Reichsschulkonferenz

Reichsschulkonferenz

Die Reichsschulkonferenz wurde vom Reichsinnenministerium unter Erich Koch-Weser (DDP) vom 11. bis 20. Juni 1920 in Berlin einberufen, um das deutsche Schulsystem in der Weimarer Republik systematisch neu zu ordnen. Treibende Kraft war der sozialdemokratische Staatssekretär Heinrich Schulz.

Eingeladen waren etwa 650 Bildungsexperten, unter ihnen die namhaften deutschen Vertreter der Reformpädagogik mit ihren Zweigen der Arbeitsschule, der Landschulbewegung und der Einheitsschule um Johannes Tews, sowie die Vertreter der Kultusministerien der deutschen Länder, der Kirchen und maßgeblichen Verbände. Fast alle späteren Reformbestrebungen und bildungspolitischen Streitpunkte bis in die Gegenwart sind auf dieser Konferenz bereits vorgetragen und diskutiert worden.

Ein Hauptstreitpunkt war die Dauer der Grundschulzeit (vier oder sechs Jahre). Das Reichsgrundschulgesetz vom 28. April 1920 legte bereits vor der Konferenz die vierjährige Grundschule für alle verbindlich fest, womit die bisher üblichen privaten Vorschulen für spätere Gymnasiasten wegfielen. Das war vielen nicht genug, z. B. dem "Bund entschiedener Schulreformer" um Paul Oestreich.

Die Grundlage der Diskussion bildete zunächst der "Weimarer Schulkompromiss" der Parteien, die die Verfassung von 1919 in den Artikeln 135 bis 150 geprägt hatten: Danach sollte es eine für alle gemeinsame Grundschule geben, Volksschulen konnten aber auf Antrag der Eltern konfessionell eingerichtet werden. Der Religionsunterricht blieb ein ordentliches Unterrichtsfach unter Aufsicht des Staates. Die SPD trat für die kostenlose Einheitsschule auch in höheren Klassen sowie die Koedukation und wissenschaftliche Lehrerausbildung ein, die DDP hatte Bedenken gegen die Abschaffung des Gymnasiums, das Zentrum war mit den Kirchen strikt für Konfessionsschulen.

Die zahlreichen Ergebnisse der Konferenz blieben ohne direkte Umsetzung, da in der Reichstagswahl 1920 die Mehrheit der Weimarer Koalition verloren ging. Noch in die Weimarer Zeit fiel die Gründung der Pädagogischen Akademien (1925) durch den parteilosen preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker, mit der die Volksschullehrerausbildung wesentlich verbessert wurde. Auch die "Deutsche Oberschule" von Hans Richert als neuer Gymnasialtyp gehört zu ihren Wirkungen.

Literatur

  • Die Reichsschulkonferenz in ihren Ergebnissen, hg. v. Zentralinstitut, Leipzig 1921
  • Herwig Blankertz, Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Wetzlar 1992, S. 231 ff

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reichsschulkonferenz 1920 — Die Reichsschulkonferenz wurde vom Reichsinnenministerium unter Erich Koch Weser (DDP) vom 11. bis 20. Juni 1920 in Berlin einberufen, um das deutsche Schulsystem in der Weimarer Republik systematisch neu zu ordnen. Treibende Kraft war der… …   Deutsch Wikipedia

  • Arbeitsschule — nannte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Richtung der deutschen Reformpädagogik ihr Reformprojekt einer neuen Schule. Dabei wurde der Begriff sehr heterogen verstanden. Auf der Reichsschulkonferenz 1920 und in vielen anderen reformpädagogischen …   Deutsch Wikipedia

  • Bildung in Deutschland — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsches Bildungssystem — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Georg Michael Kerschensteiner — Georg Kerschensteiner (Georg Michael Kerschensteiner; * 29. Juli 1854 in München; † 15. Januar 1932 München) war ein deutscher Pädagoge und Begründer der Arbeitsschule. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Anliegen 3 Schriften …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Alfken — (* 3. Mai 1899 in Bremen; † 2. Januar 1994 in Hannover) war Reformpädagoge und ab 1947 leitender Ministerialbeamter in Niedersachsen. Leben Als jugendbewegter Schüler suchte Hans Alfken Kontakt zu Heinrich Vogeler und dessen künstlerisch… …   Deutsch Wikipedia

  • Reformpädagoge — Unter der Bezeichnung Reformpädagogik werden verschiedene Ansätze zur Reform von Schule, Unterricht und allgemeiner Erziehung zusammengefasst, die sich Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gegen Lebensfremdheit und …   Deutsch Wikipedia

  • Reformpädagogisch — Unter der Bezeichnung Reformpädagogik werden verschiedene Ansätze zur Reform von Schule, Unterricht und allgemeiner Erziehung zusammengefasst, die sich Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gegen Lebensfremdheit und …   Deutsch Wikipedia

  • Reformschule — Unter der Bezeichnung Reformpädagogik werden verschiedene Ansätze zur Reform von Schule, Unterricht und allgemeiner Erziehung zusammengefasst, die sich Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gegen Lebensfremdheit und …   Deutsch Wikipedia

  • Achtes Buch Sozialgesetzbuch — Das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist der Artikel 1 des Kinder und Jugendhilfegesetzes (KJHG= „Gesetz zur Neuordnung des Kinder und Jugendhilferechts“). Das KJHG umfasst die bundesgesetzlichen Regelungen in Deutschland, die die Kinder… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”