- Camelback (Lokomotive)
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Als Camelback wird eine amerikanische Dampflokomotivbauweise bezeichnet, deren überdachter Führerstand in die Mitte der Maschine, rittlings wie ein Sattel auf dem Dampflokomotivkessel, sitzt. Diese Besonderheit war aufgrund der Konstruktion der Lokomotive notwendig geworden, in deren Zentrum eine mit Anthrazitkohle beheizte, besonders große Feuerbüchse stand, welcher dem Lokführer nur einen sehr beschränkten Arbeitsplatz und eine äußerst schlechte Sicht gelassen hätte.[1] Nur der Heizer behielt seine Position an der Feuerbüchse, jedoch auf dem Tender stehend. Bei den frühen Camelbacks war er Wind und Wetter noch vollkommen ausgeliefert, später konnte er sich unter einem kleinen Winddach am Lokomotivheck etwas schützen.
Das Baumuster der Camelbacks wird heute im amerikanischen auch als „Mother Hubbard“ bezeichnet und umgekehrt.[2] Das war nicht immer so. Die frühen Maschinen wurden aufgrund ihrer Form als „Camels“, später „Camelbacks“ bezeichnet. Erst als ab 1877 die neue Bauart aufkam, erschien für diese der Name „Mother Hubbard“.
Ziel des Konstrukteurs Ross Winans (1796–1877) war es, eine besonders zugkräftige Dampflokomotive zu entwickeln, die gleichzeitig Kohle einsparte.[3]
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung
Vorläufer und frühe Jahre
In den frühen 1840er Jahren hatte die Baltimore and Ohio Railroad Interesse an einer Hochleistungs-Dampflokomotive für den Güterverkehr. So entstand von 1844 bis 1847 eine Lokserie mit dem Spitznamen „Muddigger“.[4]
1853 konzipierte und baute der amerikanische Erfinder und Ingenieur Ross Winans, welcher u.a. auch die „Muddiggers“ entwickelt hatte, die erste Camelback-Serie mit der Achsfolge D. Winans hatte große Erfahrung im Maschinenbau. Er war in den 1820er Jahren nach Baltimore gekommen und hatte bereits 1831 Personenwagen mit Drehgestellen ausgerüstet. Daher meldete er am 1. Oktober 1834 ein Patent für bewegliche Achsen an.[5] Neben seinen Arbeiten für die Eisenbahn, beschäftigte sich Winans und sein Sohn Thomas auch intensiv mit neuzeitlichem Schiffbau.[6]
Der langgestreckte Führerstand von Winans frühen Camelbacks reichte vom mächtigen Schonstein bis zur Feuerkammer und saß direkt über dem Kessel. Der hohe Zustieg fand über eine Treppe am Heck der Lokomotive statt. Der Arbeitsplatz des Heizers befand sich bei diesen frühen Modellen auf einer großen Plattform am Tender. Von dort konnte er, bei manchen Camelbacks unterstützt durch eine Rutsche, den Kessel mit Anthrazitkohle befeuern. Dieser Kohlentyp war die Ursache der Bauüberlegungen, da Anthrazitkohle zwar einen hohen Energiegehalt besitzt, diesen aber nur langsam abgibt, was große Feuerrostflächen und damit eine große Feuerbüchse notwendig macht.
Ab 1853 entwickelte Samuel Hayes, ein anderer Meister des amerikanischen Lokomotivbaues, eine Reihe Camelbacks mit der Achsfolge 2'C für den Personenverkehr. Mit Neuerungen in den 1870er Jahre wurde dieser frühe Camelback-Typ bis in die 1890er Jahre im Dienst gehalten und danach ausgemustert.
Geburt der „klassischen“ Camelback und finanzieller Erfolg
Die Camelbacks mit ihrem nachhaltig bekannt gebliebenen optischen Erscheinungsbild wurden erst ab 1877 gebaut. Meist gilt dieses Jahr als Geburtsjahr der eigentlichen Camelback. Auch diese Konstruktion besaß zunächst nur die Achsfolge 2'C, hatte sich indes von dem merkwürdigen Erscheinungsbild einer amerikanischen Ten-Wheeler, welche ihr Führerhaus auf dem Rücken trägt, vollkommen gelöst. Der Fahrstand war nun an die Flanken des Kessels heruntergesetzt und ließ die stets etwas unförmig wirkende Lokomotive doch in gewisser Weise schnittig werden. Immerhin erfüllte diese Maschine alle in sie gesetzten wirtschaftlichen Erwartungen. Im Vergleich zu den bisher auf den Strecken gelaufenen anderen Lokomotiven sparte eine Camelback dem Unternehmen Kosten von damals rund 2.000 Dollar pro Jahr (im Wert von rund 30.000 Dollar heute). Es gab die unterschiedlichsten Ausführungen.
Mangelnde Fahrzeugsicherheit und Ende
Die Camelbacks waren aufgrund ihres konstruktionsbedingten Aufbaus im täglichen Fahrbetrieb für Lokführer und Heizer nicht ganz ungefährlich. Beide mussten alleine ihren Dienst an zwei verschiedenen Arbeitsplätzen verrichten und konnten sich während der Fahrt nur schwerlich abstimmen oder unterstützen. Neben diesen Kommunikationsschwierigkeiten musste der Lokführer bei Unfällen auch um sein Leben bangen, saß er doch direkt über dem Kurbelgestänge. Der Heizer hingegen war trotz eines kleinen Schutzdaches an der Lokomotive auf dem Tender den Unbilden der Natur ausgesetzt und ohne Unterstützung.
Camelbacks wurden noch bis 1927 hergestellt. Danach kamen sie mehr und mehr aus der Mode und wurden ausgemustert oder zu herkömmliche Lokomotiven umgebaut.
„Camelbacks“ aus Europa
Soweit bekannt, fand keine Camelback den Weg über die Grenzen der Vereinigten Staaten von Amerika. Doch scheint man in Europa zumindest auf das Arbeitsprinzip dieser Lokomotiven aufmerksam geworden zu sein. Ab 1884 baute die belgische Firma Cockerill drei Maschinen mit dem Führerstand in der Mitte. Aufgrund belgischer Konstruktionsbedingungen wurde der Führerstand nur an die rechte Seite des Kessels gebaut, was die Streckensicht des Lokführers sehr stark einschränkte. Die Feuerbüchse dieser Lokomotiven wurde mit zwei Heizern über drei Feuertüren beschickt. Die Verständigung zwischen Heizern und Lokführer erfolgte über ein Sprachrohr. Den Maschinen war kein Erfolg beschieden. Nach einem Umbau wurden die beiden verbliebenen Lokomotiven während des Ersten Weltkriegs verschrottet.
Bedeutende Camelbacks
ALCO L-1
Die größte Camelback, die L-1 mit der Mallet-Achsfolge D'D, wurde im Jahre 1907 für die Erie Railroad von der Firma ALCO in drei Exemplaren gebaut (No. 2600–2602). Sie war zu ihrer Zeit die zugkräftigste Dampflokomotive auf dem amerikanischen Kontinent und wurde in den Allegheny Mountains, einem Teil der Appalachen, bei Steigungsfahrten eingesetzt. 1921 folgte ihr Ende als Camelback-Lokomotiven. Alle drei Maschinen erhielten einen Vollumbau, bei dem der Fahrstand nun konventionell an das Heck der Lokomotive verlegt und die Achsfolge auf (1'D)D1' geändert wurde. Im Jahre 1930 wurden die L-1 außer Dienst gestellt. Der Tender der L-1, welche ein Leergewicht von 192.300 Kilogramm hatte, fasste 32.000 Liter Wasser sowie 14.500 Kilogramm Anthrazitkohle.
Erhaltene Camelbacks
Hersteller Achsfolge Baujahr Bahngesellschaft und Klasse Betriebsnr. Standort Baltimore and Ohio Railroad (B&O) 2'C 1869 Baltimore and Ohio Railroad Nr. 217 B&O Railroad Museum, Baltimore, Maryland Baltimore and Ohio Railroad (B&O) 2'C 1873 Baltimore and Ohio Railroad Nr. 173 Museum of Transportation, St. Louis, Missouri ALCo 2'B1' 1901 Central Railroad of New Jersey Klasse P-6s Nr. 592 B&O Railroad Museum, Baltimore, Maryland Baldwin B 1903 Reading Company Klasse A-4b Nr. 1187 Letzte Dienstfahrt: 25. Mai 1967 Railroad Museum of Pennsylvania, Strasburg, Lancaster County ALCo 2'B 1905 Delaware, Lackawanna and Western Railroad Nr. 944 bis 955 Nr. 952 Museum of Transportation, St. Louis, Missouri Unternehmen, die Camelbacks bauten
- Danforth & Cook Locomotive Works (Danforth Locomotive Works), Paterson, New Jersey[7]
- American Locomotive Company (Alco), Schenectady, New York
- Baldwin Locomotive Works, Philadelphia ab 1902 Eddystone (Pennsylvania
- Brooks Locomotive Company, Dunkirk, New York
Gesellschaften, bei denen Camelbacks im Einsatz waren
- Atchison, Topeka and Santa Fe Railway
- Baltimore and Ohio Railroad[8]
- Central Railroad of New Jersey
- Chicago and Eastern Illinois Railroad
- Chicago and Indiana Coal Railroad
- Delaware and Hudson Railway[7]
- Delaware, Lackawanna and Western Railroad
- Erie Railroad
- Lehigh and Hudson River Railway
- Lehigh and New England Railroad
- Lehigh Valley Railroad[1]
- Long Island Rail Road
- Maine Central Railroad
- Missouri-Kansas-Texas Railroad
- Nashville, Chattanooga and St. Louis Railroad
- New York, Ontario and Western Railroad
- New York, Susquehanna and Western Railway
- Pennsylvania Railroad
- Reading Railroad
- Staten Island Rapid Transit
- Southern Pacific Railroad
- Union Pacific Railroad
- Wheeling and Lake Erie Railroad
Einzelnachweise
- ↑ a b Mike Schafer: Classic American Railroads, MBI Publishing Company, 2000, ISBN 0-7603-0758-X, S. 76 (englischsprachig)
- ↑ Brian Solomon: American Steam Locomotive, MBI Publishing Company, 1998, ISBN 0-7603-0336-3, S. 44 (englischsprachig)
- ↑ James D. Dilts: The Great Road, Stanford University Press, 1996, ISBN 0-8047-2629-9, S. 303 (englischsprachig)
- ↑ Lawrence W Sagle: A Picture History of B & O Motive Power, Simmons-Boardman, 1953, S. 43 (englischsprachig)
- ↑ Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise, 4. Auflage, Fischer Verlag, Frankfurt 2000, ISBN 3-596-14828-6, S. 194
- ↑ Robert C. Keith: Baltimore Harbor, JHU Press, 2005, ISBN 0-8018-7980-9, S. 79 (englischsprachig)
- ↑ a b J. Parker Lamb: Perfecting the American Steam Locomotive, Indiana University Press, 2003, ISBN 0-253-34219-8, S. 20 (englischsprachig)
- ↑ Kirk Reynolds, Dave Oroszi: Baltimore and Ohio Railroad, MBI Publishing Company, 2000, ISBN 0-7603-0746-6, S. 104 (englischsprachig)
Weblinks
Commons: Camelback locomotives – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- http://www.steamlocomotive.com/camelback/ (englischsprachig)
- http://www.rrmuseumpa.org/ Netzauftritt des Railroad Museum of Pennsylvania; besitzt eine Camelback (englischsprachig)
- http://transportmuseumassociation.org/railmotivepower.html Museum of Transportation, St. Louis; besitzt zwei Camelbacks (englischsprachig)
- http://www.borail.org/ Netzauftritt des Baltimore & Ohio Museum; besitzt zwei Camelbacks (englischsprachig)
Kategorien:- Triebfahrzeug (Vereinigte Staaten)
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