Präsenz

Präsenz

Präsenz (aus frz. présence, Anwesenheit, Gegenwart, von gleichbed. lat. praesentia bzw. praesens) bedeutet Zugegensein, das Adjektiv „präsent“ (aus frz. présent) dementsprechend zugegen, anwesend sein; es handelt sich um Entlehnungen aus dem Französischen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Mithilfe des Begriffs „Präsenz“ kann auch im Deutschen die Indifferenz von räumlichem und zeitlichem Zugegensein aus den romanischen Sprachen mitgemacht werden. Das Fremdwort Präsenz wird in Zusammenhängen verwendet, in denen Anwesenheit oder Gegenwart von etwas in besonderer Weise auffällig erscheinen oder hervorgehoben werden sollen. Anders als französisch présence führt Präsenz außerdem eine Implikation von Verfügbarkeit mit sich, und ist dann wohl als Substantivierung des vergleichsweise jungen Adjektivs „präsent“ zu verstehen. Etwas ist präsent, wenn es (aufgrund von räumlicher Anwesenheit bzw. zeitlicher Gegenwart) „zur Hand“[1] ist, d.h. unmittelbar zur Verfügung steht.

Wortbildung

Anwesenheit (räumlich) und Gegenwart (zeitlich) sind in den romanischen Sprachen und dem Englischen, wie auch schon im lateinischen praesens ununterschieden. Die Wortbildung lässt sich nur umständlich wieder zurück ins Deutsche auflösen: Präsent ist etwas deshalb, weil keine Zeit vergeht, bis es zur Verfügung steht, und es vergeht dafür deshalb keine Zeit, weil es anwesend ist. Die scheinbare Tautologie entsteht durch die Auflösung der enthaltenen Einheit der Differenz von Raum und Zeit. Im Deutschen bleibt es zudem ohne Hilfswörter schwierig, Räumliches ohne zeitliche und Zeitliches ohne räumliche Metaphern zu beschreiben.

Verwendung

Verfügbarkeit

Neben seiner früh nachzuweisenden Verwendung im militärischen Kontext („präsent!“ = ‚zur Stelle‘, also Zur-Verfügung-stehen; „Präsenz zeigen“ = Anwesenheit demonstrieren) oder ähnlich im Sinne von ‚Geistesgegenwart‘ („ich bin präsent“ = mein Geist ‚steht mir/dir/uns zur Verfügung‘) kann durch die Rede von Präsenz auch in anderen Zusammenhängen die Verfügbarkeit von etwas konnotiert sein.

So ist ein Buch in einer Präsenzbibliothek nicht nur einfach anwesend oder gegenwärtig, sondern „präsent“, weil so der Modus seiner Verfügbarkeit besonders zum Ausdruck gebracht werden kann: Es wird nicht ausgeliehen, und das sichert sein ‚Zur-Hand-Sein‘, denn es ist immer da. Aber die ständige Anwesenheit des Buches im Regal ist für einen Nutzer genauso wenig interessant wie die Zeit, die es dort verbringt (d.h. was in der Zeit mit dem Buch noch passiert). Präsenz-Bibliothek bietet sich als Bezeichnung insofern an, als mit den Konnotationen der Verfügbarkeit ein instrumenteller Nutzen nahegelegt wird. Im Fall des Buches interessiert einzig die ‚Jederzeitigkeit‘ seiner Verfügbarkeit: Seine Anwesenheit wird aktuell (wird gleichzeitig) zu jedem beliebigen Zeitpunkt, da ein Nutzer auf den Bestand zugreifen möchte.

Hervorhebung

Präsenz, die man jemandem zuschreiben kann, bezieht sich auf ein Auffälligwerden seiner Anwesenheit bzw. Gegenwart. Wie schon oben angedeutet, können militärische Patrouillen genauso wie Polizeistreifen Präsenz zeigen. ‚Jederzeitigkeit‘ (s.o.) und Auffälligkeit hängen im Falle der gezeigten Präsenz zusammen. Die Jederzeitigkeit (oder ‚Allgegenwart‘) von Gesetz und Ordnung muss durch Auffälligkeit demonstriert werden, da das Gesetz nicht wirklich (auch nicht in Gestalt der Polizei) jederzeit überall sein kann (obwohl es das per Definition müsste, da es immer und überall gilt). Überhaupt scheint in verwaltungstechnischer Hinsicht der Bedarf am Begriff Präsenz stets im selben Maße zuzunehmen, als Komplexität und Größe der Strukturen eine wirklich ständig gleichzeitige Anwesenheit im eigentlichen Sinne unmöglich machen.

Präsenz (Person)

Erscheint jemand in Gesellschaft als in besonderer Weise auffällig, spricht man von Präsenz auch im Zusammenhang mit einzelnen Personen. Jemand kann Präsenz gewinnen durch die Art wie er oder sie spricht, sich an Gesprächspartner richtet usw. Gemeint ist weniger bloße Verhaltensauffälligkeit, als eher eine Art von individueller Ausstrahlung. Präsenz „haben“ heißt, man wird aufgrund seines Auftretens von anderen als irgendwie ‚verstärkt anwesend‘ empfunden, und dieser Eindruck ist von einer gewissen sozialen Relevanz. Ob damit im konkreten Fall ein Hervortreten von körperlichen, personalen oder sozialen Attributen gemeint sein soll, ist eine weiterführende Frage. Die Kategorie „Präsenz“ stellt die Antwort aber in den Kontext solcher Parameter wie Zeit (gleichzeitig/ungleichzeitig), Raum (nah/fern), Hervorhebung (auffällig/unauffällig) und Macht (verfügbar/unverfügbar).

Medienpräsenz und Absenz

Ähnlich wie in Gesellschaft können Personen auch im Kontext der Massenmedien Präsenz „gewinnen“. Man spricht hier von „Medienpräsenz“. Ein Politiker etwa kann versuchen, „in den Medien präsent“ zu sein, d.h. sich insbesondere durch häufiges oder spektakuläres Auftreten Aufmerksamkeit zu sichern. Präsenz ist auch in diesem Sinne so etwas wie ‚verstärkte Anwesenheit‘. Als Anwesender auffällig werden heißt hier: überhaupt anwesend sein in jenem Raum, der durch die Medien als Öffentlichkeit definiert wird.

Mit seiner Verwendung im Medienalltag gibt sich „Präsenz“ als deutlich modernes Konzept zu erkennen, oder genauer: als Wort einer Epoche, in der es auf solche eigentümliche Anwesenheit in der Zeit überhaupt erst ankommt. Wer präsent sein kann, schließt für sich das implizite Gegenteil aus, nämlich Absenz: eigentümliche Abwesenheit. Nach An- oder Abwesenheit kann in dieser Weise erst gefragt werden, wenn auch die Möglichkeit besteht, faktisch zu verschwinden, obwohl man weiterhin existiert. Als bestimmte Person (nicht: als real existierender Mensch) gibt es dafür in komplexen, modernen Gesellschaften durchaus Grund zur Befürchtung, z.B. für einen Politiker. Ein Politiker, der „nicht präsent in den Medien“ ist, existiert nicht (als solcher). Wenn er aufhört, sich zu präsentieren, verschwindet er (und zwar: „von der Bildfläche“, wie es in einer ebenfalls jüngeren deutschen Redewendung anschaulich heißt).

Bühnenpräsenz und Ko-Präsenz

Ähnlich wie über Personen im Alltag wird im Kontext des Theaters (aus der Perspektive der Zuschauer) von Bühnenpräsenz gesprochen. Damit wird nicht einfach die Tatsache bezeichnet, dass ein Darsteller auf der Bühne als ‚anwesend‘ oder ‚gegenwärtig‘ auffällt. Auch um ‚Verfügbarkeit‘ scheint es bei dem Phänomen auf den ersten Blick nicht zu gehen. Der Ausdruck bezeichnet vielmehr die Qualität einer Person, oder ihre Begabung, in Bühnensituationen eine besondere ‚Ausstrahlung‘ zu besitzen (auch: ‚Sendung‘), besonders ‚sicher‘ zu wirken oder ‚natürlich‘ aufzutreten.

Was genau Bühnen-Präsenz mit „Präsenz“ im eigentlichen Sinne zu tun hat, bleibt allerdings unklar. Das Konzept erscheint insbesondere deshalb erklärungsbedürftig, weil Bühnen an sich schon die Auffälligmachung von Personen bezwecken. Bühnenpräsenz wäre also die Eigenschaft, in dieser auffälligen Situation noch zusätzlich aufzufallen. Vielleicht aber auch eigentlich: dort eben nicht mehr als besonders hervorgehoben aufzufallen. Die Frage, was Bühnenpräsenz ist, sollte demnach von Soziologie und Theatertheorie näher erklärt werden.

In der Theatertheorie verbreitet ist außerdem die Rede von „leiblicher Ko-Präsenz“ (auch „(Ko)Präsenz“), die das auffällige Anwesendsein von mehreren Personen zur gleichen Zeit bezeichnet. Das Konzept bühnenspezifischer Präsenz wird gewissermaßen auf den Zuschauerraum ausgedehnt und bezieht sich auf die Anwesenheit von Akteuren und Beobachtern. Wer ko-präsent ‚ist‘, hat den Eindruck ‚Zeit zu teilen‘, und dies geschieht unter besonderer Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung körperliche Aspekte („Leiblichkeit“).[2]

Die Idee einer „Ko-“Präsenz hätte Einfluss auf die im Präsenzbegriff enthaltene Bedeutungsdimension Zeit (Gegenwart). Während Präsenz im Sinne von „Jederzeitigkeit“ als Hilfskonzept für den Anschein von Permanenz dient (s. Verfügbarkeit und Hervorhebung), drückt Präsenz als Ko-Präsenz den Eindruck von Gleich-Zeitigkeit aus (und verlangt deshalb eine klare Unterscheidung von „Gleichzeitigkeit“ und „Gegenwart“)[3]. Gleichzeitigkeit (das Zusammenfallen von Ereignissen) meint im Theater gewissermaßen das Zusammenfallen der Gegenwarten von Darstellern und Zuschauern. Versteht man Zeit als Symbol dafür, dass in einem bestimmten Moment „auch etwas anderes geschieht“[4], dann ist Kopräsenz das Symbol dafür, dass das, was noch geschieht, räumlich anwesend ist. Die Rede von Ko-Präsenz als ästhetischem Phänomen erscheint sinnvoll, wenn man sich vorstellt, dass hier Zeit in besonderer Weise „wahrgenommen“ wird: Nicht als Differenz von zwei Zeitpunkten im Verlauf der Ereignisse, sondern als Gegenwart – hervorgerufen durch die Präsentation der Akteure. Zeit würde also im Theater für die Teilnehmer buchstäblich sichtbar, und zwar in Form von körperlicher Anwesenheit. Zeit bleibt aber auch hier ein Differenzphänomen, denn sie wird als die körperliche Anwesenheit Mehrerer erlebt, die voneinander getrennt sind. Das Konzept der Ko-Präsenz verweist mithin auf das kognitionstheoretische Problem der Zeitwahrnehmung.

Präsenz von Aktien (Betriebswirtschaft)

Präsenz ist die am Tag der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien gemeldete und anwesende Anzahl der stimmberechtigten Aktien, ausgedrückt in Prozent des insgesamt stimmberechtigten Aktienkapitals. Empirische Untersuchungen belegen,[5] dass durch das Depotstimmrecht der Kreditinstitute eine Erhöhung der Präsenz auf Hauptversammlungen erfolgt. Grund ist, dass viele Aktionäre vorhandene Vollmachts- und Internetalternativen nicht nutzen und damit zur Verschlechterung der Präsenz beitragen. Je höher die Präsenz, umso geringer ist die Gefahr von Zufallsmehrheiten, die zu unerwarteten oder unzweckmäßigen Abstimmungsergebnissen führen können.

Die Präsenzen sind nach 1998 in der Folge des KonTraGesetzes deutlich gesunken. Lag bei DAX30-Gesellschaften im Jahr 1998 die durchschnittliche Präsenz noch bei 60,95 %, so ging sie auf 45,87 % im Jahr 2005 zurück; seit 2007 ist sie wieder angestiegen (56,42 %). Der Anstieg der Präsenzen nach 2005 dürfte insbesondere auf das Inkrafttreten des UMAG im November 2005 zurückzuführen sein,[6] das unter anderem die Hinterlegungserfordernisse als Teilnahmevoraussetzung abgeschafft hatte.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Pfeifer, Wolfgang (Hg.), Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München 2000.
  2. vgl. u.a. Fischer-Lichte, Erika, Ästhetik des Performativen, Frankfurt am Main 2004.
  3. Die passende Übersetzung des französischen Wortes coprésence wäre dann auch eher ‚Mit-Anwesenheit‘, während das Französische für die deutsche ‚Gleichzeitigkeit‘ das Wort simultaneité bereithält, also „Simultaneität“. Vgl. z.B. die Übersetzung der beiden Begriffe bei Jean-Paul Sartre, L'être et le néant. Essai d'ontologie phénoménologique: Ders., Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, übers. v. Hans Schöneberg und Traugott König, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 480.
  4. vgl. die systemtheoretische Zeitbestimmung bei Niklas Luhmann in ders., Soziale Systeme, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1984, S. 70.
  5. einen vollständigen Überblick verschafft Daniel Matthias Brickwell, Zu den Einflusspotenzialen der Grossbanken, Diss. 2002
  6. Bundestags-Drucksache 16/6136, S. 4

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