Jugendbewegung des 6. April

Jugendbewegung des 6. April

Die Jugendbewegung des 6. April (arabisch ‏شباب 6 ابريل‎) ist eine von Ahmed Maher und Israa Abdel Fattah gegründete Facebookgruppe, die zunächst Arbeiter aus Mahalla al-Kubra in Ägypten bei ihrem Streik am 6. April 2008 unterstützte[1], später gehörte sie zu den Initiatoren der Revolution in Ägypten 2011.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die beiden Gründer, der Ingenieur Ahmed Maher und die Personalsachbearbeiterin Israa Abdel Fattah, kannten sich bereits aus dem Wahlkampf der Al-Ghad-Partei 2005. Kurzzeitig keimten Hoffnungen auf demokratische Reformen auf, nachdem auf internationalen Druck Präsident Mubarak Oppositionsparteien zuließ, darunter auch die Al-Ghad-Partei von Aiman Nur. Maher und Fattah arbeiteten in der Parteizentrale von Al-Ghad („Der Morgen“) mit. Die Wahl verlief jedoch weder frei noch demokratisch, der Parteiführer Nour geriet vier Jahre in Haft. Maher und Fattah zogen sich enttäuscht aus der konventionellen Politik zurück.

Im März 2008 beschlossen beide, einen für den 6. April geplanten Arbeiterstreik der Spinnerei und Weberei Misr in der Stadt Mahalla al-Kubra zu unterstützen und gründeten zu diesem Zweck eine Facebookgruppe. Über das soziale Netzwerk riefen sie zu einem Generalstreik auf, mit dem gegen steigende Lebensmittelpreise protestiert werden sollte. In kurzer Zeit wurden so 76.000 Anhänger gewonnen. Es kam zu gewalttätigen Protesten mit mehreren Verletzen und zwei Toten. Zahlreiche Aktivisten wurden verhaftet, darunter auch Fattah, da sie zu den Protesten mit aufgerufen hatte. Daraufhin schwor sie dem politischen Aktivismus ab. Mitbegründer Maher sagte im Mai 2008 in der Washington Post: „Unsere Hauptaufgabe besteht darin, die Menschen über ihre Rechte aufzuklären, so dass sie wissen, wie sie ihre Handschellen aufbrechen und ihre Fußfesseln lösen können“.[2]

2011 mobilisierte die Gruppe Teile der Bevölkerung zur Revolution in Ägypten und erhob sich damit gegen das Regime von Muhammad Husni Mubarak. Sie bestand vor allem aus jungen, gut ausgebildeten Ägyptern, von denen viele bislang wenig mit Politik zu tun hatten. Die Gruppierung war ihrer Eigendarstellung zufolge „unabhängig von politischen Richtungen oder politischen Trends“. Ihre Mitglieder motivierte lediglich „die Liebe zu unserem Land und das Verlangen, es zu reformieren“. Ziel war der grundlegende Wandel hin zu einer Demokratie, insbesondere das Recht, Parteien gründen zu dürfen, das Ende der Notstandsgesetzgebung und eine neue, ideologiefreie Verfassung. Sie befürwortete eine Koalition aller Oppositionsfraktionen, unterstützte Mohamed ElBaradei und zeigte sich offen für eine Zusammenarbeit mit der Muslimbrüderschaft. [3]

Die Bewegung 6. April war 2011 für den Friedensnobelpreis nominiert.[4]

Hintergründe

Anfang der 1990er Jahre wurden das Ende vieler Zollschranken durch ein neues Abkommen zwischen IWF und Ägypten beschlossen. Dies hatte zur Folge, dass die Wirtschaft liberalisiert und stärker für den Export produzieren konnte; die gesteigerte Konkurrenz hatte wiederum eine Erhöhung der Bodenrente zur Folge. Die Erhöhung erschwerte die bäuerliche Kleinproduktion und trieb Hunderttausende in die Mittellosigkeit und in die Lage, nichts verkaufen zu können außer ihrer Arbeitskraft. Auch dies ging nicht immer reibungslos vonstatten, „veraltete“ Produktionsmittel und Privatisierung, um die Staatsfinanzen zu entlasten, führten häufig zu Stellenstreichungen. Gegen die daraus folgenden Auswirkungen gab es im April 2008 spontane Streiks. Diese wurden, wie beschrieben, über das Internet unterstützt.[5]

2004 gab es rund 300 Internetcafes in Kario. Heute besitzt ca. einer von zehn Ägyptern einen Computer mit Internetanschluss. Die sozialen Hintergründe der User sind unterschiedlich, auch wenn mit Sicherheit gesagt werden kann, dass der ärmere Teil der Bevölkerung nicht aktiv an der Gestaltung teilnehmen kann, auch wenn die Möglichkeit zu bloggen nicht nur der Elite zur Verfügung steht.[6] Während Anfang 2011 die arbeitende Bevölkerung weiter in anderen ökonomischen Konflikten steckt, entwickelte sich die Internetplattform weiter. So gab es im Konflikt zwischen der Hamas und Israel eine einseitige und projektive Stellungnahme für die Hamas, welche bereits 2009 nichtstaatliche politische Demonstrationen initiierte, also schon vor dem Aufruhr von 2011 im Maghreb und den Massendemonstrationen einflussreich in die Oppositionsbewegung intervenierte.[7]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. David Wolman: Cairo Activists Use Facebook to Rattle Regime, Wired Magazine, 20. Oktober 2008 (in englischer Sprache)
  2. Kritik am „Facebook-Mädchen“ Süddeutsche.de, 31. Januar 2011
  3. Lena Jakat: Die Kinder des 6. April und der Tag der Entscheidung Süddeutsche.de, 31. Januar 2011
  4. Karl Ritter, Bjoern H. Amland: Nobel Peace Prize 2011 For Arab Spring?. HUFFPOST WORLD, 29. September 2011
  5. Wildcat Nr. 82, Herbst 2008
  6. Courtney C. Radsch: Core to Commonplace: The evolution of Egypt's blogosphere. Arab Media & Society ISSN 1687-7721 Nr. 6, Herbst 2008 (Onlineausgabe mit gekürzten Referenzen); des Weiteren verfügbar: Textausgabe mit ungekürzten Referenzen: http://www.arabmediasociety.com/UserFiles/AMS6%20Courtney%20Radsch.pdf PDF (in englischer Sprache)
  7. Shapiro, Samantha M: Revolution, Facebook-Style, New York Times, 22. Januar 2009 (in englischer Sprache)

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