CP-Verletzung

CP-Verletzung

Unter CP-Verletzung (C für engl. charge Ladung bzw. charge conjugation Ladungskonjugation; P für parity Parität) versteht man die Verletzung der CP-Invarianz. Letztere besagt, dass sich die physikalischen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten in einem System nicht ändern sollten, wenn alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt und gleichzeitig alle Raumkoordinaten gespiegelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung und Vorgeschichte

C-Invarianz

Physikern ist schon seit den 1930er Jahren bekannt, dass es zu jedem Elementarteilchen ein Antiteilchen gibt, das genau die gleiche Masse, aber entgegengesetzte Ladung trägt. Ursprünglich sprachen die Theorie sowie Beobachtungen dafür, dass alle Wechselwirkungen und Zerfälle von Antiteilchen genau so ablaufen wie mit normalen Teilchen, dass sie also invariant unter Ladungskonjugation, kurz C-invariant, seien.

Scheinbare P-Invarianz und Paritätsverletzung

Weiter sollte die Physik in einer Spiegelwelt sich nicht von unserer unterscheiden, d. h. jeder Vorgang, der in einem Spiegel beobachtet wird, sollte sich durch geeignete experimentelle Anordnung auch in unserer normalen Welt realisieren lassen (P-Invarianz).

Doch schon 1956 postulierten Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang, dass die Schwache Wechselwirkung, der der Beta-Zerfall unterliegt, die Punktsymmetrie verletzt, und noch im gleichen Jahr wurde diese Paritätsverletzung durch Chien-Shiung Wu im Wu-Experiment bestätigt. Die Natur bevorzugt die Linkshändigkeit (siehe Chiralität) leicht gegenüber der Rechtshändigkeit: Teilchen aus dem Zerfall hatten vorzugsweise linkshändige Helizität (ein normiertes Produkt aus Impuls und Spin), die entsprechenden Antiteilchen rechtshändige.

Die P-Invarianz bei Teilchenreaktionen gilt auch für Neutrinos nicht: der Spin der Neutrinos ist fast immer entgegen ihrer Flugrichtung gerichtet und damit linkshändig; rechtshändige Neutrinos konnten in der Natur noch nicht nachgewiesen werden.

Scheinbare CP-Invarianz

Vertauscht man allerdings zusätzlich zur Spiegelung auch noch Teilchen mit Antiteilchen (C+P), so ist der Prozess wieder erlaubt: rechtshändige Anti-Neutrinos wurden im Goldhaber-Experiment nachgewiesen. Demzufolge wäre in der Natur die kombinierte CP-Invarianz gegeben.

Entdeckung der CP-Verletzung

1964 entdeckten die amerikanischen Physiker James Christenson, James Cronin, Val Fitch und René Turlay (Nobelpreis für Physik für Cronin und Fitch 1980) eine winzige Unregelmäßigkeit beim Zerfall schwerer neutraler K-Mesonen (Kaonen), die auf eine Verletzung auch der kombinierten CP-Symmetrie schließen ließ; Kaonen und Antikaonen zerfielen nicht in identischer Weise. Beim Zerfall des später untersuchten ungeladenen K0-Mesons betrug der Anteil CP-verletzender Zerfälle etwa zwei Promille.

Verknüpfung mit dem Standardmodell

1972 wurde die CP-Verletzung von Nicola Cabibbo, Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa im Standardmodell der Teilchenphysik verankert. Ihr CKM-Modell sagt voraus, dass die CP-Verletzung aus Massenmischungen schwerer Quarks resultiert.

Der Theorie zufolge müsste die CP-Verletzung bei Zerfällen, an denen schwere Quarks beteiligt sind, am ausgeprägtesten sein. B-Mesonen, die neben einem leichten auch das schwere Bottom-Quark enthalten, sind die idealen Prüfkandidaten. Sie besitzen ungefähr die fünffache Protonenmasse und zerfallen erst eine Billionstel Sekunde nach ihrer Entstehung (das hört sich nach einer sehr kurzen Zeit an, in der Tat jedoch ist es für gebundene Quark-Zustände eine recht lange Zeit. Die Dauer von 10-12 s ist typisch für schwache Zerfälle. Resonanzen, die unter der starken Kraft zerfallen, leben typischerweise nur 10-23 s, elektromagnetische Zerfälle etwa 10-20 s).

Die Wahl fiel auf das ungeladene B0-Meson, das in zwei weitere Mesonen zerfällt, ein Kaon und ein J/ψ-Teilchen, wobei zwei unterschiedliche Zerfallswege bekannt sind: ein direkter Weg und ein „Umweg“ über das eigene Antiteilchen. Die experimentelle Bestimmung stellt allerdings eine Herausforderung dar, denn der zweite Zerfallsweg über das Antiteilchen ist so selten, dass man eine große Anzahl hochenergetischer Kollisionen benötigt. Die CP-Verletzung ist daher ein zentrales Forschungsthema, zum Beispiel im Rahmen des BaBar-Experiments am SLAC sowie des Belle-Experiments in Tsukuba.

Mittlerweile haben beide Experimente die CP-Verletzung auch im System der neutralen B-Mesonen bestätigt, in ausgezeichneter Übereinstimmung mit den Vorhersagen des Standardmodells.

Kosmologische Notwendigkeit

Andrei Sacharov merkte in den 1960er Jahren an, dass die CP-Verletzung eine der Voraussetzungen dafür ist, dass es im Universum die beobachtete große Dominanz der Materie gegenüber der Antimaterie geben kann (Baryonenasymmetrie). Unser heutiges Verständnis vom Urknall geht davon aus, dass er Teilchen und Antiteilchen in gleicher Menge hervorbrachte. In der Baryogenese entstand dann das jetzt beobachtete Ungleichgewicht. Der exakte Mechanismus ist aber umstritten. Experimente müssen klären, welchen Ursprungs die CP-Verletzung ist und ob sie genügend groß ist, um ausreichend Materie erzeugen zu können.

Siehe auch

Literatur

  • J. H. Christenson, J. W. Cronin, V. L. Fitch, R. Turlay: Evidence for the 2π Decay of the K20 Meson. In: Physical Review Letters. Band 13, 1964, S. 138–140
  • A. D. Sakharov: Violation of CP Invariance, c Asymmetry, and Baryon Asymmetry of the Universe. In: JETP Letters. Band 5, 1967, S. 24–27
  • Makoto Kobayashi, Toshihide Maskawa: CP Violation in the Renormalizable Theory of Weak Interaction. In: Progress of Theoretical Physics. Band 49, 1973, S. 652–657
  • Marcel Kunze, Klaus R. Schubert und Bernhard Spaan: Das BABAR-Experiment. In: Physikalische Blätter. Band 55, Heft 5, 1999, S. 27
  • Particle Data Group: Review of particle physics. In: The European Physical Journal. Band C3, 1998, S. 1–794
  • Michael Peskin: High-energy physics: The matter with antimatter. In: Nature. Band 419, 2002, S. 24–27

Weblinks


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