- Aachener Mäkelei
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Die so genannte Aachener Mäkelei ist die historische Bezeichnung für eine Zeit massiven politischen Aufruhrs in der Freien Reichsstadt Aachen, die 1786 begann und erst durch den Einmarsch der Franzosen im Jahre 1792 beendet wurde.
Vorgeschichte
Seit dem Jahr 1450 regelte der Aachener Gaffelbrief mit seinen jeweiligen Aktualisierungen in den Jahren 1513 und 1681 als Verfassung der Freien Reichsstadt das politische Leben. Er legte unter anderem die Zusammensetzung des Stadtrates, das Wahlrecht aber auch die Rechte, Pflichten und Aufgabengebiete der einzelnen Gremien des Stadtrates fest. Dabei standen sich zu damaliger Zeit, anders als heute, nicht Parteien verschiedener politischer Richtungen gegenüber, sondern auf der einen Seite befanden sich die Aristokraten, die sich in der so genannten „Sternzunft“ zusammengeschlossen hatten, und die Patrizier und Gelehrten, organisiert in der „Bock-, Krämer- oder Werkmeisterzunft“, sowie auf der anderen Seite die verschiedenen Handwerkerzünfte.
Dabei achteten die etablierten Zünfte darauf, dass die bedeutendsten Positionen aus ihren eigenen Reihen besetzt wurden. So wurde beispielsweise einer der Bürgermeister aus dem Kreis der lebenslangen Schöffen gewählt, die selbst durchweg der Adelsschicht angehörten. Der zweite Bürgermeister kam dagegen meist aus einer anderen gehobenen Zunft und beide wurden dann von Amts wegen verbeamtet. Nach Ende ihrer einjährigen Amtsperiode waren sie als so genannte „abgestandene“ Bürgermeister weiterhin dem Rat zugehörig und konnten sodann ein Jahr später erneut als Erste/Zweite Bürgermeister gewählt werden, was aber meist nur eine Formsache war und eher einer Ernennung gleichkam. Dadurch kam es häufig vor, dass sich gewisse „Pärchen“ über mehrere Jahre im Amt jährlich gegenseitig ablösten und somit über viele Jahre hinweg die Geschicke der Stadt aus ihrer individuellen Sicht jeweils positiv oder auch negativ beeinflussen konnten. Ebenso wurde mit verschiedenen anderen wichtigen Positionen verfahren und dadurch die gemäß Verfassung verbriefte demokratische Beteiligung vor allem der Gewerbetreibenden Zünfte immer mehr unterlaufen.
Revolutionsjahre
Mittels der beschriebenen durchaus verfassungskonformen Praktiken der gegenseitigen Ablösung regierte auch der Bürgermeister Stephan Dominicus Dauven zwischen 1777 und 1786 fünfmal im Wechsel mit Johann Jacob von Wylre. Dauven, der als Jurist der Werkmeisterzunft (Tuch- und Wollenweber) angehörte und sich als Vermittler in einem Rechtsstreit mit der übergeordneten Vogtei Jülich unter ihrem amtierenden Herzog Karl Theodor einen guten Ruf erworben hatte, musste sich aber von seinen politischen Gegnern Misswirtschaft und Korruption vorwerfen lassen. Diese Gegner formierten sich als „Neue Partei“ unter der Führung von Martin Franz Joseph de Lonneux, ebenfalls Jurist, aus einer alten Patrizierfamilie abstammend und der Sternzunft angehörend, dessen Vater Martin Lambert de Lonneux selbst fast dreißig Jahre im Wechsel mit einem „Abgestandenen“ als Bürgermeister die Geschicke Aachens geleitet hatte. Diese „Neue Partei“ verfasste schließlich Anfang 1786 gegen Dauven und seinem Stadtrat, jetzt „Alte Partei“ genannt, eine Schrift mit bis zu 80 Beschwerdepunkten, in welchen beispielsweise die desolate Lage der Stadtfinanzen, der Mangel an zweckgebundenen Begründungen und Verbuchungen von Verkaufserlösen städtischen Eigentums, eine unsolide und nicht am Bedarf der Stadt orientierte Steuerpolitik, die Beeinflussungen und Beeinträchtigungen der jährlichen Wahlen, Postenabsprachen und Vetternwirtschaft für Günstlinge und vieles mehr, angeprangert wurden.
Diese Spaltung setzte sich bis in alle Zünfte fort, deren Wahlen im Mai 1786 bereits von Tumulten, Drohungen und Gewalttaten begleitet waren und im Verlauf derer die Anhänger der „Neuen Partei“ die Stimmenmehrheit erhielten. Bürgermeister Dauven wollte den Verlust der „Alten Partei“ nicht wahrhaben und das Ergebnis der Zunftwahlen nicht anerkennen, wurde aber durch ein Plebiszit zunächst zur Anerkennung gezwungen. In den nächsten Wochen bis zur Wahl der Bürgermeister und anderer wichtiger Ämter am 24. Juni eskalierte der Streit und jede Partei versuchte ihre Anhänger durch massive Geldmanipulationen, Versprechungen, Bürgerfeste und ähnliches gefügig zu machen. Im Zustand der massiven Trunkenheit kam es dabei zu schweren Schlägereien zwischen den einzelnen Gruppierungen. Als dann bei der Bürgermeisterwahl die „Alte Partei“ unter Dauven angeblich eine Mehrheit von 22 Stimmen erhielt, stürmte de Lonneux mit seinen Rebellen das Aachener Rathaus und warf Dauven Wahlbetrug vor. Mitglieder der „Neuen Partei“ warfen die bisherigen Ratsherren der „Alten Partei“ nicht nur aus dem Rathaus, sondern verbannten sie sogar aus der Stadt. Dauven wurde zur endgültigen Abdankung gezwungen und der zweite Bürgermeister von Wylre flüchtete nach Kornelimünster und annullierte von dort aus die neuen Beschlüsse der selbst ernannten Regierung. Es folgten tagelange Straßenkämpfe und Wochen der Anarchie.
Ende Juli 1786 wurde von Wylre per kaiserlichem Dekret, unterzeichnet von Franz de Paula Gundaker von Colloredo, aufgefordert, nach Aachen zurückzukehren und die Amtsgeschäfte wieder aufzunehmen. Eine Woche später ging ein ebensolches Dekret bei de Lonneux ein, worin er unter Androhung der Todesstrafe aufgefordert wurde, mit seinen Leuten das Rathaus zu räumen. De Lonneux räumte aber keineswegs unverzüglich das Feld, woraufhin weitere kaiserliche Erlasse folgten, welche ebenfalls ignoriert wurden. Erst durch den Einsatz der vom Kaiser beauftragten Truppen des Jülicher Herzogs Karl Theodor am 4. Januar 1787 wurde es möglich, die Anhänger der „neuen Partei“ endgültig aus dem Rathaus zu vertreiben und Wylre wieder als Bürgermeister einsetzen.
Die kaiserlichen Truppen blieben noch bis 1791 in Aachen stationiert und viele Angehörige sowohl von der „Alten“ als auch von der „Neuen Partei“ wurden zwischenzeitlich vor dem Reichskammergericht in Wetzlar angeklagt und sowohl für ihre zahlreichen politischen und kriminellen Straftaten bestraft als auch von weiteren Wahlen und Ämtern ausgeschlossen. Auch de Lonneux wurde verhaftet und verbüßte bis 1790 eine dreijährige Freiheitsstrafe. Trotzdem blieben in dieser Zeit die jährlichen Wahlen nicht von Attentaten, Manipulationen und Beeinträchtigungen verschont und wurden letztendlich ab 1790 vorerst gänzlich eingestellt. Unter Leitung des Ratsherrn von Dohm versuchte man einen Entwurf zu einem neuen überarbeiteten Gaffelbrief zu erstellen, aber die Unruhen hielten unvermehrt an und wurden von de Lonneux und seinen Anhängern jetzt subversiv weitergeführt, wobei sie auf ein Überschwappen und hiermit auf eine Unterstützung ihrer Ziele durch die zu jener Zeit in Frankreich ausgebrochene Französische Revolution hofften. Erst durch den ersten Einmarsch der Franzosen im Jahr 1792 im Rahmen des Ersten Koalitionskrieges und deren Besetzung des linken Rheinufers sowie die nachfolgende Übernahme des Munizipalitätswesen für das neue Arrondissement d’Aix-la-Chapelle (dt. Aachen) ab 1794 hatte die Aachener Mäkelei ein Ende und diese Phase der politischen Instabilität wurde endgültig beendet.
Literatur
- G. Bausch: Die Aachener Mäkelei, Aachen, 1910
- H. Carl: Die Aachener Mäkelei 1786 bis 1792: Konfliktmechanismen im alten Reich, in: Zeitschrift Aachener Geschichtsverein, Nr. 92, 1985, S.103–187
- A. Pauls: Friedrich der Große und die Aachener Mäkelei, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Nr. 48/49, S. 1–23
- Karl Franz Meyer: Geschichte der Mäkelei oder des unseligen Parteihaders der Reichsstadt der Jahre 1786-1792; unveröffentlichtes Werk, welches aber aus einer umfangreichen Sammlung und chronologisch geordnetem Material von Parteierlassen, Ratsbeschlüssen, Zeitungsartikeln und Dokumenten aus der französischen Okkupation besteht und im Archiv der Stadt Aachen gelagert ist.
- Johann Heinrich Kaltenbach: Der Regierungsbezirk Aachen, Wegweiser für Lehrer, Reisende und Freunde der Heimatkunde, Aachen, 1850 Auszüge bei GenWiki
- Sammelband mit vier Aachener Drucken zur sog. Aachener Mäkelei, 4 Bände, Aachen, 1788 Inhaltsverzeichnis
- Friedrich Haagen: ausführliche Erwähnung im Artikel: Dauven, Stephan Dominicus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 4, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 776–781.
- Friedrich Haagen: ausführliche Erwähnung im Artikel: Lonneux, Martin Franz Joseph. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 19, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 164–168.
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