Entmietung

Entmietung

Unter Entmietung versteht man heute das Entfernen aller Mieter aus einem Mietshaus. Historisch war die Entmietung ein Instrument der „Arisierung“ und Entrechtung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Zum Teil werden dabei illegale Methoden (z. B. Absperren des Wassers) angewendet.

Inhaltsverzeichnis

Entmietungsgesetz von 1939

Das Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. Juni 1939, auch Entmietungsgesetz genannt, entrechtete die jüdische Bevölkerung auf dem Wohnungsmarkt. Die Wohnungen der jüdischen Bevölkerung wurden von den Wohnungsämtern "arischen" Interessenten angeboten und die Wohnungen ohne Rücksicht auf die bestehenden Mietverträge der Juden "entmietet".[1]

Entmietung und Hausbesetzungen

In vielen deutschen Städten kam es ab Anfang der 1970er Jahre zu Hausbesetzungen. Diese Form des Protestes richtet sich auch gegen Entmietungen. Den Hintergrund bildeten die Folgen des deutschen Mietrechts für Wohnraum im Zusammenspiel mit dem ökonomischen Wunsch der Besitzer, Wohnimmobilien abzureißen und durch Neubauten (damals überwiegend Büroimmobilien) zu ersetzen, der von der Stadtplanung gestützt wurde.

Ein Abriss setzt das Beendigen der bisherigen Mietverhältnisse aller Mieter voraus. Das deutsche Mietrecht sieht jedoch nur sehr begrenzte Möglichkeiten vor, eine Mietvertragskündigung aus wirtschaftlichen Gründen vorzunehmen. In den 1970er Jahren bestanden darüber hinaus keine Möglichkeiten, Wohnungen befristet (bis zum Abriss) zu vermieten. Die einzige Möglichkeit, ein Objekt zu entmieten, bestand daher darin, über einen längeren Zeitraum die natürliche Fluktuation der Mieter zu nutzen und die freiwerdenden Wohnungen leer stehen zu lassen. Die verbleibenden Mieter mussten über Ausgleichszahlungen und Ersatzwohnungen überzeugt werden, den Mietvertrag zu beenden. Der damit verbundene Leerstand des knappen Wohnraums, wurde als Folge der Spekulation kritisiert und Anlass für Hausbesetzungen. Dies galt insbesondere im Frankfurter Häuserkampf. In Frankfurt am Main wurden anstelle der bisherigen Häuser Hochhäuser errichtet. Dies setzte die Entmietung nicht nur einzelner Häuser sondern von Blocks nebeneinander liegender Häuser voraus, wodurch ganze Häuser über längere Zeiträume leer standen.

Das Schlagwort von der Entmietung reflektierte noch einen anderen Sachverhalt. Naturgemäß waren die Hauseigentümer nicht daran interessiert, in Häuser, deren Abriss vorgesehen war, zu investieren. Es wurden lediglich die unvermeidlichen Reparaturen vorgenommen, die Häuser verfielen daher. Da gleichzeitig die Bereitschaft der Mieter, Abfindungsangebote anzunehmen, um so höher war, je schlechter der Zustand der Wohnungen war, wurde vielfach der Vorwurf gegen die Hauseigentümer erhoben, die Häuser bewusst zu zerstören.

Rechtliche Bewertung

In welchem Umfang dieser Vorwurf zutraf, ist schwer zu belegen. Eine Nichtvornahme von Investitionen ist im Regelfall nicht strafbar. Dem Mieter steht zwar ein Recht auf Mietminderung zu. Diese Kosten sind jedoch geringer als die ökonomischen Kosten des rechtlich erzwungenen Leerstandes. Eine bewusste Zerstörung der Mietsache mit dem Ziel einer Entmietung würde den Straftatbestand der Nötigung erfüllen. Zu einer nennenswerten Zahl von Verurteilungen von Hauseigentümern ist es zu keiner Zeit gekommen. Dies kann entweder daran liegen, dass diese illegale Praxis weniger verbreitet war, als in der politischen Debatte und den Medien dargestellt oder dass die Beweissituation hier schwierig ist und eine Strafverfolgung verhindert.

Entmietung heute

Aufgrund der Erfahrungen der Diskussionen der 1970er Jahre wurden befristete Mietverträge in Deutschland zugelassen. Hierdurch konnte der Leerstand deutlich gesenkt werden. Auch wurde die Verdrängung von Wohnraum durch Bürogebäude in vielen Städten durch Zweckentfremdungsverordnungen massiv eingeschränkt. Ab den 1980er Jahren wurde der Begriff der Entmietung primär im Zusammenhang mit dem Versuch der Erhöhung der Miete sowie der sogenannten „Luxussanierung“ verwendet.

Eine Mieterhöhung ist in Deutschland an Bedingungen geknüpft und der Höhe nach geregelt. Aufgrund der in den 1970er und 1980er Jahren stark gestiegen Mieten entstand eine wachsende Differenz zwischen den Bestandsmieten und den Mieten bei Neuvermietung. Dies schaffte für Immobilienbesitzer einen Anreiz zur Entmietung von Bestandswohnungen.

Der zweite Themenkomplex, in dem von Entmietung gesprochen wird, ist die Sanierung von Altbauten mit dem Vorwurf der „Luxussanierung“. Hierbei werden Altbauten mit niedrigem Mietniveau und aufgrund eines Investitionsstaus schlechter Bausubstanz zu hochpreisigem Wohnraum saniert oder durch hochpreisige Neubauten ersetzt. Auch hier ist eine Beendigung aller Mietverhältnisse vor Beginn der Maßnahme notwendig. Häufen sich derartige Maßnahmen in einem Stadtteil, spricht man von Gentrifizierung.

Einzelnachweise

  1. Angelika Baumann, Andreas Heusler: München "arisiert": Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit, 2004, ISBN 3406517560, Seite 120-121, Online
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