Abd al-Hakim Balhaj

Abd al-Hakim Balhaj

Abd al-Hakim Balhaj (arabisch ‏ عبد الحكيم بالحاج‎ * 1. Mai 1966 in Tripolis), auch unter dem Kampfnamen Abu Abdullah as-Sadiq bekannt, ist ein ehemaliger Anführer der Libyschen Islamischen Kampfgruppe und Kommandeur des libyschen Militärrates in Tripolis.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Afghanistan-Zeit

Nach seiner universitären Ausbildung zum Bauingenieur reiste er 1988 über Saudi-Arabien nach Afghanistan ein, wo er sich den Mujahidin im bewaffneten Kampf gegen die Sowjetarmee anschloss. 1989 gründete er zusammen mit weiteren libyschen Mitstreitern die Libysche Islamische Kampfgruppe in Afghanistan, die damals von Abu Laith al-Liby kommandiert wurde.[1] Nach der Ausweisung durch die pakistanischen Behörden verlegten die LIK-Aktivisten Anfang der 1990er ihre Aktivitäten in den Sudan und nach Libyen.

Rückkehr nach Libyen

Im ostlibyschen Benghazi begann er 1993 mit der Rekrutierung von Freiwilligen für einen Sturz des Regimes Qaddafis. Diese sollten sich den revolutionären Komitees des Regimes anschließen und somit das System von innen unterwandern. Die Umsturzpläne wurden jedoch mit der Entdeckung und anschließenden Bombardierung eines Trainingslagers der Aufständischen unter dem Kommando des abtrünnigen Offiziers Shuhaibi Saleh 1995 in den Bergen im Nordosten des Landes vereitelt. Nach drei fehlgeschlagenen Attentatsversuchen auf Qaddafi wurde Balhajs Vize Scheich Salah Fathi Sulaiman im September 1997 in einem Gefecht mit Regierungstruppen in der Nähe von Darna getötet.[2] Es folgte eine Reihe von Verhaftungswellen, in denen insgesamt 1800 Anhänger verhaftet wurden. Balhaj flüchtete Ende der 1990er, wie das Gros der LIK-Aktivisten aus Libyen und lebte in den darauf folgenden Jahren in mehreren muslimischen Ländern, darunter in Pakistan, Türkei, Sudan und Malaysia.

2003 wurde er von der CIA wegen des Verdachts der Mitgliedschaft zu al-Qaʿida in Malaysia verhaftet und nach Verhören in Thailand und Hong Kong 2004 an den libyschen Geheimdienst übergeben. Nach einer sechsjährigen Internierung im Tripolier Abu-Salim-Gefängnis wurde er am 23. März 2010 zusammen mit 9 weiteren Führern der LIK freigelassen. Vorausgegangen waren der Freilassung zwei Jahre andauernde Diskussionen zwischen Vertretern der LIK und des Regimes, darunter auch Saif al-Qaddafi. Die Führer der LIK verpflichteten sich im Zuge dieser zu einer Abkehr von ihrer bisherigen Ideologie. Im September 2009 wurde ein neues moderateres Manifest unter dem Titel „Korrektive Studien im Verständnis von Jihad, Verantwortung und Herrschaft gegenüber den Menschen“ veröffentlicht, das Balhaj seitens radikal-jihadistischer Gruppierungen den Vorwurf des Verrats einbrachte.[3] Darin wurde der Heilige Krieg gegen Qaddafi ausgeklammert, während er in Afghanistan, Irak und Palästina weiterhin legitimiert wird.[4] Zum Zeitpunkt seiner Freilassung galt Balhaj als Emir der Organisation.

Jihadistische Verbindungen

Als ehemaliger Afghanistan-Veteran, Emir und Chefideologe der LIK werden ihm verschiedene Kontakte zu jihadistischen Gruppen wie al-Qaʿida, den Taliban und der ägyptischen al-Jihad-Gruppe zugeschrieben. 2007 verkündete Aiman az-Zawahiri über eine Audiobotschaft die Fusion zwischen der al-Qaʿida im islamischen Maghreb und der LIK.[5] Die LIK selbst wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf die Liste internationaler Terrororganisationen gesetzt. Die Ermordung Generalmajors Abd al-Fatah Yunis am 28. Juli 2011, der in den 1990ern eine Spezialeinheit zur Bekämpfung der aufständischen LIK-Gruppen kommandierte, wird LIK-Aktivisten zugeschrieben.[6] In einem Interview mit France24 am 1. September 2011 bestritt Balhaj jegliche Verbindungen zu al-Qaʿida auf Grund von im Widerspruch zueinander stehenden Einstellungen.[7]

Rolle im libyschen Bürgerkrieg

Mit dem Ausbruch der libyschen Revolution wurde die LIK dem libyschen Nationalen Übergangsrat unterstellt und änderte ihren Namen in „Libysche Islamische Bewegung“. Balhaj selbst wurde zum Kommandeur der Tripolis-Brigade ernannt, die fünf Bataillone umfasste. Infolge der Erstürmung des Bab al-Aziziya-Distriktes in Tripolis am 27. August 2011, an denen bis zu 800 ihm unterstellte LIK-Kämpfer maßgeblich beteiligt waren, wurde Balhaj zum Vorsitzenden des Militärrates in Tripolis ernannt.[8]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Libya’s New Generals: Conflicting Loyalties (II)"; Al-Akhbar English vom 30. August 2011
  2. The Nefa-Foundation: "Dossier - Libyan Islamic Fighting Group (LIFG; Al Jama'ah al-Islamiyyah al-Muqatila)"; S. 10.
  3. "Libya’s New Generals: Conflicting Loyalties (II)"; Al-Akhbar English vom 30. August 2011
  4. "Abdelhakim Belhaj, le retour d’Al-Qaeda"; Libération vom 26. August 2011
  5. Hamburger Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2007; S. 40 (PDF-Datei).
  6. "Le nouveau gouverneur militaire de Tripoli est l’un des fondateurs d’un groupe terroriste islamiste"; Opex360 vom 26. August 2011
  7. "Belhadj, un djihadiste repenti à la tête du Conseil militaire de Tripoli"; France24 vom 1. September 2011
  8. "Tripoli Divided as Rebels Jostle to Fill Power Vacuum"; The New York Times vom 30. August 2011

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