- Modulation (Musik)
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In der Musiktheorie bezeichnet das Wort Modulation den vorbereiteten Übergang von einer Tonart zu einer anderen. Modulationen erkennt man notationstechnisch am Auftreten der für eine bestimmte Tonart typischen Versetzungszeichen (Akzidenzien) im Verlauf des Musikstücks.
Wird die Zieltonart erreicht, so spricht man von einer echten Modulation, andernfalls von einer vagierenden. Eine Reihe von unmittelbar hintereinander stattfindenden Modulationen – mit oder ohne Festigung temporärer tonaler Zentren – nennt man eine Modulationskette.
Geschieht der Tonartwechsel ohne vorbereitende oder überleitende Schritte, so nennt man dies nicht Modulation, sondern Rückung. Eine Modulation, die ohne abschließende Kadenz auftritt und nicht aus der ursprünglichen Tonart herausführt, wird als Ausweichung bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Modulationen in Melodien
Bei vielen Volksliedern oder Chorälen wird eine Modulation schon durch die Melodieführung vorgegeben.
Beispiel:
Die Modulationsbeschreibung hier ist nur ein Beispiel, welche Modulation erwartet werden kann. Im mehrstimmigen Satz hat ein Komponist viele Möglichkeiten, die Harmonien zu deuten. Beispielsweise findet man bei den Choralsätzen von J.S. Bach viele - auch unerwartete - Modulationen.
Schema der Modulation
Zunächst wird die Ausgangstonart gefestigt. Dies kann durch eine Kadenz oder einfache Dominant-Tonika-Verbindungen geschehen. Es folgt der eigentliche Modulationsschritt, der Übergang zur Zieltonart. Schließlich wird die Zieltonart bestätigt, wenn es sich um eine echte Modulation handelt.
Modulationstechniken
Folgende Modulationstechniken werden unterschieden:
Diatonische Modulation
Bei der diatonischen Modulation macht man sich die Tatsache zunutze, dass verschiedene Tonarten gemeinsame Dreiklänge haben. Diese Dreiklänge werden als Vermittler zwischen den Tonarten herangezogen.
Beispiel: Von F-Dur nach a-Moll
So kommt z. B. der d-Moll-Dreiklang in der F-Dur-Tonleiter, aber auch in der a-Moll-Tonleiter vor. In der F-Dur-Tonleiter liegt er auf der 6. Stufe und ist Tonikaparallele (Tp), in der a-Moll-Tonleiter liegt er auf der 4. Stufe und ist Subdominante (s):
Der d-Moll-Dreiklang lässt sich daher als Modulator zwischen F-Dur und a-Moll verwenden, indem man im Verlauf eines Musikstücks seine Funktion umdeutet: aus der Tonikaparallele (in Bezug auf F-Dur) wird die Subdominante (in Bezug auf a-Moll). Der Funktionswechsel des Dreiklangs wird für den Zuhörer erst im Nachhinein plausibel, nämlich dann, wenn dem d-Moll-Dreiklang eine Kadenz in der Zieltonart a-Moll, mindestens aber eine Dominant-Tonika-Verbindung in a-Moll nachfolgt.
Die einzelnen Schritte:
- Takte 1 und 2: Zwei Kadenzen in der Ausgangstonart F-Dur (blaue Farbe) stellen die Ausgangstonart sicher.
- Takt 3: Dem d-Moll-Dreiklang - Tonikaparallele in der Ausgangstonart, Subdominante in der Zieltonart - folgt mit dem E-Dur-Dreiklang die Dominante zur neuen Tonika a-Moll. Mit dem Erscheinen des a-Moll-Dreiklangs in Takt 4 ist der eigentliche Modulationsschritt vollzogen, die Modulation ist aber noch nicht abgeschlossen, da die Zieltonart noch nicht gefestigt ist! Tatsächlich könnte das Musikstück nach dem ersten Auftreten des a-Moll-Dreiklangs in Takt 4 auch in F-Dur fortgesetzt werden; der E-Dur-Dreiklang wäre in diesem Fall als Zwischendominante zu deuten.
- Takte 4-6: Zwei Kadenzen festigen die Zieltonart a-Moll.
Stimmführung
Bei vielen anderen Modulationsarten ist auch die Stimmführung - zumindest in Ansätzen - Teil der Modulationstechnik; dies trifft vor allen Dingen auf die enharmonische Modulation zu. Die diatonische Modulation hingegen funktioniert prinzipiell auch ohne ausgeklügelte Satztechnik, da es bei ihr auf das reine Dreiklangsmaterial und dessen funktionaler Deutung innerhalb verschiedener Tonarten ankommt. Dennoch kann eine gut durchdachte Stimmführung erheblich dazu beitragen, eine diatonische Modulation reibungsloser, sanfter und überzeugender zu gestalten.Unser Beispiel, eine diatonische Modulation von F-Dur nach a-Moll, funktioniert harmonisch bereits mit Dreiklängen in Grundstellung?/i (oder in beliebigen Umkehrungen), die man so auf dem Klavier oder einem anderen geeigneten Instrument spielen kann. Ein einfacher Dreistimmiger Satz?/i jedoch, basierend auf elementaren Stimmführungsregeln (möglichst geringe Bewegungen pro Stimme, Vermeidung von Parallelbewegungen im Quint- und Oktavabstand, Führung des Leittons zum Grundton) macht die Akkordfolge und somit auch den Übertritt in die Zieltonart geschmeidiger. Ein Polyphoner Satz?/i kann noch erheblich mehr leisten: Motive fungieren als Bindemittel, indem sie von verschiedenen Stimmen immer wieder aufgegriffen werden.
Enharmonische Modulation
Dreh- und Angelpunkt der enharmonischen Modulation ist ein verkürzter Dominantseptakkord (verkürzt = ohne Akkordgrundton) mit kleiner None, der
D7 9- (das durchgestrichene D soll anzeigen, dass der Grundton fehlt). Anders als bei der diatonischen Modulation wird dieser Akkord nicht funktional umgedeutet, ganz im Gegenteil: er bleibt stets Dominante. Jedoch lassen sich seine Töne so umdeuten, dass er zur Dominanten einer anderen Tonart wird. Dabei kommt der Enharmonischen Verwechslung eine Schlüsselrolle zu.Ausgangspunkt ist eine gewöhnliche T-D7-T-Verbindung (in Stufen: I-V-I, und konkret in unserer Beispieltonart C-Dur die Akkorde C-G7-C:):
Der Dominantseptakkord (D7) in der Tonart C-Dur besteht aus:
- g - Akkordgrundton g
- h - Terz
- d - Quinte
- f - Septime
Hier ist der D7 aus Gründen der Stimmführung als Terzquartakkord angeordnet; am Tonmaterial des Dominantklangs ändert sich also nichts, es bleibt bei g,h,d,f - und damit auch bei der nicht umdeutbaren Funktion: Dominante zu C. Eine kleine Tonänderung macht jedoch aus dem D7 einen
D7 9-, der auch unter den Bezeichnungen Dv (v von „vermindert“) sowie ganzverminderter Septakkord bekannt ist und die Fähigkeit besitzt, als Dominante von gleich vier verschiedenen Tonarten auftreten zu können. Die kleine Änderung liegt darin, dass eine kleine None (hier: as) an die Stelle des Grundtons (hier: g) tritt. Nach dieser Maßnahme hat man es - ganz unabhängig davon, ob man diesen Klang tatsächlich zur Modulation einsetzen möchte oder nicht – zunächst einmal mit einer Dominante zu tun, die etwas schärfer, zwingender und „dramatischer“ klingt als der gewöhnliche D7:- Quinte d
- Septime f
- kleine None as (anstelle des Akkordgrundtons g)
- Terz h
Ein Dominantseptakkord D7 möchte bekanntermaßen zur Tonika hin aufgelöst werden, eine Tatsache, die vor allen Dingen der Septime und der Terz des Akkordes geschuldet ist. Während die Septime des D7 Auflösungsbestrebungen um einen Halbtonschritt nach unten, auf die Terz des Tonikadreiklangs (hier: von f nach e) zeigt, strebt die Terz des D7 als Leitton um einen Halbtonschritt nach oben, auf den Grundton der Tonart (hier: von h nach c). Die Frage, warum der
D7 9- noch spannungsreicher klingt als der gewöhnliche D7, lässt sich sehr leicht beantworten: Mit der kleinen None ist ein weitere Dissonanz hinzugekommen, und auch dieser Ton strebt in eine bestimmte Richtung, nämlich um einen Halbton nach unten auf die Quinte des Tonikadreiklangs (hier: von as nach g).Offen geblieben ist jedoch noch die Frage, warum man den
D7 9- als Dominante zu vier verschiedenen Tonikadreiklängen deuten kann. Die Antwort liegt in einer besonderen Eigenschaft dieses Klanges: Der Abstand zwischen einem beliebigen Akkordton und dessen Nachbarn ist immer gleich, eine kleine Terz.Daher können die Akkordtöne ihre Rollen tauschen, ohne den Akkord seines dominantischen Charakters zu berauben. Jeder Akkordton kann kleine None, Terz, Quinte oder Septime sein. Ein Rollentausch bewirkt dann aber auch eine Veränderung der Zieltonart – also genau das, was eine Modulation leisten soll.
In diesem Beispiel wird die Dominante von C-Dur, repräsentiert vom
D7 9-, zur Dominante von A-Dur umgedeutet. Zunächst besteht sie aus den Tönen- Quinte d
- Septime f
- kleine None as (anstelle des Akkordgrundtons g)
- Terz h
die sich auch nicht ändern und auf einer Klaviatur genau so liegenbleiben. Sie spielen nach ihrer Umdeutung jedoch andere Rollen und heißen teilweise auch anders:
- Septime d
- kleine None f (anstelle des Akkordgrundtons e)
- Terz gis (das ehemalige as)
- Quinte h
Besonderes Augenmerk verdient hier also der Ton as/gis. Als as, als kleine None über g, zeigte er Auflösungsbestrebungen hinunter zum g hin, zur Quinte der Tonika (C-Dur-Dreiklang). Als gis, als Terz über e, wirkt er hingegen als Leitton, der zum Grundton der neuen Tonika (A-Dur-Dreiklang) geführt werden will. Daher die enharmonische Umdeutung des Tones, daher auch der Name dieser Modulationsart: Enharmonische Modulation.
Die enharmonische Modulation ist eine sehr elegante Methode, die Tonart schnell zu wechseln, auch über mehrere Quintschritte hinaus. In folgendem Beispiel wechselt die Tonart des Weihnachtsliedes „O du fröhliche“ mittels
D7 9- von Es-Dur nach D-Dur. Mit einem Schlag ist die Entfernung von immerhin 5 Quintschritten überbrückt:Hier wird der umgedeutete Akkord jedoch nicht als direkte Dominante zur gewünschten Zieltonart D-Dur verwendet, sondern als Doppeldominante (also als Dominante der Dominante zur eigentlichen Zieltonart D-Dur).
Chromatische Modulation
Bei der Chromatischen Modulation werden Stammtöne alteriert, um schrittweise Stammtöne der Zieltonart zu erreichen. Oft handelt es sich bei den alterierten Tönen um Leittöne. So auch hier:
Dieses Beispiel zeigt eine chromatische Modulation von C-Dur nach a-Moll. Zu Beginn steht eine gewöhnliche Kadenz in C-Dur (allein nur um zu verdeutlichen, dass wir uns zunächst in C-Dur befinden). Nachdem die Tonika wieder erreicht ist, erscheint sie ein zweites Mal, nun aber nicht mehr mit Quinte g, sondern mit Quinte gis. Das ist nur eine kleine Änderung, jedoch mit großer Wirkung: das gis wirkt als Leitton und strebt zum a. Einer sofortigen Kadenzierung in Richtung a-Moll steht daher nichts mehr im Wege. Eine zweite Kadenz (blaue Farbe) festigt und bestätigt die neue Tonart a-Moll.
Ein weiteres Beispiel soll zeigen, dass die chromatische Modulation auch ohne Leittonwirkung funktioniert. Ausgangstonart ist a-Moll, Zieltonart ist g-Moll:
Auch hier stellt zunächst eine Kadenz die Ausgangstonart sicher. Sodann erscheint die Tonika zweimal, einmal normal und dann mit tiefalterierter Quinte: aus e wird es. Dieser Klang ließe sich gleich mehrfach deuten, wir aber nehmen ihn als Subdominante mit hinzugefügter Sexte (c-es-g-a, wobei das g fehlt) und führen ihn zur Tonika der Zieltonart (erscheint aus stimmführungstechnischen Gründen mit Terz im Bass). Die anschließende Kadenz führt endgültig auf g-Moll hin, eine zusätzliche Kadenz (in blauer Farbe) festigt die neue Tonart g-Moll.
Modulation durch Sequenz
Vor allem in barocken Stücken findet man Modulationen, die durch tonale Quintfallsequenzen erreicht werden. Nach der Reihenfolge der Tonarten im Quintenzirkel werden während der Sequenz die charakterisierenden Vorzeichen einer Tonart verändert. Ausgehend von der Tonart C-Dur (ohne Vorzeichen) wird auf dem Weg zu A-Dur (drei Kreuze) zuerst das fis, danach das cis, danach gis hinzugefügt. Ebenso geschieht das mit der Tonart Es-Dur, die drei b als Vorzeichen verwendet: Zuerst wird das b zugefügt, danach das es, danach das as. Will man von einer Kreuztonart in eine b-Tonart modulieren, werden zuerst die Kreuze nach und nach abgebaut, danach in der üblichen Reihenfolge die bs ergänzt. Von G-Dur aus nach Es-Dur wäre also zuerst das fis zum f zu machen, danach das h zum b, danach das e zum es, danach das a zum as.
Bei der Modulation durch Sequenz ist zu beachten, dass vor allem in den Molltonarten eine Kadenz vor und nach dem Modulationsvorgang zur akustischen Verdeutlichung der Ausgangs- und Zieltonart nötig ist. Außerdem kann die Modulation in weiter entferntere Tonarten durchaus mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es für die Komposition gut ist. Theoretisch kann man auf diese Weise durch den ganzen Quintenzirkel modulieren, immer eine Tonart nach der anderen, praktisch ist diese Möglichkeit durch Tastatur u.ä. begrenzt.
Tonzentrale Einführung
Als ein weiteres besonders einfaches Mittel vom Wechsel zwischen zwei Tonarten gilt die tonzentrale Einführung einer neuen Tonart. Dabei wird ein Ton aus dem Akkord der Ausgangstonart gehalten oder stetig wiederholt, um danach als Ton innerhalb eines neuen Akkordes zu erscheinen. Dabei kann der neue Akkord auch einen sehr weiten Abstand zum Akkord der Ausgangstonart haben, denn durch das Fehlen jeglicher anderer Bezugstöne ist die vorige Tonart vorübergehend aufgehoben. Musikalisch findet man vor solchen Stellen manchmal ein ritardando, um den Eintritt der neuen Tonart umso deutlicher zu machen.
Die Zieltonart muss nach der Modulation durch eine Kadenz mit charakteristischen Kon- und Dissonanzen gefestigt werden.
In diesem Beispiel bestimmt der Ton g das Geschehen: Im Sopran wird er in gleichmäßigem Rhythmus (stets Achtelnoten) stetig wiederholt, im Bass erscheint ebenfalls ausschließlich g, hier jedoch mit einem sich stetig wiederholenden rhythmischen Motiv (punktierte Viertel – Achtel – Viertel). Das g in den Außenstimmen wirkt wie eine Leinwand, auf die das harmonische Geschehen aufgetragen wird. G ist der „rote Faden“ in einer zusammenhanglosen Folge von Akkorden (Entfernung g-Moll – e-Moll: 3 Quintschritte; Entfernung e-Moll – Es-Dur: 4 Quintschritte; Entfernung Es-Dur – C-Dur: 3 Quintschritte).
Verwendung
Die Modulation gilt als eines der wichtigsten Handwerkszeuge bei der Komposition und als wichtiges Element der Musikwissenschaft. Sämtliche oben angegebenen Schritte dienen jedoch nur als Material und Mittel für den Kompositionsprozess, der nicht zwangsläufig von diesen Regeln gelenkt werden muss. Sie bereitet den Zuhörer auf den nächsten Teil dies Stückes vor. Oft werden Tonart und Dynamik schon in die nächste Form gebracht, um einen besseren Übergang zu gewährleisten. Die deutlich voneinander abgesetzte Kombination mehrerer Modulationsarten ist ebenso möglich wie ein allmählicher Übergang. Vertiefende Kenntnisse über den Modulationsvorgang vermittelt ein Musikstudium in den Fächern Tonsatz bzw. Harmonielehre.
Literatur
- Doris Geller: Modulationslehre, Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 2002, ISBN 3-7651-0368-3
- Michael Dachs, Paul Söhner: Harmonielehre Band I. 16. Auflage. Kösel, München 2005, ISBN 3-466-30013-4
- Michael Dachs, Paul Söhner: Harmonielehre Band II. 10. Auflage. Kösel, München 2005, ISBN 3-466-30014-2
- Reinhard Amon: "Lexikon der Harmonielehre" Doblinger/Metzler, Wien-München 2005, ISBN 3-476-02082-7
Siehe auch
Kategorien:- Harmonielehre
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