Damaszener Frühling

Damaszener Frühling
Papst Johannes Paul II. in Damaskus - der Papstbesuch 2001 wurde als Zeichen der Aussöhnung zwischen den religiös-politischen Gruppen gesehen

Der Damaszener Frühling (französisch Printemps de Damas) war eine Periode intensiver politischer und sozialer Debatten in Syrien, welche nach dem Tod des langjährigen Diktators Hafis al-Assad im Juni 2000 begann, aber bis zu einem bestimmten Grad nur bis zum Herbst 2001 anhielt, da die meisten der damit verbundenen Aktivitäten von der Regierung unter Baschar al-Assad unterdrückt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Offiziell eine Volksrepublik, steht Syrien seit 1963 unter dem Notstandsgesetz und wird diktatorisch von der Baath-Partei regiert; das Staatsoberhaupt war seit 1970 ein Mitglied der Assad-Familie.

Unter Hafis al-Assad, Präsident von Syrien von 1970 bis zu seinem Tod im Jahre 2000, wurde jegliche politische Aktivität strikt kontrolliert, und von 1980 an war eine efektive Oppositionsaktivität nahezu unmöglich. Fünf Hauptsicherheitsorgane dienten vor allem dazu, abweichende politische Meinungen abzuhören: Durch den seit 1963 existierenden Ausnahmezustand wenden Militärgerichte das Kriegsrecht an und Sondergerichte verhandeln politische Fälle unter Missachtung von Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit. Politische Gefangene wurden routiniert gefoltert und unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangengehalten.

Von 1998 an schwächte sich der Grad der Repression merklich ab. Nach dem Tode von Hafis al-Assad im Juni 2001 wurde sein Sohn Baschar al-Assad als Präsident eingesetzt.

Ereignisse

Der Damaszener Frühling wurde vor allem durch das Aufkommen von verschiedenen muntadāt charakterisiert, auch als „Salons“ oder „Forums“ bezeichnet. Gruppen von gleichgesinnten Personen trafen sich in privaten Häusern, wobei Neuigkeiten des Ereignisses sich mündlich ausbreiteten und plitische Angelegenheiten und weitere soziale Fragen diskutiert wurden. Das Phänomen der Salons breitete sich rapide in Damaskus und in einem geringeren Ausmaß auch in anderen Städten wie Latakia und Aleppo aus. Langjährige Mitglieder der syrischen Opposition trugen zur Ausbreitung der Bewegung auch bei sich entschiedenerweise als apolitisch bezeichnenden Intellektuellen bei, darunter auch Omar Amiralay. Mitglieder der Syrischen Kommunistischen Partei und reformorientierte Baath-Mitglieder nahmen auch an der Debatte teil. Die bedeutendsten der Foren waren das Riad-Seif-Forum und das Nationale Jamal al-Atassi-Dialogforum.[1]

Der Damaszener Frühling kann so betrachtet werden, dass sie um eine gewisse Anzahl von politischen Forderungen mobilisierte, wie es im „Manifest der 99“ ausgedrückt wird, welche von bekannten Intellektuellen unterzeichnet wurde. Diese Forderungen waren vor allem die Aufhebung des Ausnahmezustands und die Abschaffung des Kriegsrechts und der Sondergerichte, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Rückkehr politischer Flüchtlinge ohne die Furcht vor Verfolgung und das Recht, politische Parteien und Bürgerorganisationen zu gründen. Zu diesen wurde oft die präzisere politische Forderung hinzugefügt, dass der Artikel 8 der syrischen Verfassung aufgehoben werden sollte. Dieser Artikel schreibt vor, dass die Arabische Sozialistische Baath-Partei den Staat und die Gesellschaft führt.

Der Damaszener Frühling hatte einen großen Einfluss in der arabischen Welt, und ursprünglich gab es einen beträchtlichen Optimismus, dass er zu echtem Wandel führen würde. Der Autor der staatlich-syrischen Zeitung Tishrin kündigte an, dass er die Absicht hatte, ein Komitee zu gründen, um bekannte Intellektuelle wie Maher Charif, Ahmad Barqawi und Yusuf Salameh bei der Herausgabe einer neuen Meinungsseite einzubeziehen, aber dies bleib bei Lippenbekenntnissen. Die Salons debattierten viele politische und soziale Fragen breiter Natur, von der Stellung der Frau zur Beschaffenheit der Erziehungsmethoden sowie die israelische Besetzung der palästinensischen Territorien.

Anfänglich zeigte sich das Regime unsicher darüber, wie man auf den Damaszener Frühling antworten solle. Im November 2000 wurden hunderte politischer Gefangener freigelassen, als das berüchtigte Mezze-Gefängnis geschlossen wurde. Letztendlich allerdings fiel das Regime zurück in seine versuchten Methoden der Unterdrückung. Nach einem Jahr, im Jahre 2001, bereiteten eine Reihe von Verhaftungen und die erzwungene Schließung der Salons dem Damaszener Frühling ein Ende. Einige der Forenteilnehmer und Organisatoren, die für eine längere Zeit eingesperrt wurden, waren Ma'mun al-Homsi und Riad Seif, die beschuldigt wurden, "die Änderung der Verfassung durch illegalen Weg zu beabsichtigen" und "zu rassischem und sektiererischen Unfrieden anzustiften". Sie wurden vom Damaszener Strafgericht für insgesamt fünf Jahre ins Gefängnis geschickt. Die anderen acht Aktivisten, Riad al-Turk, Aref Dalila, Walid al-Bunni, Kamal al-Labwani, Habib Salih, Hasan Sadun, Habib Isa und Fawwaz Tello wurden durch das Oberste Staatssicherheitsgericht zu Haftstrafen zwischen zwei und 10 Jahren verurteilt.[2]

Obwohl die Verhaftungswelle den Damaszener Frühling beendete, dauern seine Effekte an: Syrische Intellektuelle haben weitere Erklärungen herausgegeben, die das Manifest der 99 wiederholen, darunter die Erklärung von Damaskus; weiterhin haben kleinere Demonstrationen in Damaskus stattgefunden; und bis 2005 war es einem der Salons, dem Nationale Jamal al-Atassi-Dialogforum, erlaubt, sich zu betätigen. Das Atassi-Forum wurde geschlossen, nachdem ein Mitglied eine Aussage der verbotenen syrischen Muslimbruderschaft gelesen hatte, einer sunnitischen islamistischen Terrororganisation, die blutige Anschläge gegen die säkulare Regierung von Hafis al-Assad in den frühen 1980er Jahren verübte und tausende Regierungsbeamte und Anhänger der religiösen Minderheit der Alawiten ermordete. Die syrische Muslimbruderschaft schreckte auch nicht vor Massenmorden unter der syrischen Zivilbevölkerung zurück, was im Massaker von Hama kulminierte. Doch auch das Regime machte es klar, dass eine Kollaboration mit der Muslimbruderschaft, obwohl die Exilführerschaft als die mit abstand stärkste Oppositionsbewegung in Syrien betrachtet wird, eine "rote Linie" darstellt, die nicht überschritten werden dürfe.

Nachwirkungen

Als Folge auf den intensiven internationalen Druck auf das syrische Regime nach dem Tod des libanesischen Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri im Februar 2005 und der Veröffentlichung des UN-Mehlis-Berichts, wurden die Intellektuellen Syriens wieder freimütiger. Demokratie- und Menschenrechtsaktivisten wie Wissam Tarif[3] führten darin fort, wieder in ihrem Ruf für demokratischen Wandel innerhalb Syriens aktiv zu werden, obwohl sie aus dem Land vertrieben wurden. Im späten Oktober 2005 wurde eine Erklärung, die zu einer demokratische Reform aufrief, vom größten Teil der Opposition ausgestellt, einschließlich der radikalislamischen Muslimbruderschaft. Die Regierung hat sich bislang von jeglicher ernsthafter Aktion gegen die Unterzeichner zurückgehalten. Am 18. Januar 2006 ließ die Regierung 5 politische Gefangene, die mit dem Damaszener Frühling verbunden waren, frei - was Analysten als einem Versuch bezeichneten, Unterstützung für die mitgenommene Regierung nach dem beispiellosen internationalen Durck infolge des Attettats auf Hariri zu sammeln.[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kein Raum zum Atmen, 16. Oktober 2007
  2. Menschenrechtsbeobachtung Damaszener Frühling
  3. Stiftung für die Verteidigung der Glaubenshäftlinge - FDPOC
  4. Syrien befreit 5 politische Aktivisten - washingtonpost.com

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