Sächsische Wollgarnfabrik

Sächsische Wollgarnfabrik
Lageplan des Gebäudekomplexes
Ansicht des stark gewachsenen Areals der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger nebst Auszeichnungsmedaillen, um 1890.
System der Antriebsstangen und -riemen in den Spül- und Trockenräumen der Firma Tittel & Krüger, um 1886.
Maschinensaal mit elektrischer Lichtanlage der Firma Tittel & Krüger, um 1886.

Die Sächsische Wollgarnfabrik Tittel & Krüger war eine Spinnerei in Leipzig. Mit über 100.000 Quadratmetern Geschossfläche ist sie heute Deutschlands größtes Industriedenkmal und Europas größter Gebäudekomplex der Gründerzeit. Die Größe des gesamten Areals beläuft sich auf 50.000 Quadratmeter.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Jahre 1866 gründete C. A. Tittel am Markt in Leipzig eine Seiden-, Garn- und Tapisseriewarenhandlung, deren Teilhaber 1869 A. A. Krüger wurde. 1875 erwarben Tittel & Krüger ein Grundstück an der Nonnenstraße und errichteten dort eine Dampffärberei.

1887 wurde die Sächsische Wollgarnfabrik Aktiengesellschaft, vormals Tittel & Krüger gegründet, die ab 1888 weitere Spinnereigebäude in einer repräsentativen Backsteinarchitektur errichtete. Der erste Bauabschnitt dieser Erweiterung war der Hochbau West (die heutigen Elsterlofts). Baubeginn des zweiten Bauabschnitts war 1897. Das Besondere an diesen Gebäuden ist, dass es sich nicht um reine funktionale Zweckbauten handelt, da die Architekten Pfeiffer & Händel (ab 1893 Händel & Franke), bekannt für ihre prestigeträchtigen Industriebauten, den Auftrag erhielten, eine aufwändige Architektur zu schaffen, die an Prächtigkeit weit über das Übliche hinaus ging.

1906 wurden große Aktienteile der Sächsischen Wollgarnfabrik von der Kammgarnspinnerei Bremen aufgekauft und der Nordwollkonzern gegründet.

1931 ging der Nordwollkonzern in Konkurs und die Wollgarnfabrik schloss sich mit der Sternwollspinnerei Bahrenfeld zusammen. Unter den Marken Schwan, Stern und Taube erreichten die Erzeugnisse auf Basis von Zephir-, Kaschmir- und Mohairwolle einen weltweit guten Ruf. Während des Zweiten Weltkrieges wurden hier Kurzbastfaserkammgarne produziert. Nach 1945 wurde die Wollgarnproduktion wieder aufgenommen. Im Jahr 1950 übernahm der Rat der Stadt Leipzig die Firma als Treuhandbetrieb, und im Oktober 1952 erfolgte die Überführung in Volkseigentum unter dem Namen VEB Leipziger Wollgarnfabrik.

Die Arbeiterin Margarete Rupp (1953)

Auch die 1880 gegründete Kammgarnspinnerei Stöhr & Co. in der Zschocherschen Straße, die 1921 die Leipziger Wollkämmerei und 1928 die Kammgarnspinnerei Gautzsch übernommen hatte, wurde beim Volksentscheid in Sachsen am 30. Juni 1946 auf Liste C gesetzt. Sie wurde in Form der beiden fortan eigenständigen Betriebe VEB Mitteldeutsche Kammgarnspinnerei (Mika) und VEB Leipziger Wollkämmerei (LWK) 1948 volkseigen. Im VEB Mika wurde Margarete Rupp 1953 Initiatorin der Hockaufbewegung.

Am 1. Januar 1969 wurden der VEB Leipziger Wollgarnfabrik, der VEB Mitteldeutsche Kammgarnspinnerei und der VEB Sächsische Kammgarnspinnerei Coßmannsdorf zum VEB Buntgarnwerke Leipzig zusammengeschlossen. Die Spinnerei Coßmannsdorf in Hainsberg war seit 1927 Mehrheitsaktionär der Kammgarnspinnerei zu Leipzig. 1978, 1980, 1982 und 1984 gewannen die Buntgarnwerke die Goldmedaille der Leipziger Messe.

1990 wurde die Produktion eingestellt.

Elsterlofts

Elsterlofts ist die jetzige Bezeichnung für den sogenannten „Hochbau West“ in der Nonnenstraße 21–21a im Stadtteil Plagwitz. Heute werden die Elsterlofts als Wohngebäude mit 185 Lofteinheiten sowie zwei Brückenlofts genutzt. Das 1888 von Pfeiffer & Händel projektierte und 1897 von Händel & Franke mit einem Anbau erweiterte Gebäude ist einer der frühen Stahlbetonbauten, das Tragwerk bilden Stahlbetonträger und stahlverkleidete Stahlbetonstützen in einem regelmäßigen Raster. Eine flussüberspannende Gebäudebrücke verbindet im zweiten und dritten Obergeschoss den Hochbau West mit dem 1906 von Händel & Franke ausgeführten „Hochbau Süd“ in der Holbeinstraße 14 im Stadtteil Schleußig, der ebenfalls zu Loftwohnungen umgebaut wurde.

Die BUGA-Partners-Verwaltungs GmbH verkaufte den Hochbau West 1999 an die JUS AG, die das Objekt zu Loftwohnungen umbaute und dafür im gleichen Jahr von der Deutsche Bank Bauspar AG bei einem Wettbewerb auf dem Gebiet Umbau und Umnutzung von industriellem, historischen Baubestand zu Wohnen, Arbeit und Freizeit mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde. 2006 gewannen die Elsterlofts als Teil des „Quartier an der Weißen Elster/am Karl-Heine-Kanal in Leipzig“ den dritten Preis des DIFA-Award 2006.

Literatur

  • Ursula Herrmann, Hannes Bachmann: Plagwitz. Aus der Geschichte des Vorortes und seiner Industrie. Rat des Stadtbezirkes Leipzig-Südwest, Leipzig 1986, S. 58–61.
  • Helga Jentzsch, Thomas Steinert: Plagwitz. Eine historische und städtebauliche Studie. Pro Leipzig e. V., Leipzig 2008.
  • Offenes Geflecht. Umnutzung der Buntgarnwerke in Leipzig zu Loftwohnungen. In: Bauhandwerk. 27 (2005) H. 11, S. 8–10.
  • Exkursion „Stadterneuerung in Plagwitz“. Stadt Leipzig, Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung, Leipzig 2004.
  • Julia Susann Buhl: Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870–1914 am Beispiel ausgewählter Bauten. Dissertation. Technische Universität, Berlin 2003 (Elektronische Ressource auf dem Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek)
  • Wohnungen in den Buntgarnwerken Leipzig. In: Architektur + Wettbewerbe. Teil 195 Neu genutzt! Karl H. Krämer, Stuttgart 2003, ISBN 3-7828-3195-0, S. 62–63.
  • Ursula Seibold-Bultmann: Kontrast als Antrieb. Leipzigs Industriedenkmäler als Herausforderung. In: Neue Zürcher Zeitung 17. März 2003.
  • Peter Fibich: Das Atrium der Buntgarnwerke oder Wohnen an der Weißen Elster. In: Leipziger Blätter. (2001) 38, S. 72–75.
  • Stefanie Sauerland: Vom Fabrikschloß bis zum Wohnrefugium. Die Buntgarnwerke. In: Leipziger Blätter. Sonderheft EXPO (2000), S. 38.
  • Frank Dietze: Plagwitz. Ein Leipziger Stadtteil im Wandel. Pro Leipzig e. V., Leipzig 1999, ISBN 3-9806474-5-5.

Weblinks

 Commons: Sächsische Wollgarnfabrik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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