Paritätsverletzung

Paritätsverletzung

Die Paritätsverletzung bezeichnet in der Physik die Eigenschaft einer Wechselwirkung, in einer räumlich gespiegelten Anordnung anders abzulaufen.

Genauer gesagt ist eine paritätsverletzende Wechselwirkung unter Paritätsinversion nicht invariant. Sie stellt also eine Symmetriebrechung dar. Der zusätzliche Freiheitsgrad in paritätsverletzenden Systemen ist die Chiralität, die zwei verschiedene Werte (üblicherweise +1 und -1) annehmen kann und „rechts“ bzw. „links“ unterscheidet. Man spricht entsprechend von links-chiral und rechts-chiral. Ein System, das Chiralität aufweist (beispielsweise ein Elementarteilchen), ist nach einer Spiegelung nicht mehr durch Drehungen mit dem ursprünglichen System in Deckung zu bringen.

Die einzige Grundkraft, die die Parität verletzt, ist die schwache Wechselwirkung. Bei dem Elektromagnetismus, der starken Wechselwirkung und der Gravitation bleibt die Parität dagegen erhalten.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Hauptartikel: Wu-Experiment

Dass die schwache Wechselwirkung die Parität verletzt, wurde 1956 im Wu-Experiment nachgewiesen. Bei diesem Experiment wurde gezeigt, dass der über die schwache Wechselwirkung ablaufende Beta-Zerfall unter Spiegelung der Kernspinausrichtung unterschiedlich häufig abläuft.

In diesem Experiment wurde eine Probe aus Cobalt-60 in ein Magnetfeld gebracht. Der Kernspin, ein Analogon zu einem Eigendrehimpuls des Atomkerns, erzeugt ein magnetisches Moment des Kerns und richtet sich daher im Magnetfeld aus. Beim Zerfall eines Cobalt-Atomkerns wird ein Elektron abgegeben. In diesem Versuchsaufbau zeigt sich, dass ein Überschuss an Elektronen entgegen der Magnetfeldrichtung abgegeben wird. Ist das Magnetfeld stark genug um alle Kernspins auszurichten, werden die Elektronen nur entgegen der Magnetfeldrichtung abgegeben und nicht in Richtung des Magnetfeldes. Dies wird als maximale Paritätsverletzung bezeichnet.

Die Elektronen, die entgegen der Spinrichtung ausgesandt werden, besitzen negative Helizität und werden deswegen auch als linkshändige Elektronen bezeichnet.

Erklärung

Die Erklärung des Effekts erfolgt im Rahmen der Quantenfeldtheorie, da es sich um einen Prozess zwischen kleinsten Teilchen handelt, die durch derartige Theorien beschrieben werden. Genauer gesagt wird die Quantenfeldtheorie der schwachen Wechselwirkung zur Erklärung herangezogen, sodass die Paritätsverletzung als Eigenschaft dieser Wechselwirkung interpretiert wird. Im Rahmen des elektroschwachen Modells, das die Mischung von Elektromagnetismus und schwacher Wechselwirkung beschreibt, wird eine tiefergehende Beschreibung der Paritätsverletzung ermöglicht.

Im Rahmen der Quantenfeldtheorie wird der Beta-Zerfall anschaulich mit Hilfe eines virtuellen W-Bosons erklärt. Ein Neutron im Atomkern wandelt sich in ein Proton um, wobei ein geladenes virtuelles W--Boson ausgesandt wird, welches sofort in ein Elektron und ein Antineutrino zerfällt. Die Paritätsverletzung wird durch die V-A-Theorie erklärt, die besagt das W-Boson könne nur an linkshändige Teilchen und rechtshändige Antiteilchen koppeln. Das Elektron muss demnach also linkshändig sein und das Antineutrino rechtshändig. Da Neutrinos nur durch die schwache Wechselwirkung wechselwirken, lässt sich aus der Theorie die Vorhersage ableiten, dass Neutrinos immer linkshändig und Antineutrinos immer rechtshändig sind. Bereits 1957 konnte im Goldhaber-Experiment bestätigt werden, dass diese Vorhersage über die Helizität der Neutrinos im Rahmen der Meßgenauigkeit immer zutrifft. Neuere Erkenntnisse über die Neutrinooszillation legen allerdings die Möglichkeit nahe, dass es in sehr seltenen Fällen auch rechtshändige Neutrinos und linkshändige Antineutrinos geben könnte. Die generelle Händigkeit der Neutrinos lässt sich aus dem Goldhaber-Experiment also nicht schlussfolgern.

Nach dem elektroschwachen Modell gibt es drei Eichbosonen der schwachen Wechselwirkung nämlich die elektrisch geladenen W±-Bosonen und das elektrisch neutrale Z0-Boson. Diesem Modell zufolge liegt bei Prozessen, die durch ein W-Boson vermittelt werden, eine maximale Paritätsverletzung vor, während Prozesse, die durch das Z-Boson vermittelt werden nur in einem bestimmten Verhältnis paritätsverletzend sind. Das Elektroschwache Modell sagt dabei vorher, dass der Grad der Paritätsverletzung beim Z-Boson durch den Weinberg-Winkel beschrieben wird, was experimentell bestätigt werden konnte.

Effekte

Die Paritätsverletzung erklärt einige Phänomene der Teilchenphysik, die ansonsten nicht zu erklären wären.

Pionzerfall

Ein negativ geladenes Pion zerfällt in fast allen Fällen in ein Myon und ein Myon-Antineutrino, obwohl beim Zerfall in ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino mehr Energie frei würde, was diesen Zerfall zunächst wahrscheinlicher machen würde. Die Erklärung für das Zerfallsverhalten des Pions liegt in der Paritätsverletzung. Das Pion hat Spin 0, also müssen die Spins von Myon und Antineutrino entgegengesetzt sein. Wegen der Impulserhaltung fliegen die beiden Teilchen in entgegengesetzte Richtung so dass das Vorzeichen der Helizität bei beiden gleich sein muss. Der Spin zeigt also bei beiden Teilchen entweder in oder entgegen der Flugrichtung. Weil das Antineutrino als nahezu masselos angenommen werden kann, ist seine Helizität aber positiv womit der Spin in Flugrichtung zeigt. Das Myon hat demnach ebenfalls positive Helizität. Dieser Zustand des Myons kann in links-chirale und rechts-chirale Anteile zerlegt werden, wobei die Verteilung von der Ruhemasse des Myons abhängt. Diese Masseabhängigkeit der Verteilung führt dann zusammen mit der paritätsverletzenden Eigenschaft der schwachen Wechselwirkung auf unterschiedliche Zerfallswahrscheinlichkeiten.[1].

Siehe auch

Bücher

Referenzen

  1. Walter Greiner, Berndt Müller: Eichtheorie der schwachen Wechselwirkung. 2. Auflage, Harri Deutsch, 1995, S. 272, ISBN 3-8171-1427-3

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