Le Rêve (Gemälde)

Le Rêve (Gemälde)
Le rêve (Der Traum)
Pablo Picasso, 1932
Öl auf Leinwand, 130 cm × 98 cm
Privatbesitz Stephen A. Wynn, Las Vegas, USA

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(Bitte Urheberrechte beachten)

Le Rêve (Französisch Der Traum) ist ein Ölbild (130 × 97 cm) von Pablo Picasso, datiert auf den 24. Januar 1932. Picasso war damals 50 Jahre alt. Es stellt seine 22-jährige Geliebte Marie-Thérèse Walter dar. Es soll an einem Nachmittag gemalt worden sein und gehört zu Picassos Serie verzerrter Darstellungen seiner geheimgehaltenen Geliebten.

Inhaltsverzeichnis

Werk

Wie die meisten Werke Picassos sind auch diese autobiografisch zu verstehen.[1] Sämtliche Bilder der Serie sind offensichtlich stark erotisch aufgeladen und feiern die körperlichen Freuden. Die Abweichungen vom Augenschein ermöglichen es, Erfahrungen bildlich wiederzugeben, die sonst nicht darstellbar wären und auch der Sprache nicht zugänglich sind.

„Diese Bilder unterscheiden sich von anderen durch ihre starke, unmittelbare Sexualität. Sie weisen ohne jede Zweideutigkeit auf das Erlebnis der körperlichen Liebe mit dieser Frau hin. Sie beschreiben sinnliche Erfahrungen und - vor allem - das Gefühl sexueller Befriedigung. Selbst wenn Marie-Thérèse bekleidet [...] ist [...], sieht er sie nicht anders: zart wie eine Wolke, unbeschwert, von offenkundiger Sinnenfreude und unerschöpflich in dem, was sie an Vitalität und Gefühlen verkörpert. Die Macht, die eine Frau durch ihren Körper über einen Mann ausüben kann, ist in der Literatur oft beschrieben worden. Doch Worte sind abstrakt und verbergen ebenso viel wie sie enthüllen. Ein Bild nach die beglückenden Gesetzmäßigkeiten der Sexualität auf viel natürlicher Weise deutlich. Man braucht nur an die Zeichnung einer Brust zu denken und sie dann mit den Assoziationen zu vergleichen, die dieses Wort allgemein auslöst. Für Sexualität in ihrem ganz ursprünglichem Sinn gibt es keine Worte, höchstens Geräusche; doch es gibt Formen.“

John Berger: Glanz und Elend des Malers Pablo Picasso, Seite 190-191

Picasso hat selbstverständlich auch das Wechselspiel von Form und Grund gekannt (Vexierbild); gerade durch die kubistischen Techniken, wo jede Form für sich stehen kann, im Zusammenhang mit anderen Formen unter Umständen jedoch andere Bedeutungen annimmt, war er zweifellos dafür sensibilisiert. Anscheinend hat er Mehrdeutigkeiten aber nicht systematisch untersucht und provoziert, da sie in seinem Werk relativ selten vorkommen. Hier kann die hintere Hälfte des Gesichts leicht und unzweideutig als erigierter Penis gelesen werden, wenn man einmal darauf aufmerksam geworden ist; ob sich dies zufällig ergeben hat oder bewusst so gestaltet wurde, ist unbekannt. Das Spiel der Hände in Schoßbereich ist offensichtlich sexuell anzüglich.

Erotische Inhalte sind in Kunstwerken seit jeher zu finden, mehr oder weniger versteckt, wie es die gesellschaftlichen Umstände erforderten; diese Eigenart des Gemäldes ist also nicht unbedingt bemerkenswert, höchstens die Offensichtlichkeit und Deutlichkeit der Gestaltung.[2] Außerdem kann man nach Sigmund Freud in so ziemlich jede Form irgendetwas Erotisches hineinsehen, wenn man unbedingt will; die Frage ist, was damit ausgesagt wird. Männer haben verschiedentlich behauptet, das Bild sage aus, dass diese Frau nur Sex im Kopf habe; so zum Beispiel der Picasso-Biograf John Richardson.[3] Der jetzige Besitzer sieht das anders und hat gute Gründe dafür:

„Meine Wahrnehmung der sexuellen Aspekte des Bildes ist: Wenn Sie ein 51-jähriger Mann sind und Sie haben eine 21-jährige Freundin, dann ist klar, dass dies die Phantasie von Picasso ist, nicht die seiner Geliebten. Jeder 51-jährige Mann würde wünschen oder hoffen, dass sie von seinen Körperteilen träumt. Wenn Sie diese Ansicht übernehmen [...], wäre ein passenderer Titel Prendre ses désires pour des réalités, übersetzt als Wunschdenken.“

Kelly Devine Thomas: Say It with Flowers—or Gourds, Goats, Fur Cups, or Fried. In: ARTNews, September 2006[2][4]

Provenienz

Le Rêve wurde im Jahr 1941 von Victor und Sally Ganz aus New York City für 7.000 US-Dollar gekauft. Damit nahm die Ganz-Sammlung eine bedeutende Neuausrichtung an; Victor Ganz beschrieb dies manchmal als Liebesaffäre mit Picasso (im Jahr 1956 kaufte das Ehepaar sogar eine ganze Serie: Die Frauen von Algier,[5][6] Variationen nach Die Frauen von Algier[7] von Eugène Delacroix). Victor starb 1987, Sally 1997; anschließend wurde die gesamte Sammlung, die sich auf Picasso, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Frank Stella, und Eva Hesse konzentrierte, am 11. November 1997 bei Christie's versteigert. Le Rêve erzielte einen unerwartet hohen Preis: 48,8 Millionen US-Dollar, zu diesem Zeitpunkt das sechst-teuerste Gemälde (das zehnt-teuerste, wenn man die Inflation berücksichtigt). Die gesamte Kollektion erzielte mit über 200 Millionen US-Dollar einen Rekord im Verkauf einer privaten Sammlung, für deren Erwerb insgesamt etwa 2 Millionen US-Dollar aufgewendet worden sind.

Der Käufer scheint der Österreicher Wolfgang Flöttl gewesen zu sein, der Ende der Neunzigerjahre auch kurz im Besitz von Van Goghs Portrait Dr. Gachet war[8]. 2001 verkaufte er unter finanziellem Druck Le Rêve an den Casino-Magnaten Steve Wynn für geschätzte 60 Millionen US-Dollar.[9]

Zwischenfall

Das Gemälde wurde das Herzstück der Sammlung Wynns; er hatte sogar in Betracht gezogen, Wynn Las Vegas danach zu benennen. Im Oktober 2006 eröffnete Wynn einer Gruppe von Reportern und befreundeten Kolumnisten, darunter Barbara Walters, Nora Ephron und Nicholas Pileggi, dass er am Tag zuvor vereinbart hatte, Le Rêve für 139 Millionen US-Dollar an Steven A. Cohen zu verkaufen. Zu dieser Zeit wäre es damit das teuerste Kunstwerk aller Zeiten gewesen.

Während Wynn das Gemälde seinen Freunden zeigte und dabei gestikulierte, stieß er seinen Ellbogen versehentlich durch die Leinwand und verursachte damit einen etwa 15 cm langen Riss im linken Unterarm der Figur.[10] Ephron bot als Erklärung an, dass Wynn beim Sprechen wilde Gesten benutzt und unter Retinitis pigmentosa leidet, was sein peripheres Sehen beeinträchtigt. Der potentielle Käufer sprang daraufhin ab. Später beteuerte Wynn, daß er das Ereignis als ein Zeichen versteht, das Gemälde nicht zu verkaufen.[11]

Nach einer 90.000 US-Dollar teuren Reparatur war das Gemälde wiederhergestellt; der Wert wurde jetzt auf 85 Millionen US-Dollar geschätzt. Wynn wollte nun den Differenzbetrag von 54 Millionen US-Dollar zum seinerzeit vereinbarten Verkaufspreis von 139 Millionen von seinem Versicherer Lloyd’s of London eintreiben, was etwa seinem Kaufpreis entsprochen hätte. Als der Versicherer sich weigerte, erhob Wynn im Januar 2007 Klage.[12][9] Der Fall wurde schließlich im März 2007 außergerichtlich geregelt.[13]

Literatur

  • John Berger: Glanz und Elend des Malers Pablo Picasso. Rowohlt, Hamburg 1973, ISBN 978-3499250453 (Original The Success and Failure of Picasso, ISBN 978-0679737254, erschienen 1965)
  • Francoise Gilot, Carlton Lake: Leben mit Picasso. Diogenes Verlag, Zürich 1987, ISBN 978-3257215847
  • Arianna Stassinopoulos Huffington: Picasso. Genie und Gewalt. Ein Leben. Droemer Knaur, München 1992, ISBN 978-3426263990
  • Ingrid Mössinger, Kerstin Dechsel, Beate Ritter: Picasso et les femmes – Picasso und die Frauen. Dumont, Köln 2005, ISBN 3-8321-7529-6.
  • Olivier Widmaier Picasso: Picasso – Porträt der Familie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005, ISBN 3-423-34135-1.

Einzelnachweise

  1. "Das Werk, das man malt, ist eine Art, Tagebuch zu führen." In: L' Intransigeant. Paris 15. Mai 1932 (Picasso im Gespräch mit E. Tériade ,1932). Zitiert nach Picasso: Über Kunst. Diogenes Verlag, Zürich 1982, ISBN 3-257-21674-2
  2. a b Kelly Devine Thomas: Say It with Flowers—or Gourds, Goats, Fur Cups, or Fried. In: ARTNews, September 2006, abgerufen 7. September 2010
  3. Alfred Welti: Picassos Werk ist ein verschlüsseltes Tagebuch mit einer Menge Lügen. Interview mit John Richardson. In: art. Das Kunstmagazin, Ausgabe: 04 / 1998, Seite: 32-35, abgerufen 7. September 2010
  4. Las Vegas casino mogul Stephen A. Wynn, who owns Le rêve, told ARTnews, “My take on the sexual aspect of the picture is if you are a 51-year-old man and you have a 21-year-old girlfriend, the fantasy is Picasso’s, not hers. Any 51-year-old man would be wishing or hoping that she was dreaming of his body parts. If you take this view,” he continues, “a more appropriate title would be Prendre ses désires pour des réalités, translated as Wishful Thinking.” Abgerufen 7. September 2010
  5. Charlie Finch: royal flush. In: artnet, abgerufen 8. September 2010
  6. Alexandra A Jopp: The East, the West, Delacroix and Picasso. 29. März 2010, abgerufen 8. September 2010
  7. Eugène Delacroix: Frauen von Algier
  8. Lee Rosenbaum "Dr. Gachet "Sichten: es war Flöttl!, CultureGrrl, 26. Januar 2007, abgerufen 7. September 2010
  9. a b Marc Spiegler: Vom Traum zum Alptraum In: Artnet.de, 17. Januar 2007 (englisch). Abgerufen 7. September 2010
  10. Nora Ephron: Mein Wochenende in Vegas. In: The Huffington Post , 16. Oktober 2006, abgerufen 7. September 2010.
  11. Nick Paumgarten: Die $ 40-Millionen Ellbogen. In: The New Yorker , 23. Oktober 2006, abgerufen 7. September 2010
  12. Steve Wynn's Bad Dream. Vegas mogul sues Lloyd's over $54 million damaged Picasso claim. In: The Smoking Gun, 11. Januar 2007. Abgerufen 7. September 2010
  13. David Glovin: Wynn Settles Insurance Suit With Lloyd's Over a Torn Picasso. Bloomberg, 23. März 2007. Abgerufen 7. September 2010


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