vieler der Hortfunde auf dem Bullenheimer Berg ergäbe.

Fazit

Für den Charakter der urnenfelderzeitlichen Besiedlung auf dem Bullenheimer Berg als ständig bewohnte Dauersiedlung sprechen also zahlreiche Befunde. So setzen die massiven Befestigungsanlagen samt der direkt anschließenden Innenbebauung eine bevölkerungsstarke Gesellschaft voraus, die sich zudem in teilweise recht mächtigen Kulturschichten von bis zu 0,60m Stärke niedergeschlagen hat. Die Verteilung der Bronzen und der keramischen Lesefunde auf dem gesamten Plateau lässt darüber hinaus eine „Aufsiedlung der gesamten Hochfläche erkennen, so daß für die Urnenfelderzeit der Verdacht besteht, das gesamte Areal sei mehr oder weniger dicht bebaut gewesen. Allerdings wird man wohl kaum eine gleichzeitige Bebauung der gesamten Hochfläche erwarten dürfen. Sie scheint vielmehr in verschiedenen Zeitabschnitten unterschiedliche Bereiche erfasst zu haben.“[14] Wären die mittleren Bereiche des Plateaus während der urnenfelderzeitlichen Besiedlung also tatsächlich stets zu einem gewissen Teil unbebaut gewesen, so könnte für diese Areale eine Funktion als Weideland vermutet werden.[15] Da an mehreren Stellen auf dem Plateau Wasser oberflächlich zugänglich ist, wäre auf diese Weise die Versorgung mit Nahrung dauerhaft möglich gewesen. Eine agrarisch orientierte Wirtschaftsweise ist sowohl durch die zahlreichen Arbeitsgeräte aus den Hortfunden und Grabungsflächen, als auch durch „Tierknochenfunde [aller] üblichen Haustierarten wie Rind, Pferd, Schwein, Schaf und Ziege belegt.“[16]

Darüber hinaus scheinen aber auch diverse Handwerkszweige in der Siedlung vertreten zu sein, wie vor allem die Zusammensetzung der Hortfunde, aber auch Lesefunde und die Kulturschichten der Grabungsflächen zeigen. So dürften zahlreiche Keramikfunde die Produktion des Geschirrs an Ort und Stelle, mehrere Gagatperlen aus Depot 1 die Existenz von Kunsthandwerk, verschiedene Bronzestichel und Ahlen die Verarbeitung von Leder, etliche Spinnwirtel die Herstellung von Textilien, diverse Werkzeuge wie Beile und andere Holzbearbeitungsgeräte ein differenziertes Holzhandwerk, sowie etliche Bronzegegenstände oder –Überreste und Gussgeräte sämtliche Prozesse der Bronzeverarbeitung auf dem Bullenheimer Berg bezeugen. Die Existenz von spezialisierten Handwerkern ist somit klar zu erkennen, und „als Nichtagrarier dürften sie in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Auftraggeber gestanden haben, der sie seinerseits mit Lebensmitteln versorgte.“[17]

Aus dieser Aufgabenteilung innerhalb der Gesellschaft heraus lässt sich eine Oberschicht ableiten, die für Planung, Koordinierung und Kontrolle verantwortlich war. Das Vorhandensein einer derartigen herrschenden Schicht könnte sich auf dem Bullenheimer Berg in zahlreichen Befunden niedergeschlagen haben, wie etwa den Phaleren und Ringgehängen aus dem Depot 11, dem reich ausgestatteten Brandgrab am Nordrand des Plateaus oder den Goldenen Ornaten aus dem Depot A. Auch die Grabhügel an den Hängen des Berges dürften als Indiz für eine Art Adelsschicht zu sehen sein und obwohl eine Datierung für sie mangels weiterer Untersuchungen unsicher bleiben muss, können sie entweder mit der bronzezeitlicher oder der urnenfelderzeitlichen Besiedlung in Verbindung gebracht werden, da eine hallstattzeitliche Nutzung des Plateaus bislang nicht belegt ist. Entsprechend der bisherigen Befundlage in der näheren Umgebung des Bullenheimer Bergs erscheint die Anwesenheit von Herrschaft in der Höhensiedlung umso wahrscheinlicher: Bis auf drei kleine Flachlandsiedlungen am Fuß des Berges, die G. Diemer als weiherartige Ansiedlungen bzw. Gehöftgruppen aus Wohnhaus, Stall und Speicher ansah, sind größere Siedlungen erst wieder in ungefähr 10km Entfernung bekannt, was als „Ausdruck der Existenz eines Wirtschaftsraumes der Höhensiedlung [zu interpretieren ist], der für die Versorgung ihrer Bewohner in dieser Größe vorbehalten war“, also auch als nicht geringen Macht- und Einflussbereich.[18]

Ferner liegen auch einige Indizien für kultische Aktivität aus dem Siedlungsraum vor. Als solche könnten wiederum die Niederlegung von Tierknochen und die obertägige Markierung des Depots 11, das Zerbrechen und Verbrennen der Schaukelringfragmente aus dem Brandgrab und die augenscheinlich ohne profanen Verwahrungshintergrund niedergelegten Depots 1-4 und 13 um das Rechteckhaus gesehen werden. Auch die oben erläuterte Ähnlichkeit von Fundinhalten und –Mengen in den vorliegen Depots und in Flüssen der Umgebung könnte im Analogieschluss den kultischen Aspekt der Hortfunde bestätigen.

Landwirtschaft

An dem südlichen bis westlichen Hang des Bullenheimer Berges befindet sich die Weinlage »Bullenheimer Paradies«.

Literatur

  • Der Bullenheimer Berg. In: H. Dannheimer, R. Gebhard (Hrsg.): Das keltische Jahrtausend. Ausstellungskatalog. Prähist. Staatssamml. 23 Mainz 1993, S. 75–87.

Einzelnachweise

  1. B. U. Abels, Der Ringwall bei Bullenheim. Führer Vor- u. Frühgesch. Denkmäler 27 (1975) 244 ff.
  2. Georg Diemer, Der Bullenheimer Berg und seine Stellung im Siedlungsgefüge der Urnenfelderkultur Mainfrankens. In: Bayer. Lda. Bodendenkmalpfl. (Hrsg.), Materialh. Bayer. Vorgesch.: Reihe A - Fundinventare und Ausgrabungsbefunde (1995) 78.
  3. Ebd. 87
  4. W. Janssen, Ein urnenfelderzeitliches Brandgrab von der befestigten Höhensiedlung "Bullenheimer Berg". In: Bayer. Landesamt. Bodendenkmalpfl. (Hrsg.), Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 30/31 - 1989/90 (1994) 78ff.; Diemer (1995), 17 Anm. 26.
  5. Janssen 1994, 90
  6. Diemer 1995, 85.
  7. R. Gebhard, Neue Hortfunde vom Bullenheimer Berg. In: Bayer. Landesamt Denkmalpfl./G. f. Bayern (Hrsg.), Das archäologische Jahr in Bayern 1990 (1991) 52-55.
  8. A. Berger/H.-U. Glaser, Ein Hausgrundriß und ein weiterer Hortfund der Urnenfelderzeit von der befestigten Höhensiedlung Bullenheimer Berg. In: Bayer. Landesamt Denkmalpfl./G. f. Bayern (Hrsg.), Das archäologische Jahr in Bayern 1989 (1990)79-81.
  9. Ebd. 81
  10. A. Jockenhövel, Zu befestigten Siedlungen der Urnenfelderzeit in Süddeutschland. In: Fundber. Hessen 14 (1974) 19 ff.
  11. Diemer 1995, 83
  12. G. Wegner, Die vor- und frühgeschichtlichen Flußfunde aus dem Main und aus dem Rhein bei Mainz. In: Materialh. Bayer. Vorgesch. 30 (1976) 11.
  13. Ebd. 99
  14. Diemer 1995, 83
  15. J. Biel, Die Bronze- und Urnenfelderzeitlichen Höhensiedlungen in Südwürttemberg. In: RGZM (Hrsg.), Arch. Korrbl. 10 (1980) 23-32.
  16. Diemer 1995, 83
  17. Ebd. 85
  18. Ebd. 85-86
49.61666710.25

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