Böseckendorf

Böseckendorf
Böseckendorfer Wappen

Böseckendorf ist ein Ortsteil der Gemeinde Teistungen im Landkreis Eichsfeld an der Westgrenze Thüringens, der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Zum Ort gehört die etwa zwei Kilometer südöstlich liegende Ortschaft Bleckenrode. Auf älteren Karten findet sich außer der heutigen Schreibweise[1] [2] auch die Schreibweise Bösekendorf.[3]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erstmals erwähnt wurde der Ort Böseckendorf 1250 in einer Schenkungsurkunde des Grafen Ulrich von Regenstein für das Kloster Beuren.

Der Ort erlangte Bekanntheit, nachdem am Abend des 2. Oktober 1961 16 Familien mit 53 Personen, darunter 21 Kinder gemeinsam durch das mittlerweile stellenweise verminte Sperrgebiet in Richtung Westen nach Immingerode geflohen waren[4]. Dies war die größte gemeinschaftliche Flucht über die innerdeutsche Grenze, die es je gegeben hat, da es sich bei der Personenanzahl um knapp die Hälfte der Einwohner Böseckendorfs handelte. Knapp eineinhalb Jahre später, in der Nacht vom 22. auf den 23 Februar 1963, gelang 13 weiteren Personen die Flucht in die Bundesrepublik, um deren möglichst geschlossene Wiederansiedlung sich der Lagerpfarrer des Flüchtlingslagers Friedland, Monsignore Scheperjans, bemühte.

Der Flucht vorausgegangen war der systematische Ausbau der Grenze durch die DDR-Führung. Nachdem in der Nähe von Böseckendorf schon die ersten Betonpfosten aufgestellt worden waren, kursierten Gerüchte über unmittelbar bevorstehende „Zwangsevakuierungen“ „negativer Elemente“ aus dem Grenzgebiet (Aktion Kornblume, siehe auch Aktion Ungeziefer). Das Ministerium für Staatssicherheit hatte Deportationslisten zusammenstellen lassen, auf denen vor allem die Namen von Bauern standen, die sich gegen die Eingliederung in die LPG gewehrt hatten, was für die meisten alteingesessenen Bauern im katholisch-konservativen Eichsfeld zutraf. Viele der Flüchtlinge fanden am Dorfrand von Angerstein nördlich von Göttingen eine neue Heimat. Diese Siedlung wird Neu-Böseckendorf genannt.[5] Ein ZDF-Dokumentarspiel mit dem gleichen Namen behandelte 1969 die Geschichte der Flucht; 2009 entstand der Sat.1-Fernsehfilm Böseckendorf – Die Nacht, in der ein Dorf verschwand.

Der Ort wurde am 1. April 1999 nach Teistungen eingemeindet.[6]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Gedenkstein zu Erinnerung an die Massenfluchten aus dem Grenzgebiet

Zur Erinnerung an die beiden Fluchten aus Böseckendorf errichtete man, Anfang der neunziger Jahre, an der Straße nach Immingerode zwei Gedenksteine. Der eine trägt die Inschrift Böseckendorf, der andere beinhaltet die Worte Zur / Erinnerung / an die Flucht / der Bewohner / des Dorfes / im Okt. 1961 / und Febr. 1963.

Mahnmal Deutsche Teilung

Neben den Gedenksteinen existiert noch das „Mahnmal Deutsche Teilung“ in Böseckendorf, welches am 26. Juli 1991, an der Straße zwischen Böseckendorf und Nesselröden errichtet wurde. Vom Bildhauer Roger Bischoff stammend, handelt es sich um zwei, mehr als zwei Meter hohe, Steine in deren Mitte ein dritter dreieckiger Stein vergraben ist, der symbolisch die Vorurteile gegenüber den Menschen begraben darstellt. Daneben erinnert dieser Stein an den Tod vieler Menschen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Die beiden geneigten Steine stellen Personen dar, die zueinander wollen, wie einst in Böseckendorf und Nesselröden und wie alle Deutsch entlang der ehemaligen Grenze, interpretiert Bischoff sein eigenes Werk.[7]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Preußische Landesaufnahme (Messtischblatt 4527, ursprünglich 2595) von 1854, herausgegeben 1870
  2. Preußische Landesaufnahme (Messtischblatt 4527, ursprünglich 2595) von 1854, herausgegeben 1870
  3. Preußische Landesaufnahme (Messtischblatt 4527, ursprünglich 2595) von 1907, herausgegeben 1909
  4. Inge Bennewitz, Rainer Potratz: Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze. Analysen und Dokumente. 3 Auflage. Links, Berlin 2002, S. 149.
  5. Allgemeine Staatengeographie von Martin Schwind
  6. StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 1999
  7. Annette Kaminsky (Hrsg.): Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. 2 Auflage. Ch. Links, Berlin 2007, ISBN 3-86153-443-6, S. 455.
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