30. Sinfonie (Mozart)

30. Sinfonie (Mozart)

Die Sinfonie D-Dur KV 202 komponierte Wolfgang Amadeus Mozart im Frühjahr 1774 in Salzburg. Nach der Alten Mozart-Ausgabe trägt die Sinfonie die Nummer 30.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Bezüglich Entstehungsgeschichte und Kompositionsanlass vgl. Einleitung bei KV 162. Die Sinfonie KV 202 ist vom 5. Mai 1774 datiert.[1] Das Werk wird in der Literatur teilweise als „rückschrittlich“ bewertet. So schreibt z. B. Alfred Einstein (1953):[2] „Denn sie ist keine Finalsinfonie, der letzte Satz ist nicht viel mehr als ein „Kehraus“, an dem nur merkwürdig ist, dass er thematisch wieder mit dem ersten zusammenhängt; das „Andantino con moto“, nur für die Streicher, könnte auch in einem der Wiener Quartette à la Haydn stehen, das Menuett ist nicht sehr charakteristisch, und der erste, am schwersten wiegende Satz wendet nur die an der g-moll- und A-dur-Sinfonie[3] erworbene Technik auf ein etwas disparates Material an. Wie in jenen Quartetten, so hat Joseph Haydn in dieser Sinfonie Mozart das Konzept verrückt: es gibt auch bei Mozart solche Fälle, in denen die empfängliche Seele nicht stark genug ist, einen mächtigen Eindruck ganz zu verarbeiten.“[4]

Wahrscheinlich würde KV 202 etwas höher geschätzt werden, stände das Werk „nicht im Schatten der vorangehenden bedeutenden Schwestern“[5], insbesondere von KV 201. Werner-Jensen[5] meint, dass die Sinfonie trotzdem „einen Rückschritt in die Konvention, oder besser: in die „Normalität“ der Symphonien vom Frühjahr 1773“ bedeute, da ihre Sätze „unpersönlicher“ gehalten seien und das vorher neu gewonne Gewicht des Finalsatzese hier wieder deutlich reduziert werde.

Gegen eine pauschale Einstufung als „rückschrittlich“ spricht z. B. im 1. Satz die kontrapunktische Arbeit[1], der z. T. abrupte Wechsel von forte und piano sowie die Gestaltung des zweiten Themas[6]

Wie auch bei einigen anderen der 1773/74 in Salzburg entstandenen Sinfonien, hat Mozart auch bei KV 202 das Datum im Autograph unkennlich gemacht; wahrscheinlich, um später in Wien (1783) vor den Kopisten zu verbergen, dass es sich um ein älteres Werk handelt.[1]

Zur Musik

Besetzung: zwei Oboen, zwei Hörner in D, zwei Trompeten in D, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass. Zudem war es damals üblich, Fagott und Cembalo zur Verstärkung der Bass-Stimme bzw. als Generalbass-Instrument einzusetzen, entsprechendes gilt für die oft parallel mit Trompeten benutzten Pauken (jeweils sofern im Orchester vorhanden).[7] [8]
Aufführungsdauer: ca. 22 Minuten

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Schema in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort) und von daher nur mit Einschränkungen auf die Sinfonie KV 202 übertragen werden kann. – Die hier vorgenommene Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich.

1. Satz: Molto Allegro

D-Dur, 3/4- Takt, 207 Takte
Der Satz eröffnet mit einer Fanfare im Forte, die durch ihren punktierten Rhythmus und die Zäsuren (Viertel-Pausen) einen etwas „zackigen“ Charakter bekommt. Die folgenden vier nachsatzartigen Takte sind fließender, wirken aber durch die Forzati am Anfang und die Sechzehntel-Unisono-Roller am Ende auch etwas marschartig. Nach einer Wiederholung des Nachsatzes eine Oktave tiefer und ohne Roller setzt in Takt 12 der Überleitungsabschnitt zum zweiten Thema ein. Er beginnt im Forte-Tutti mit Tremolo und ausgehaltenen Bläserakkorden, während 1. Violine und Bass dialogartig gebrochene Dreiklangsfiguren spielen. Diese werden dann (Takt 18 ff.) zwischen beiden Violinen und Bass fortgesponnen, nun aber jeweils im Wechsel von forte und piano und sich dabei fast „verheddernd“.[6] In der Doppeldominante E-Dur angekommen, wird die Passage mit einer Unisono-Trillerfigur (Takt 25/26: Triller mit Oktavsprung abwärts) beendet, die im weiteren Satzverlauf noch mehrmals auftritt.

Das zweite Thema (Takt 27 ff.) in der Dominante A-Dur mit wiegendem Charakter wird anfangs nur von den Streichern im Piano vorgetragen, bei der Wiederholung begleiten die Oboen mit ausgehaltenen Noten. Zwischengeschaltet ist das Unisono-Trillermotiv von Takt 25/26. Ab Takt 44 verselbständigt sich dann eine dem Thema entnommene Vorschlagsfigur. Kontarsky (2007)[6] schreibt zu dieser Passage: „Ebenso erweist sich die Gestaltung des Seitensatzes als höchst individuell, um nicht zu sagen: eigenwillig und radikal. Eine ursprünglich thematische Vorschlagsfigur zieht sich von der Oktave bis zur Terz zusammen und sprengt – zuerst in halben, dann in Viertelnoten – das bisherige Dreier-Metrum. Darauf verflüchtigt sich die Melodik und scheint wie in einem „Nichts“ zu verschwinden (…).“

In der Schlussgruppe (ggf. auch als drittes Thema interpretierbar, Takt 51 ff.) spielt die 1. Violine eine Melodie, bei der im Vordersatz wiederum ein punktierter Rhythmus auffällt. Dazu begleiten Oboen und die übrigen Streicher jeweils versetzt mit dem Trillermotiv aus Takt 25/26. Ehe die Exposition in Takt 78 mit Tremolo und Tonrepetition auf A beendet wird, folgt von Takt 62-70 noch ein echoartiger Nachhall des Nachsatzes im Piano mit Orgelpunkt auf A. Die Exposition wird einmal wiedeholt.

Die Durchführung (Takt 78-112) beginnt mit der Sequenzierung (A-Dur, D-Dur, G-Dur, E-Dur) eines neuen Motivs, wobei der punktierte Rhythmus an die Motive der Exposition erinnert. Ab Takt 93 erfolgt im Tutti eine polyphone Verdichtung, bei der sich die Instrumente den Motivkopf versetzt zuwerfen. Abrupt wechselt dann in Takt 101 die Klangfarbe wieder zu einer mehr zurückhaltenden Passage für Streicher im Piano.

Eine sich aufschwingende Figur der 1. Violine bildet die Überleitung zur Reprise (Takt 113 ff.). Diese ist überwiegend ähnlich der Exposition strukturiert. In der Coda (Takt 198 ff.) tritt nochmals das Motiv der Durchführung auf.

2. Satz: Andantino con moto

A-Dur, 2/4-Takt, 74 Takte, nur Streicher
Der Satz beginnt mit dem imitatorischen Einsatz einer aufsteigenden Floskel (1. Violine, 2. Violine, Viola / Bass), ungewöhnlicherweise für einen langsamen Satz im Forte. Ab Takt 5 setzen die nun parallel geführten 2. Violine, Viola und Bass das Motiv nachsatzartig fort, während die 1. Violine ein Oktavsprung-Motiv spielt. Dieses „Hauptthema“ schließt dann in Takt 9/10 mit einer kurzen Kadenz zur Tonika A-Dur. Anschließend reihen sich mehrere kleine Motive aneinander (darunter z. B. ein „Klingel“-Motiv Takt 21 ff.), wobei die oft abrupten Dynamikwechsel auffallen. Ab Takt 16 etabliert sich die Dominante E-Dur, in der der erste Teil des Satzes in Takt 29 auch endet.

Nach einer kurzen Überleitungspassage mit Trübung nach Moll (Takt 30-37) setzt in Takt 38 eine „Reprise“ des ersten Teils ein. Beide Satzteile werden einmal wiederholt. Der Satz schließt mit einer Coda (Takt 67 ff.), in der der Nachsatz vom Hauptthema nochmals auftritt.

3. Satz: Menuetto

D-Dur, 3/4-Takt, 40 + 20 Takte
Das Menuett hat (zumindest in Einspielungen mit Pauken) einen pompösen Charakter. Im ersten Teil fällt eine kurze Echo-Passage auf, der zweite Teil wechselt anfangs von a-Moll nach g-Moll, wobei der bisher schreitende Rhythmus durch Synkopen in der Begleitung aufgelockert wird.

Das Trio in G-Dur ist nur für Streicher gehalten. Der erste Teil besteht aus einem „Streicher-Brummen“ mit einem fallenden Synkopen-Motiv in der 1. Violine. Der zweite Teil kontrastiert anfangs durch ein Unisono-Motiv mit Intervallsprüngen bis zu einer Oktave, ehe wieder das „Brummen“ einsetzt.

4. Satz: Presto

D-Dur, 2/4-Takt, 219 Takte
Der Satz eröffnet mit einem signalartigen Dreiklangs-Motiv im Forte-Unisono, das durch seinen punktierten Rhythmus an den „zackigen“ Beginn des 1. Satzes erinnert. Der punktierte Rhythmus ist dabei jeweils auftaktig und für den gesamten Satz kennzeichnend. Kontrastierend folgt eine Staccato-Achtelbewegung der Violinen im Piano. Diesem Vordersatz mit seinen beiden gegensätzlichen Phrasen ist ein entsprechender Nachsatz gegenübergestellt, beide zusammen bilden das periodisch aufgebaute erste Thema.

Bereits in der Überleitungspassage (Takt 16-31), die zur Dominante A-Dur moduliert, tritt der punktierte Rhythmus dominant in Erscheinung. Das zweite Thema (Takt 33 ff.) mit einer chromatischen Schaukeligur ist wiederum periodisch aufgebaut, allerdings nicht aus so gegensätzlichen Bausteinen wie das erste Thema. Anfangs nur von den Streichern vorgetragen, beteiligen sich bei der Wiederholung die Bläser mit begleitenden Akkorden.

Die Schlussgruppe baut mit dem punktierten Rhythmus, Tremolo und lang ausgehaltenen Akkorden der Bläser bei aufsteigender Melodielinie zunächst eine Spannung auf, die sich mit dem punktiertem Rhythmus im Bass über weiterem Tremolo/ausgehaltenen Bläserakkorden löst. Zum Schluss der Exposition, die in Takt 79 endet, tritt nochmals das Signalmotiv vom Anfang auf – nun aber im Piano.

Auch in der Durchführung (Takt 80-125) spielt der punktierte Rhythmus eine prägende Rolle. Zunächst tritt er mit einem dissonant-verminderten Akkord im Fortissimo im Wechsel mit einem neuen, kontrastierenden Streichermotiv auf im Piano, an das jeweils das Signalmotiv vom Satzanfang angehängt ist. Mozart moduliert dabei über e-Moll und h-Moll und wechselt dann in einer Passage, die durch abrupte Wechsel von Forte und Piano gekennzeichnet ist (Takt 109 ff.), nach A-Dur, das dominantisch zum Eintritt der Reprise (Takt 126 ff.) in D-Dur wirkt.

Die Reprise ist ähnlich der Exposition strukturiert. Durchführung und Reprise werden einmal wiederholt. Der Satz wird von einer Coda abgeschlossen, in der zunächst das Signalmotiv im Fortissimo erklingt, nach einer Generalpause dann (ähnlich zum 1. Satz) das Streicher-Motiv von der Durchführung. Mit diesem Motiv klingt der Satz effektvoll über lang ausgehaltenem D der Bläser im Piano aus.

Einzelnachweise

  1. a b c Volker Scherliess: Die Sinfonien. In: Silke Leopold (Hrsg.): Mozart-Handbuch. Bärenreiter, Kassel 2005, S. 286 ff.
  2. Alfred Einstein: Mozart – Sein Charakter, sein Werk. Pan-Verlag, Zürich und Stuttgart 1953.
  3. gemeint sind KV 183 und KV 201
  4. eine Kritik zu dieser Ansicht Einsteins gibt Scherliess (2005)
  5. a b Arnold Werner-Jensen: Reclams Musikführer. Wolfgang Amadeus Mozart. Band 1: Instrumentalmusik. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1989, S. 178.
  6. a b c Michael Kontarsky: Die „Salzburger“ Sinfonien KV 162-202. In: Joachim Brügge, Claudia Maria Knispel (Hrsg.): Das Mozart-Handbuch, Band 1: Mozarts Orchesterwerke und Konzerte. Laaber-Verlag, Laaber 2007, ISBN 3-8900-7461-8, S. 28-43.
  7. Neal Zaslaw: Mozart's Symphonies: Context, Performance Practice, Reception. Clarendon Press, Oxford 1989.
  8. ein Beispiel für eine Einspielung mit Fagott, Cembalo und Pauken bietet das English Concert mit Trevor Pinnock

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia in re, K. 202 P. R. 796, Ricordi-Verlag, Mailand (Taschenpartitur).

Weblinks


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