Saif al-Islam al-Gaddafi

Saif al-Islam al-Gaddafi

Saif al-Islam al-Gaddafi, auch Qaddhafi, (* 25. Juni 1972 in Tripolis, arabisch ‏سيف الإسلام القذافي‎, DMG Saif al-Islām al-Qaḏḏāfī) ist der zweitälteste Sohn des ehemaligen libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi. Übersetzt bedeutet sein Name „Schwert des Islam“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und Ausbildung

Im Herbst 1994 machte Gaddafi sein Diplom in Architektur und plante unter anderem die Al-Fatah-Universität in Tripolis mit.

1995 absolvierte er einen Kurs in Digital Design beim National Consultancy Office. An der ehemaligen privaten IMADEC University in Wien absolvierte er einen MBA-Lehrgang und erstellte Konzepte und Projekte für mehrere Bauvorhaben in Libyen, darunter bis März 1996 den Rowaifa-Al-Ansari-Komplex in Al-Baida. Dieser umfasst eine große Moschee, ein Vier-Sterne-Hotel mit 200 Betten, ein Einkaufszentrum sowie ein Jahr später eine große Villa mit Swimmingpool, Garten, Sportkomplex nebst dazugehörigen Gebäuden.

Im Jahr 2003 erwarb er einen Master of Science. 2008 erlangte er einen Doktorgrad (Ph.D.) an der London School of Economics and Political Science (LSE),[1] Titel seiner Arbeit von 2007 ist Die Rolle der Zivilgesellschaft für die Demokratisierung globaler Regierungsinstitutionen.[2] Die Dissertation steht unter Plagiatsverdacht, Absätze aus einem Ökonomie-Wörterbuch und von der Website der Welthandelsorganisation sollen kopiert worden sein.[3]

Politiker

Gaddafi war Vorsitzender der Gaddafi International Foundation of Charitable Associations (GIFCA). Sie wurde im Jahr 2000 bekannt im Zusammenhang mit der Entführung von 22 Geiseln durch Rebellen der Abu Sayyaf auf die philippinische Insel Jolo, bei der die Stiftung das Lösegeld für die Freilassung der Geiseln bezahlt haben soll.

Seitdem verhandelte die Gaddafi-Stiftung auch über Entschädigungszahlungen für die Opfer des Lockerbie-Anschlags von 1988, des Anschlags auf den französischen UTA-Flug 772 von 1989, des Bombenattentats auf die Diskothek La Belle in Berlin 1986 und weiterer Aktivitäten, die Libyen außenpolitisch belasteten. Auch gehörte die Organisation von Hilfslieferungen nach Afghanistan und die Vermittlung in Konflikten unter anderem auf den Philippinen zu ihren Aufgaben. Gaddafi ist zudem Vorsitzender der libyschen Organisation zur Drogenbekämpfung (General Meeting of the Organization to Fight Drug Abuse).

An dem von der libyschen Regierung durchgeführten Programm zur Demobilisierung der Libyschen Islamischen Kampfgruppe und der Rehabilitierung ihrer Mitglieder war Saif federführend beteiligt.[4]

Gaddafi spricht neben Arabisch Englisch, Französisch und Deutsch. Zeitweise studierte er in Österreich, wo er mit dem Kärnter Landeshauptmann Jörg Haider befreundet war. Im Gegensatz zu seinem als exzentrisch geltenden Vater trat er in der Öffentlichkeit als gemäßigter, diplomatischer Staatsmann auf. Obwohl er kein offizielles politisches Amt bekleidete, äußerte er sich regelmäßig zu außenpolitischen und wirtschaftlichen Belangen des libyschen Staates.

Für Aufsehen sorgten in den letzten Jahren Interviews, in denen er der Politik seines Vaters widersprach. In der internationalen Affäre um den HIV-Prozess gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt etwa gestand er ein, dass die Verdächtigten gefoltert und politisch missbraucht worden seien. Er äußerte mehrfach, dass er das politische System seines Vaters für reformbedürftig hielt.[5]

Aufgrund dieser ihm vom Regime zugestandenen Freiheiten wurde er von westlichen Medien lange als möglicher Nachfolger seines Vaters betrachtet.

Bürgerkrieg 2011

Bei den Massenprotesten im Februar 2011 rechtfertigte Gaddafi in einer Fernsehansprache mit den Worten „Flüsse voller Blut werden fließen“ den Einsatz militärischer Gewalt gegen die Protestierenden, der zu Hunderten Toten und Verletzten führte.[6]

Am 16. Mai 2011 beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag einen Haftbefehl gegen Gaddafi wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, welcher am 27. Juni 2011 ausgestellt wurde. Im Zuge des Aufstandes seien vom Gaddafi-Regime Folter, Morde und Vergewaltigungen ausgegangen, um die Bevölkerung einzuschüchtern und den Aufstand niederzuschlagen.

Während der Zeit des Libyschen Bürgerkriegs im Jahr 2011 erlangte Gaddafi internationale Bekanntheit, da er an Stelle seines Vaters Muammar al-Gaddafi viele Medienauftritte wahrnahm und die libysche Bevölkerung regelmäßig zum Widerstand gegen die Freiheitskämpfer aufrief, so am Abend des 31. August 2011 in einer Fernsehansprache.[7]

Am 9. September 2011 wurde er, zusammen mit seinem Vater Muammar al-Gaddafi und dem Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi, von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben.[8]

Eine Meldung über seinen Tod am 20. Oktober 2011 wurde vom Staatsfernsehen bestätigt.[9] Aus Kreisen des Libyschen Übergangsrates wurde hingegen gemeldet, Gaddafi befände sich auf der Flucht in Richtung Niger. Zwischenzeitlich war gemeldet worden, dass er sich als Gefangener in den Händen des libyschen Revolutionsrates befände und am Rücken durch Schusswunden schwer verletzt sei.[10] Am 23. Oktober meldete sich Gaddafi mit einer Audiobotschaft beim Fernsehsender Al-Arabiya und kündigte an, den Widerstand gegen die neuen Machthaber fortzuführen.[11] Reuters meldete am 26. Oktober unter Berufung auf einen Vertreter des Übergangsrates, dass sich Gaddafi dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag freiwillig stellen wolle.[12] Er fordere dafür ein Flugzeug und Sicherheit.[13] Andere Berichte widersprechen allerdings der Aussage, dass er sich stellen wolle.[14]

Schriften

  • The role of civil society in the democratisation of global governance institutions: From ‘Soft Power’ to Collective Decision-Making? Diss., London 2007. Online (PDF-Datei)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Katherine Sellgren: UK university reviews funding from Libya; BBC News, 22. Februar 2011.
  2. The Role of civil society in the democratisation of global governance institutions: from “soft power” to collective decision-making? LSE Catalogue'
  3. Spiegel.de vom 3. März 2011 Plagiatsvorwurf gegen Gaddafi-Sohn: Dr. Strange und die 350.000-Euro-Spende (abgerufen am 3. März 2011)
  4. Christopher Boucek: Dangerous Fallout from Libya’s Implosion, 9. März 2011 (dt. Übersetzung)
  5. Hans-Christian Rößler: Saif al Islam Gaddafi. Der Exzentrische. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 12. August 2007, S. 12.
  6. Ulrike Putz: Revolte gegen Gaddafi: Libyens Araberstämme drohen mit Ölförderstopp; Spiegel-Online, Bericht vom 21. Februar 2011.
  7. Seif-Al-Islam Al-Qaddafi: Full Speech Eve of September 1 Mathaba, Bericht vom 1. September 2011
  8. Interpol schreibt Muammar al-Ghadhafi zur Fahndung aus. In: Neue Zürcher Zeitung. 9. September 2011, abgerufen am 9. September 2011 (deutsch).
  9. http://www.faz.net/aktuell/politik/libyen-uebergangsrat-gibt-tod-gaddafis-bekannt-11499369.html
  10. Widersprüchliche Angaben über die Umstände von Gaddafis Tod. In: BerlinerTageszeitung.de am 21. Oktober 2011.
  11. Befreites Libyen feiert, Focus. 23. Oktober 2011. 
  12. RIA Novosti: Gaddafis Sohn Saif al-Islam will sich Haager Gericht stellen. Abgerufen am 26. Oktober.
  13. Spiegel Online: Saif al-Gaddafi verlangt Flugzeug und Vermittler Abgerufen am 27. Oktober.
  14. RIA Novosti: Gaddafis Sohn Saif al-Islam: Ich werde mich nie Den Haag ergeben. Abgerufen am 1. November.

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