- Close-Up (1990)
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Filmdaten Deutscher Titel Close-Up Originaltitel persisch نمای نزدیک
Nema-ye NazdikProduktionsland Iran,
FrankreichOriginalsprache Persisch Erscheinungsjahr 1990 Länge 98 Minuten Stab Regie Abbas Kiarostami Drehbuch Abbas Kiarostami Produktion Ali-Reza Zarrin Musik Kambiz Roushanavan Kamera Ali-Reza Zarrindast Schnitt Abbas Kiarostami Besetzung - Hossein Sabzian
- Mohsen Makhmalbaf
- Abolfazl Ahankhah
- Mehrdad Ahankhah
- Monoochehr Ahankhah
- Mahrokh Ahankhah
- Nayer Mohseni Zonoozi
- Ahmad Reza Moayed Mohseni als Familienfreund
- Hossain Farazmand als Reporter
- Hooshang Shamaei als Taxifahrer
- Mohammad Ali Barrati als Soldat
- Davood Goodarzi als Unteroffizier
- Haj Ali Reza Ahmadi als Richter
- Hassan Komaili als Gerichtsdiener
- Davood Mohabbat als Gerichtsdiener
- Abbas Kiarostami (Off-Stimme)
Close-Up (persisch نمای نزدیک, Nema-ye Nazdik) ist ein iranischer Film mit teils dokumentarischem, teils fiktivem Charakter aus dem Jahr 1990. Grundlage für den Regisseur Abbas Kiarostami war eine Reportage in einer Zeitschrift, derzufolge der arbeitslose Drucker und Cineast Sabzian sich bei einer reichen Familie als berühmter Filmregisseur (Mohsen Makhmalbaf) ausgegeben habe und als Betrüger vor ein Gericht gestellt worden sei. Kiarostami setzt diesen Plot für seinen Film um und lässt dabei Teile der Handlung durch die tatsächlichen Akteure nachspielen.
In Deutschland wurde der Film erstmals am 20. Juni 1993 auf ARTE gezeigt.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Mahrokh Ahankhah, eine ältere Dame, trifft in einem Bus auf den arbeitslosen Drucker Hossein Sabzian, der in dem Drehbuch zu Der Fahrradfahrer des berühmten iranischen Filmregisseurs Mohsen Makhmalbaf liest. Sie kommen darüber ins Gespräch. Sabzian gibt sich dabei als Mohsen Makhmalbaf aus und Frau Ahankhah erzählt von der Begeisterung ihrer Söhne für das Kino, insbesondere für Makhmalbafs Filme. Bevor Sabzian den Bus verlässt, gibt Frau Ahankhah ihm ihre Adresse.
Sabzian besucht daraufhin die Familie Ahankhah und besichtigt die Räume ihres Hauses, da er nach eigener Aussage dort einen Film drehen will. Bei weiteren Treffen beginnt er mit den beiden erwachsenen Söhnen für diesen Film zu proben. Er geht gemeinsam mit der Familie in einen Film von Makhmalbaf und leiht sich 1900 Toman für eine Taxifahrt und für ein Geschenk, das der getrennt lebende Sabzian seinem Sohn machen will.
Die Familie schöpft jedoch Verdacht, da Sabzian über eine aktuelle Preisverleihung an Makhmalbaf nicht informiert ist. Bei seinem nächsten Besuch wird Sabzian von der Polizei verhaftet. Die Polizisten sind gemeinsam mit dem Journalisten Hossain Farazmand in einem Taxi zum Haus der Familie gefahren. Der Journalist sieht in dem Fall eine einmalige Chance für eine sensationelle Reportage. Farazmands Artikel in einem wöchentlichen Journal wird vom Filmregisseur Abbas Kiarostami gelesen, der Sabzian in der Untersuchungshaft besucht. Kiarostami bittet den Richter um Erlaubnis, die Gerichtsverhandlung zu filmen.
Bei der Gerichtsverhandlung wird Sabzian vorgeworfen, dass er die Familie Ahankhah betrügen wollte oder sogar einen Einbruch in ihr Haus geplant hat. Sabzian, der den Betrug bereits gestanden hatte, stellt sich auf den Standpunkt, dass es ihm um die Kunst ging. Außerdem habe er den Respekt, der ihm als Regisseur entgegengebracht wurde, genossen. Er gelobt Besserung und schließlich vergeben ihm die betroffenen Mitglieder der Familie Ahankhah.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wird Sabzian mit einem Motorrad von Mohsen Makhmalbaf abgeholt. Er bringt den zu Tränen gerührten Sabzian zur Familie Ahankhah, wo er als Zeichen der Sühne einen Blumenstrauß übergibt.
Darstellungstechnik und Produktion
Close-Up wird als der „vielleicht komplexeste Film Kiarostamis“ angesehen,[1] der hinter der scheinbaren Einfachheit und Zweckmäßigkeit der Darstellung eine luzide Meditation über Erscheinung und Wirklichkeit verberge.[2]
Abbas Kiarostami gibt bei der Darstellung des Geschehens die Handlung nicht direkt und chronologisch wieder, sondern arbeitet mit Rückblenden, unerwarteten Verzögerungen und Perspektivwechseln.[3] Der Film beginnt mit der Taxifahrt des Journalisten und der zwei Polizisten, die Sabzian verhaften sollen, zum Ort des Geschehens, dem Haus der Familie Ahankhah. Der Journalist spricht voller Enthusiasmus über die Reportage, die er schreiben will, was bei dem Taxifahrer, einem ehemaligen Düsenjägerpiloten, nur auf mäßiges Interesse stößt. Beim Haus angekommen, werden die Erwartungen des Filmzuschauers enttäuscht, da die Kamera zunächst draußen bleibt. Der Taxifahrer sammelt dort Blumen aus einem Haufen Müll, tritt nach einer Spraydose, die dann in einer langen Einstellung von ca. 30 Sekunden die Straße herunterrollt. Nach der Verhaftung Sabzians tritt der Journalist gegen dieselbe Spraydose, als er in der Nachbarschaft verzweifelt nach einem Kassettenrecorder sucht. Erst später, in einer Rückblende während der Gerichtsverhandlung, wird das eigentlich für die Entwicklung der Handlung wichtige Geschehen aus der Perspektive Sabzians und der Familie Ahankhah im Inneren des Hauses wiedergegeben.[4]
Wie andere Filme von Kiarostami ist auch Close-Up insofern selbstreflexiv, als er das Filmemachen thematisiert.[5] Kiarostami beschäftigt sich in dem Film nicht nur inhaltlich, sondern auch formal mit der Rolle des Regisseurs. Nach dem ersten Abschnitt, der sich vor allem damit beschäftigt, wie der Journalist sich die Geschichte zu eigen macht, bis sie schließlich im Wochenblatt gedruckt werden kann, wird nun die Perspektive des Filmemachers Kiarostami selbst zum Gegenstand. Nachdem er aus der Zeitung von dem Fall erfahren hat, macht er sich auf die Suche nach Sabzian. Dabei besucht er zunächst die Polizisten in einer Kaserne, dann Sabzian im Gefängnis, wo er ihn um Erlaubnis bittet, seine Geschichte verfilmen zu dürfen. Zugleich stellt er in Aussicht, seinen Prozess voranzutreiben. In einer weiteren Szene bittet Kiarostami den Richter um Dreherlaubnis bei der Gerichtsverhandlung. Nachdem er diese erhalten hat, klärt er Sabzian über die beiden Kameras auf, welche die Gerichtsverhandlung aufzeichnen sollen. Während es sich bei der einen um ein Zoomobjektiv handelt, welches das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln verfolgen kann, ist eine weitere mit Close-Up-Einstellung direkt auf Sabzian gerichtet. Kiarostami instruiert Sabzian, sich immer an diese Kamera zu richten, wenn er sich vom Gericht nicht verstanden fühlt. In einem Interview hat Kiarostami dies als eine Art Begegnung zwischen Recht und Kunst beschrieben. Demnach ruhe die Filmtechnik auf diesen beiden Kameras, der einen, die das Gericht und den Prozess in juristischen Begriffen zeigt und die Kamera der Kunst, die auf geduldige Weise den Motiven und Leiden des Menschen Sabzian nachspürt.[6]
Die Technik des Filmemachens wird dem Zuschauer auch am Ende des Films ins Bewusstsein gerufen, als das Mikrofon während der Motorradfahrt von Sabzian und Makhmalbaf einen Wackelkontakt hat, so dass ihr Gespräch nur bruchstückhaft zu verstehen ist. Durch die Auslassung wichtiger Handlungselemente sowie durch die fragmentarische und facettenreiche Erzählweise versucht Kiarostami den Zuschauer „in ein Kollektiv der Erzählung“ einzubinden.[7]
Mit seiner Mischung aus dokumentarischen und fiktiven Elementen erkundet Kiarostami in Close-Up die oft brüchige Grenze zwischen Darstellung und Wirklichkeit.[8] Zum großen Teil sind die Szenen des Films von den Akteuren der tatsächlichen Begebenheit nachgestellt worden. In einem Interview sagte Kiarostami dazu: „Als ich Close-Up am letzten Abend sah, konnte ich mich nicht mehr erinnern, welche Sätze ich den Schauspielern vorgab und welche von ihnen kamen und ich mag das. Ich denke das Ideal ist, dass beide Seiten eine geschlossene Einheit bilden.“[9]
Nach einer Rezension im Rahmen der „Top 100“-Filmliste der „Arts & Faith“-Website bietet das Dokudrama eine Nahaufnahme („a close-up look“) auf das Ringen um Reue und Vergebung und eine Reflexion über die Selbstdarstellung und die Auswirkungen des Kinos auf unser Leben. Ein Thema des Films sei dabei der wechselseitige Zusammenhang zwischen Betrug und der Bereitschaft, sich Illusionen hinzugeben.[10] Der US-amerikanische Literaturkritiker Norman N. Holland bemerkt in dem Film den starken Drang der Protagonisten ihrem idealen Selbstbild nachzugehen, das häufig von der Realität abweicht. Gebrochen werde diese Getriebenheit durch „nicht-ereignishafte Momente“ und Verzögerungen des Handlungsablaufs in der filmischen Darstellung.[11]
Als Kiarostami in der Wochenzeitung über die Geschichte von Hossein Sabzian las, war er gerade bei Vorbereitungen für ein anderes Filmprojekt, das er jedoch nach einer Rücksprache mit seinen Auftraggebern vom Institut für die intellektuelle Entwicklung von Kindern und jungen Erwachsenen (Kanoon) in Teheran, zugunsten von Close-Up aufgab. Auch dieser Film wurde dann von Ali-Reza Zarrin von Kanoon produziert.
Veröffentlichung und Preise
Der Film wurde 1990 im Iran und Kanada, sowie am 30. Oktober 1991 in Frankreich veröffentlicht. In den USA wurde er erst ab Ende 1999 gezeigt. Als DVD erschien er 2010 bei The Criterion Collection.
- Spezialpreis der Jury beim 8. Fajr International Film Festival, Teheran 1990
- Silver R beim 3. Internationalen Film-Festival in Rimini, Italien 1990
- Preis der Quebec Critics Association beim 19. Internationalen Festival of New Cinema & Video in Montreal, Kanada 1990
- Mehrere Preise beim 5. Internationalen Film-Festival in Dunkerque, Frankreich 1991
- FIPRESCI-Preis beim 11. Internationalen Film-Festival in Istanbul, Türkei 1992
Rezeption
Close-Up wurde von den Cahiers du Cinéma zum fünften der zehn besten Filme von 1991 gewählt. Obgleich Close-Up von vielen Filmkritikern und insbesondere anderen Filmregisseuren, wie zum Beispiel Werner Herzog, gelobt wurde,[12] hatte er einen nur bescheidenen Publikumserfolg. Dieser Widerspruch wurde von Nanni Moretti im Kurzfilm Il Giorno della Prima di Close Up (1996) thematisiert, der den Tag dokumentiert, an dem Close-Up in Italien anläuft und Nanni Moretti als Inhaber eines unabhängigen Kinos vergeblich nach Zuschauern sucht.
„Eine komplexe Annäherung an soziale und menschliche Wertvorstellungen, geprägt von der vielschichtigen, auch humorvollen Auseinandersetzung mit dem Begriff Wirklichkeit“
Weblinks
- Close-Up in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Close-Up im Lexikon des Internationalen Films
- Urs Richter: „Der Regisseur spielt eine Rolle“, filmtext.com
- Nanni Moretti: „Il Giorno della Prima di Close Up“ auf Youtube.
Einzelnachweise
- ↑ Bert Rebhandl: „Poesie und Modernität“ In: Culturebase.net - The international artist database.
- ↑ Chris Darke: Light readings: film criticism and screen arts, Wallflower Press, 2000, ISBN 1903364078, S. 62.
- ↑ Jonathan Rosenbaum: „Abbas Kiarostami“, in: Mehrnaz Saeed-Vafa, Jonathan Rosenbaum (Hg), Abbas Kiarostami, University of Illinois Press, 2003, ISBN 0252071115, S. 1, 16.
- ↑ Vgl. Jonathan Rosenbaum: „Abbas Kiarostami“, in: Mehrnaz Saeed-Vafa, Jonathan Rosenbaum (Hg), Abbas Kiarostami, University of Illinois Press, 2003, ISBN 0252071115, S. 1, 17.
- ↑ Jonathan Rosenbaum: „Abbas Kiarostami“, in: Mehrnaz Saeed-Vafa, Jonathan Rosenbaum (Hg.), Abbas Kiarostami, University of Illinois Press, 2003, ISBN 0252071115, S. 1, 14 f.
- ↑ Wiedergeben in Noa Steimatsky: Pasolini on Terra Sancta: Towards a Theology of Film, in: Ivone Margulies (Hg.), Rites of realism: essays on corporeal cinema, Duke University Press, 2003, ISBN 0822330660, S. 243, Fn. 57.
- ↑ Janis El-Bira: Close-Up, Filmzentrale.
- ↑ Chris Darke: Light readings: film criticism and screen arts, Wallflower Press, 2000, ISBN 1903364078, S. 62.
- ↑ Eigene Übersetzung nachINTERVIEW: Films Without Borders: Abbas Kiarostami Talks About “ABC Africa” and Poetic Cinema, indieWIRE (7. Mai 2002)
- ↑ T. Fredricks: „Close Up (Nema-ye Nazdik)“ In: „Arts & Faith - The Top 100 Films“.
- ↑ Norman N. Holland: „Abbas Kiarostami, Close-Up, Nema-ye Nazdik, 1990.“
- ↑ Abbas Kiarostami's Close-Up at Film Forum.
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