Immaturenprüfung

Immaturenprüfung

Die Immaturenprüfung ist eine in Deutschland mögliche Prüfung für Studieninteressenten ohne Hochschulzugangsberechtigung - das heißt ohne Abitur - die zur Erwerbung einer fachgebundenen Hochschulreife führen kann. Synonym wird dafür auch die Bezeichnung Begabtenprüfung verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte und Regelung in den einzelnen deutschen Bundesländern

Der im Ersten Weltkrieg fühlbare Mangel an qualifiziertem Fachpersonal führte zur Einrichtung der Begabtenprüfungen. Jedoch verstand man darunter anfangs auch Intelligenztests zur Begabtenauslese.[1] [2]

1916 begann das Württembergische Ministerium des Kirchen- und Schulwesens die Einrichtung von Umschulungskursen vorzubereiten, um Personen ohne Abitur ein Studium zu ermöglichen. In Zusammenwirken mit dem Verein zur Förderung von Begabten wurde 1919 der erste derartige Kurs eingerichtet, den im März 1923 sieben Personen erfolgreich mit einer Prüfung abschlossen. Bestrebungen, 1919 an der Ludwig-Maximilians-Universität München "Arbeiterübergangskurse" einzurichten, scheiterten vorerst an einem negativen Gutachten des Professors Aloys Fischer, der eine Entwertung der akademischen Bildung befürchtete.[3]

1920 forderte die Reichsschulkonferenz und 1922 die Hochschulkonferenz in Bensheim die Einrichtung von Begabtenprüfungen für Immature. Mit Erlass vom 24. April 1923 führte dann Preußen zunächst probeweise, dann 1924 endgültig, diese Zulassungsmöglichkeit zum Universitätsstudium ein. Die sozialdemokratisch regierten Länder Sachsen und Thüringen folgten im selben Jahr, bis 1929 Bayern, Württemberg, Baden, Braunschweig und Hamburg. Darüber hinaus verfügten Hessen und Mecklenburg-Schwerin die Anerkennung der in Preußen abgelegten Prüfungen.[4]

Otto Benecke, der persönliche Referent des damaligen preußischen Kultusministers, beschrieb das neue Zulassungsverfahren als eine "kleine Pforte, für die naturgemäß wenigen, die man mit Fug als Hochbegabte bezeichnen kann".[5] Voraussetzung waren die besondere Eignung des Bewerbers seiner Persönlichkeit und seinen geistigen Fähigkeiten nach, eine deutlich erkennbare Begabung für das gewählte Studienfach und eine besondere berufliche Bewährung. Folgerichtig konnte damals der Antrag auf Zulassung gar nicht vom Bewerber selbst, sondern nur von sogenannten urteilsfähigen Personen gestellt werden. Prüfungs- und Studienvorbereitung verliefen autodidaktisch. Entsprechend anspruchsvoll waren die Prüfungsanforderungen.

1938 wurden diese Länderverordnungen durch eine reichseinheitliche Prüfungsordnung abgelöst, wodurch die Möglichkeit, eine Immaturenprüfung abzulegen, auf Personen mit deutschblütiger Abstammung beschränkt wurde.[6]

Nach 1945 wurden in allen Besatzungszonen, also auch in der Sowjetischen, erneut Prüfungsanordnungen erlassen, die an die Regelungen der Weimarer Zeit anknüpften und später durch Regelungen der Länder novelliert wurden, so z. B. 1947 im neugebildeten Bundesland Niedersachsen unter dem Kultusminister Adolf Grimme.

1982 beschloss die Bremerhavener Kultusministerkonferenz mit der Vereinbarung über die "Prüfung für den Hochschulzugang der besonders befähigten Berufstägigen" für die Immaturenprüfungen in allen Bundesländern einen verbindlichen Rahmen, dem sich aber Niedersachsen nicht anschloss, das seine landeseigene aber wesentlich offenere Prüfungsordnung beibehalten, aber 1984 modifiziert hat.[7] Bis heute gelten für Immaturenprüfung oder Begabtenprüfung in den deutschen Bundesländern und den einzelnen Fachrichtungen unterschiedliche Regelungen. Diese Möglichkeiten sind Teil des Zweiten Bildungsweges. Der Anteil unter allen Studienanfängern, die über Begabtenprüfungen zum Studium gelangen, liegt weiter unter einem Prozent.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Kern und Josef Rung: Begabtenprüfung Mathematik, Hinweise zur Prüfungsvorbereitung nach der Prüfungsverordnung über die Prüfung für den Hochschulzugang von besonders befähigten Berufstätigen (Begabtenprüfungsordnung). München: Maiss 1992
  • Karl Heinrich Kutschke: Studium ohne Reifezeugnis in Deutschland. Bestimmungen über die Zulassung besonders Begabter ohne Reifezeugnis zum Studium an den deutschen Hochschulen. Berlin: Struppe und Winckler 1929 (= Deutsches Hochschulwesen 3)
  • Lothar Schäffner und Rainer Zech: Immaturenprüfung, ein erwachsenengerechter Weg zum Hochschulstudium. Hannover: Lehrgebiet Erwachsenenbildung der Universität 1981
  • Andrä Wolter: Hochschulzugang im Umbruch? Die bildungspolitische Entwicklung des Hochschulzugangs für Berufstätige. Hans-Dietrich Raapke zum 65. Geburtstag. Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg 1994 (= Oldenburger Universitätsreden 63)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Anweisungen für die psychologische Auswahl der jugendlichen Begabten vom Ausschuss für Begabtenprüfungen im Institut des Leipziger Lehrervereins. Leipzig. Verlag der Dürr'schen Buchhandlung 1919
  2. Otto Bobertag und Ernst Hylla: Begabungsprüfung für den Übergang von der Grundschule zu weiterführenden Schulen. Langensalza: J. Beltz 1925
  3. Wolfgang Bauer: Sonderfälle der Hochschulreife für Berufstätige. Ein Beitrag zum Problem der Begabtenprüfung. Dissertation, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg 1952, S. 37
  4. Wolfgang Bauer: Sonderfälle der Hochschulreife für Berufstätige. Ein Beitrag zum Problem der Begabtenprüfung. Dissertation, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg 1952, 40ff.
  5. Otto Benecke: Studium ohne Reifezeugnis in Preußen. Amtliche Bestimmungen. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung 1925, Vorwort
  6. Hans Huber und Franz Senger: Das Studium ohne Reifezeugnis an den deutschen Hochschulen. Amtliche Bestimmungen. 3. Auflage. Berlin: Weidmannsche Verlagsbuchhandlung 1942
  7. Andrä Wolter: Hochbegabtenprüfung oder Studium auf Zeit? Alternative Organisationsmodelle für den Hochschulzugang aus dem Beruf. In: Hammer, Hans-Dieter und Leittreter, Siegfried (Hrsg.): Für eine Reform des Hochschulzugangs für Berufserfahrene: Hochschulzugang und zweiter Bildungsweg im Umbruch - auf dem Weg nach Europa. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung 1991, S. 68-86, hier S. 68

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