Grünenthal GmbH

Grünenthal GmbH
Grünenthal GmbH
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Rechtsform GmbH
Gründung 1946
Sitz Aachen
Leitung Harald F. Stock (Geschäftsführer), Stefan Genten, Eric-Paul Pâques, Alberto Grua, Klaus D. Langner, Jan Van Ruymbeke, Thomas Senderovitz, Heinz-Gerd Suelmann[1]
Mitarbeiter ca. 4.900 (2010)[2][1]
Umsatz 910 Mill. Euro (2010)[2]
Produkte Arzneimittel, Pharmazeutika
Website www.gruenenthal.com

Die Grünenthal GmbH ist ein 1946 in Stolberg (Rhld.) gegründetes Pharmaunternehmen mit Sitz in Aachen, das sich in Familienbesitz befindet. Das Unternehmen führte als erstes in der Nachkriegszeit Penicillin auf dem deutschen Markt ein, dessen Produktion damals von den Besatzungsmächten untersagt war. Größere Bekanntheit erlangte Grünenthal jedoch durch das von ihnen entwickelte Thalidomid, den Wirkstoff des von ihnen produzierten Schlafmittels Contergan, das 1957 auf den Markt gebracht wurde und in den 1960er Jahren Auslöser des Contergan-Skandals war. Grünenthal hat neben den beiden Niederlassungen in Deutschland Tochtergesellschaften in Europa, Lateinamerika, den USA und China und generiert mehr als 50 % seines Umsatzes mit Schmerzmedikamenten, wie dem von ihm entwickelten Wirkstoff Tramadol. Es ist Mitglied im Verband forschender Arzneimittelhersteller.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Stammhaus in Stolberg
Gebäude in Aachen

Die Gesellschaft wurde 1946 unter der Firma Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg (Rhld.) gegründet; erst später erfolgte die Umfirmierung in Grünenthal GmbH und die Sitzverlegung nach Aachen.

Penicillin

Die Grünenthal GmbH führte als erste in der Nachkriegszeit Penicillin auf dem deutschen Markt ein. Eine Aufklärung der Umstände, wie Forschungsleiter Heinrich Mückter in den Nachkriegsjahren in den Besitz von Penicillin-Stämmen gekommen ist, verweigert Grünenthal bis heute. Die Besatzungsmächte hatten zu dieser Zeit deutschen Firmen die Forschung an und die Herstellung von Penicillin untersagt. Der fast sichere Konkurs der Firma wurde durch die Einführung des Penicillins verhindert.[3]

Contergan

Fehlbildung durch den von Grünenthal entwickelten Wirkstoff Thalidomid
Hauptartikel: Contergan-Skandal

Größere Bekanntheit erlangte sie jedoch durch die Herstellung des Schlafmittels Contergan, das in den 1960er Jahren Auslöser des Contergan-Skandals war. Das Medikament mit dem von Grünenthal entwickelten Wirkstoff Thalidomid, das 1957 auf den Markt gebracht wurde, hatte zu schwerwiegenden Missbildungen (Dysmelien) bei Neugeborenen geführt. Obwohl schon 1.600 Hinweise auf Missbildungen bei Neugeborenen bei der Firma Grünenthal eingingen, wurde das Medikament erst vom deutschen Markt genommen, als die Zeitung Welt am Sonntag 1961 in einem Artikel über mögliche Gesundheitsschäden durch Contergan berichtete. Die Eltern der noch lebenden Kinder erreichten in Folge einen Vergleich mit Grünenthal. Nach Schätzungen von Experten führte das von der Firma Grünenthal verkaufte Medikament Contergan zum Tod von ca. 2.000 Kindern und zu schweren Missbildungen bei weltweit mehr als 10.000 neugeborenen Kindern, ca. 5.000 davon in Deutschland.

In den USA wurde Contergan die Zulassung verweigert, es wurde aber in großen Mengen zu Testzwecken verteilt, nachdem der amerikanische Hersteller Richardson-Merrell die Zulassung im September 1960 erstmals beantragt hatte. Die zuständige Sachbearbeiterin der US-Gesundheitsbehörde FDA, Frances Oldham Kelsey, hatte sich nicht auf die Angaben der Firma Richardson-Merrell verlassen, die keine Testergebnisse beinhalteten. Stattdessen wurden nur generelle Aussagen Grünenthals und des Marketing-Departments von Richardson-Merrell angegeben, und Geschäftsleute und Politiker übten Druck auf Kelsey aus. Sie forderte Richardson-Merrell auf, Tests durchzuführen und die Ergebnisse mitzuteilen. Die Firma weigerte sich und verlangte insgesamt sechs mal erneut die Zulassung zu gestatten, was jedes Mal abschlägig beschieden wurde. Im Jahre 1962 zog Richardson-Merrell dann den Antrag auf Zulassung zurück. Trotzdem wurden insgesamt 17 Kinder mit Contergan-bedingten Missbildungen geboren[4].

Zwischen 1997 und 2008 lehnte Grünenthal weitere Zahlungen der Firma an die Contergan-Geschädigten ab, da zu diesem Zeitpunkt die durch den Hersteller in die Conterganstiftung eingezahlten 110 Millionen Mark aufgebraucht waren. Ende 2007 plante der britische Unternehmer Nicholas Dobrik zusammen mit einer Gruppe von Opfern mit einer internationalen Kampagne Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe zu erzwingen. Dobrik war zuvor schon mit der vorhergehenden Kampagne gegen Diageo, der Nachfolgegesellschaft des ehemaligen britischen Lizenznehmers für Contergan, erfolgreich. Hier wird den Opfern bereits eine monatliche Zuwendung in Höhe von durchschnittlich 2.100 Euro gewährt[5]. Am 8. Mai 2008 gab Grünenthal bekannt, freiwillig 50 Mio. Euro in die Conterganstiftung einzahlen zu wollen, um die Lebenssituation der Contergan-Geschädigten dauerhaft verbessern zu helfen.[6]

In den Jahren 2006 und 2007 stand das Unternehmen in der Kritik, da es durch die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Hamburg die Ausstrahlung eines Fernseh-Zweiteilers mit dem Namen Eine einzige Tablette verhindern wollte. In diesem Film wird der Contergan-Prozess aufgearbeitet, der Film sollte ursprünglich im Herbst 2006 in der ARD laufen. Im Laufe des weiteren Verfahrens wurde den Anträgen der Gesellschaft wiederholt stattgegeben, da der Fernsehfilm Fiktion mit Realität vermischt und historische Daten nicht korrekt wiedergibt. Die Gesellschaft sah sich dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt.[5] Letztlich war der anderthalbjährige Prozess der Firma Grünenthal jedoch erfolglos, denn am 7. und 8. November 2007 wurde der Zweiteiler von der ARD und vom ORF2 ausgestrahlt.

In Folge des Contergan-Skandals wurden das Arzneimittelgesetz in Deutschland verschärft und neue Prüfungsauflagen für Pharmazeutika erschaffen. 1964 entdeckte der israelische Arzt Jacob Sheskin die positive Wirkung von Thalidomid bei der Leprabehandlung. Von den 1970er-Jahren bis 2003 gab Grünenthal Thalidomid-Tabletten ab, um Leprakrankenhäuser bei der Therapie des Erythema nodosum leprosum zu unterstützen. Die Abgabe erfolgte auf Anfrage der Weltgesundheitsorganisation (WHO). [7][8]

Weitere Entwicklung

Das Unternehmen konzentrierte sich später auf die Schmerztherapie und ist in diesem Bereich mit eigener Forschung und Entwicklung tätig.[9] Der von Grünenthal entwickelte Wirkstoff Tramadol war 2009 das in Deutschland am häufigsten verordnete Opioid.[10] Weitere Geschäftseinheiten in Deutschland sind die Gynäkologie, Antiinfektiva und Dermatika. Im Ausland bestehen lokale Geschäftseinheiten.[1]

Unternehmensstruktur

Das Unternehmen verfügt über mehrere Werkteile in Aachen und Stolberg sowie über Tochtergesellschaften im Ausland. Das Unternehmen versteht sich als Familienunternehmen. Alleiniger Gesellschafter ist zwar die Grünenthal Pharma GmbH & Co. Kommanditgesellschaft mit Sitz in Aachen, deren Anteile aber von der Familie Wirtz gehalten werden. Ihnen gehören auch die Dalli-Werke, ein Stolberger Unternehmen, welches Seife und Waschmittel herstellt, sowie deren Parfümerietochter Mäurer & Wirtz. Das manager magazin berichtete am 14. Februar 2005, dass sich der Umsatz der Firmengruppe Wirtz im Jahr 2003, mit rund 7.000 Mitarbeitern, auf ca. 1,3 Mrd. Euro belief.

Grünenthal wurde bis 1969 von dem Unternehmer Hermann Wirtz und anschließend bis 2005 u. a. von seinem Sohn Michael Wirtz geleitet; danach wurde dessen Sohn Sebastian Wirtz als Gesellschafter Mitglied der Geschäftsführung. Im November 2008 beschloss man, einen Vorsitzenden der Geschäftsführung (CEO) zu berufen, Sebastian Wirtz verließ die Geschäftsführung auf eigenen Wunsch.[11]

Produkte

Zu den Produkten gehören unter anderem die Empfängnisverhütungs-Pille Belara und die Schmerzmittel Tramal, Transtec, Palexia, Zaldiar, Norspan und Versatis. Mehr als 50 % seines Umsatzes generiert Grünenthal mit Schmerzmedikamenten.[12] in Zusammenarbeit mit der EFIC (European Federation of Chapters of the International Association for the Study of Pain) junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Realisierung innovativer, klinischer wie experimenteller Schmerzforschungsprojekte. Der EFIC-Grünenthal-Grant ist mit einer Gesamtsumme von 200.000 Euro weltweit einer der höchstdotierten Forschungspreise im Bereich Schmerz. Pro Projekt werden einzelne Stipendien von bis zu 30.000 Euro vergeben.[13]

Standorte

Grünenthal ist nicht nur in Deutschland, sondern vor allem in Westeuropa (Großbritannien, Irland, Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweiz, Österreich, Italien) und Lateinamerika (Mexiko, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru, Chile) vertreten; weitere Gesellschaften existieren in Zentral- und Osteuropa (Polen, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Kroatien, Russland), in China und den USA.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Grünenthal GmbH - Zahlen und Fakten am 3. Juli 2011.
  2. a b Jürgen Salz: Schmerzhafte Entscheidung bei Grünenthal. auf: wiwo.de, 15. Dezember 2009.
  3. Armin D. Steuer: Der Contergan-Erfinder. auf: Spiegel online - einestages. 19. November 2007.
  4. Report auf der Webseite der U. S. Food and Drug Administration
  5. a b Contergan-Firma droht Forderung in Milliardenhöhe. auf: Spiegel online. 10. November 2007.
  6. Grünenthal bietet Contergan-Betroffenen 50 Millionen Euro an - Lösung soll Lebenssituation der Betroffenen verbessern. Pressemitteilung, ehemals auf der Homepage der Grünenthal GmbH, jetzt im Webarchiv.
  7. Pharmazeutische Zeitung bezüglich Jacob Sheskin am 6. Juli 2011.
  8. Pharmazeutische Zeitung 30/2011: Contergan. Skandal mit Déjà-vu-Effekt
  9. Handelsblatt am 15. Oktober 2009: Grünenthal setzt auf Schmerztherapie. Abgerufen am 27. Oktober 2011.
  10. Annette Becker, Deutsche Angestellten-Krankenkasse Hamburg: Fokus Schmerzen: Analyse der aktuellen Versorgungssituation, S. 67f.. medhochzwei Verlag, Heidelberg 2011, ISBN 9783862160693. Online: Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  11. Ein neuer Manager leitet bald die Firma Grünenthal. In: Aachener Zeitung. 12. November 2008.
  12. EFIC-Grünenthal-Grant. (engl.)
  13. Informationen EGG EFIC GRUENENTHAL GRANT - about. (engl.)

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