Arterielle Hypotonie

Arterielle Hypotonie
Klassifikation nach ICD-10
I95 Hypotonie
I95.0 Idiopathische Hypotonie
I95.1 Orthostatische Hypotonie
I95.2 Hypotonie durch Arzneimittel
I95.8 Sonstige Hypotonie
I95.9 Hypotonie, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Arterielle Hypotonie beschreibt einen Blutdruck unterhalb einer definierten Normgrenze. In Deutschland bezieht man sich üblicherweise auf einen systolischen Blutdruck kleiner 100 mmHg, das National Heart, Lung and Blood Institute (USA) gibt 90/60 mmHg als Grenzwert an.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Pathophysiologie und Einteilung

Ursächlich für eine arterielle Hypotonie ist ein Missverhältnis von Gefäßvolumen und zirkulierendem Blutvolumen.[3] Dieses Missverhältnis kann durch einen verminderten Gefäßwiderstand, zu geringes absolutes Blutvolumen, zu geringen Blutrückstrom zum Herzen oder durch reduzierte Pumpfunktion des Herzens entstehen. In Abhängigkeit der Ursache unterscheidet man drei Formen der arteriellen Hypotonie.

Symptomatische Hypotonie

Als symptomatische Hypotension bezeichnet man erniedrigten Blutdruck, der auf eine klar definierbare Ursache, z.B. eine Erkrankung oder Medikamenteneinnahme, zurückzuführen ist (siehe Tabelle).[1][3]

Pathophysiologie Ursache (Beispiele)
erniedrigter Gefäßwiderstand Anaphylaktischer oder spinaler Schock
reduziertes absolutes Blutvolumen geringe Trinkmenge, Blutverlust, Diarrhoe oder Erbrechen, Nebenniereninsuffizienz
verminderter Blutrückstrom zum Herzen Krampfadern, Medikamenteneinnahme, z.B. Nitroglycerin, Vena-cava-Kompressionssyndrom, Lungenembolie
reduzierte Pumpfunktion des Herzens Herzinsuffizienz, (hochgradige) Aortenstenose, Perikarderguss

Orthostatische Hypotonie

Die orthostatische Hypotonie (Synonyme: Orthostase-Syndrom, orthostatische Dysregulation) ist eine bei Wechsel in die aufrechte Körperlage (Orthostase) auftretende Regulationsstörung des Blutdrucks.

Physiologie

Im Normalfall steuert der Organismus dem durch die Orthostase entstehenden Blutdruckabfall mit der Orthostase-Reaktion entgegen. Eine orthostatische Hypotonie entsteht, wenn diese Gegenregulation des Körpers nicht richtig abläuft.

Formen

Drei Formen der Regulationsstörung sind zu unterscheiden:

  • Sympathikotone orthostatische Hypotonie: Die sympathische Gegenregulation ist übermäßig stark. Es kommt zu einem Anstieg des diastolischen Blutdrucks und der Herzfrequenz (mindestens 16/min mehr) bei gleichzeitig spiegelbildlich starkem Abfall des systolischen Blutdrucks.
  • Asympathikotone orthostatische Hypotonie: Die sympathische Gegenregulation fällt zu schwach aus. Es kommt bei gleich bleibender oder sogar fallender Herzfrequenz zum verhältnismäßig starken Abfall des systolischen und diastolischen Blutdrucks.
  • Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom: Eine Hypotonie bleibt aus, jedoch kommt es zu einem verhältnismäßig starken Anstieg der Herzfrequenz (> 130 /min).

Essentielle Hypotonie

Die häufigste Form ist die essentielle Hypotonie (idiopathische Hypotonie). Ihre Ursache ist unklar. Man geht davon aus, dass ihr eine Sollwertverstellung zu Grunde liegt. Sie liegt vermehrt bei jungen, schlanken Frauen vor und hat häufig keinen Krankheitswert.[1]

Symptome

  • Blässe, kalte Hände und Füße
  • rasche Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Tachykardie
  • Kollapsneigung, Synkopen

Von größter Relevanz ist das Auftreten von kurzen Ohnmachtsanfällen (Synkope). Durch den erniedrigten Blutdruck kommt es zu einer Minderversorgung des Gehirns mit sauerstoffreichem Blut und dadurch zur Bewusstlosigkeit. Diese führt häufig zu Stürzen und damit verbundenen Verletzungen.

Diagnostik

Eine länger bestehende Hypotonie sollte ärztlich abgeklärt werden. Wichtigstes Ziel der Diagnostik ist es, eine symptomatische Hypotonie identifizieren bzw. auszuschließen, da sie Ausdruck einer unter Umständen lebensbedrohlichen Erkrankung sein kann. Dazu sind neben Anamnese und klinischer Untersuchung apparative Verfahren wie die Echokardiographie oder eine Langzeit-Blutdruck-Messung und eine Blutuntersuchung von Bedeutung. In der Diagnostik der orthostatischen Hypotonie spielen Schellong-Test und Kipptischuntersuchung eine entscheidende Rolle.

Therapie

Langfristig ist eine arterielle Hypotonie gegenüber einer Hypertonie bezüglich des kardiovaskulären Risikos als günstiger anzusehen. Liegt keine identifizierbare Erkrankung zu Grunde, ist eine Therapie daher nur bei Beschwerden indiziert und erfolgt durch physikalische Maßnahmen wie Sport, Gymnastik und Wechselduschen und eine Umstellung der Ernährung (kochsalzreiche Mahlzeiten mit vermehrter Flüssigkeitszufuhr)[4][5]. Nur selten ist eine medikamentöse Therapie mit Sympathomimetika, Dihydroergotamin oder Mineralokortikoiden angezeigt.

Kontrollierte Hypotension

Die Kontrollierte Hypotension ist eine Methode, bei der man den Blutdruck eines Patienten während der Operation bewusst senkt, um den Blutverlust zu verringern. Sie wird insbesondere bei orthopädischen Eingriffen wirkungsvoll eingesetzt, kann aber auch bei anderen Arten von Operationen angewandt werden.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Hypotonie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c Gerd Herold: Innere Medizin. Köln 2007, S. 282-285.
  2. National Heart, Lung and Blood Institute. What is hypotension? Abgerufen am 15. Januar 2011
  3. a b Hypotonie. In: Alexander und Konstantin Bob (Hrsgb.). Innere Medizin. S. 744-745. Thieme Verlag, Stuttgart, 2001. ISBN 3-13-128751-9
  4. W. von Scheidt und P. Trenkwalder. Chronischer Arterielle Hypotonie. In: Steinbeck und Paumgartner (Hrsg.) Therapie Innerer Erkrankungen. 11. Auflage (2005) Springer Verlag. S. 232 ff.
  5. E. Hackenthal. Behandlung der Hypotonie und des Schocks. In: Oberdisse, Hackenthal, Kuschinsky (Hrsg.) Pharmakologie und Toxikologie. 3. Auflage (2002) Springer Verlag. S. 395
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