- Alte Werkshalle (Geisenheim)
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Die Alte Werkshalle in Geisenheim am Rhein ist eine ehemalige Produktionshalle verschiedener Druckmaschinenhersteller. Sie steht heute unter Denkmalschutz als Beispiel für das Rhein-Main-Gebiet als bedeutendes Zentrum des Maschinenbaus.[1] Von hier wurden Druckmaschinen in die ganze Welt geliefert.
Inhaltsverzeichnis
Architektur
Erbaut im Jahre 1906 in moderner Eisenkonstruktion wurde die Halle in traditioneller Bauform einer Basilika errichtet: Das hohe Mittelschiff wird von zwei niedrigeren Seitenschiffen flankiert. Die Mittelschiff-Fenster, die hier durch die flache Dachkonstruktion schon fast als Dachflächenfenster bezeichnet werden können, sollten ein Arbeiten mit Tageslicht ermöglichen.
Geschichte
Die Halle war zunächst Produktionsstätte der 1846 gegründeten Maschinenfabrik Johannisberg Klein, Forst, Bohn Nachfolger (später Maschinenfabrik Johannisberg Klein, Forst, Bohn Nachfolger in Geisenheim a. Rh.), als diese ihren Firmensitz nach Geisenheim verlegte.
Ende 1943 musste ein Teil der Werksanlage für den Rüstungskonzern Friedrich Krupp AG Essen geräumt werden. Daraus entstand die Kriegsgemeinschaft Krupp-Essen und Maschinenfabrik Johannisberg.
Am 26. September 1944 entstand in Geisenheim ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof um den stetig steigenden Rüstungsbedarf trotz zunehmenden Arbeitermangels zu befriedigen. Am 12. Dezember 1944 kamen 200 weibliche Gefangene (überwiegend polnische Jüdinnen) nach Geisenheim und wurden dort in Baracken untergebracht. Kurz vor Kriegsende wurde am 18. März 1945 das Lager geräumt und die Frauen in das Dachauer Außenlager Allach bei München verbracht.[2]
1946 mussten aufgrund des alliierten Besatzungsstatutes ein Teil der Fritz-Werner-Fertigung sowie die Firma PREMAG in den Werkshallen in Geisenheim aufgenommen werden. Sie übernahmen die Räume, die infolge der Auflösung der Friedrich-Krupp-AG frei geworden waren.
Am 29. Oktober 1954 konnte die Firma Fritz-Werner-Fertigung in eigene Räume in direkter Nachbarschaft umziehen, so dass endlich mehr Raum zur Verfügung stand, um die ständig wachsende Nachfrage nach Druckmaschinen zu befriedigen.
1954 kam es zu einer Teilfusionierung mit dem amerikanische Druckmaschinenhersteller Miller Printing Machinery CO, Pittsburgh.
Um eine weitere Expansion zu ermöglichen, wurde in den kommenden Jahren im Anschluss an die erste Halle eine zweite Richtung Norden errichtet. Der nördliche Teil diente von da an der mechanischen Fertigung, der südliche wurde als Montagefläche genutzt.
Anfang 1968 stand der Verkauf der Maschinenfabrik Johannisberg an die Firma Fritz Werner Industrie-Ausrüstung im Raum, die mittlerweile zur bundeseigenen Deutschen Industrieanlagen GmbH (DIAG) gehörte. Der Rüstungslieferant wollte seine eigene Fertigung ausweiten, an der Druckmaschinenherstellung selbst bestand wenig Interesse. Dies hätte auch für Miller Pittsburgh katastrophale Folgen gehabt.
Durch die Gründung der 100% Tochterfirma Miller Johannisberg Druckmaschinen GmbH, einer reinen Konstruktions- und Vertriebsgesellschaft ohne eigene Fertigung, sollte das Geisenheimer Know-How bewahrt werden. Gleich im Anschluss wurde ein Kooperationsvertrag mit Fritz Werner über die Fertigung von Druckmaschinen vereinbart.
Am 01.01.1981 jedoch übernahm Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen auch die Miller Johannisberg Druckmaschinen GmbH, die mittlerweile ihren Hauptsitz in Wiesbaden hatte. Nachdem Fritz Werner mit seinen Rüstungsgeschäften immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten war, wurde versucht, die Produktion vermehrt auf zivile Güter umzustellen.[3] Durch diesen Schritt gelangte Miller Johannisberg automatisch in den Besitz der DIAG.
1986 erzielte Miller Johannisberg etwa die Hälfte des Umsatzes der Fritz Werner GmbH.[4]
1989 wurde die DIAG an die MAN AG verkauft und Miller Johannisberg der MAN Roland Druckmaschinen-AG zugeführt.[5] Firmiert wurde unter dem neuen Namen MAN Miller Druckmaschinen GmbH, wodurch gezeigt werden sollte, dass die Miller-Maschinen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu den Roland-Maschinen stehen sollten. Der bisherige Teil des Firmenamens Johannisberg wurde gelöscht.
2006 verlegte MAN Roland die Produktionsstätte endgültig nach Offenbach am Main [6] Damit fand eine langjährige Maschinenbau-Tradition in Geisenheim ihr Ende.
Heutige Situation
Für die im Volksmund als „Bahnhof Zoo“ bezeichnete Halle, die sich immer noch im Eigentum von MAN befindet, wurde seit dem Weggang des Druckmaschinenherstellers eine neue Nutzung gesucht. Im Gespräch war u.a. ein Veranstaltungsort für das Rheingau Musik Festival, jedoch waren alle Bemühungen vergeblich. 2011 wurde die von MAN beantragte Abbruchgenehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde des Rheingau-Taunus-Kreises erteilt.[7] Der Abbruch wurde noch nicht vollzogen (Stand: 08.10.2011).
Quellen
- Karla Wiesinger Spurensuche nach dem Johannisberger Druckmaschinenbau 1846-1990, Marianne Breuer Verlag, Wiesbaden-Erbenheim, 2000, ISBN 3-9804701-3-X
Einzelnachweise
- ↑ Heitzenröder, Höhmann, Schirmbeck, Seidel Hessen; Denkmäler der Industrie und Technik, Nicolai, Berlin 1986, ISBN 3875841751
- ↑ Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen
- ↑ Waffenhandel: Abkommen gilt als geheim DER SPIEGEL 19/1987
- ↑ Wiesbadener Tagblatt vom 8. Oktober 1988
- ↑ Answers.com
- ↑ Veränderte Wirtschaftsstruktur auf der offiziellen Internetpräsenz der Stadt Geisenheim
- ↑ Bernd Minges „Bahnhof Zoo“: Abbruch genehmigt, Wiesbadener Kurier vom 06.07.2011
Weblinks
Commons: Alte Werkshalle (Geisenheim) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Johannisberg-Druckmaschine aus dem Jahr 1903 Museum Zell am Hammerbach
- Haus der Stadtgeschichte Offenbach erhält Buchschnelldruckpresse des Herstellers Johannisberg Frankfurter Rundschau 06.10.2009
49.9890216555447.9796147346497Koordinaten: 49° 59′ 20,48″ N, 7° 58′ 46,61″ OKategorien:- Geisenheim
- Industriedenkmal
- Fabrikgebäude
- Bauwerk im Rheingau-Taunus-Kreis
- Ehemaliger Druckmaschinenhersteller
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