Erich Müller-Gangloff

Erich Müller-Gangloff

Erich Müller-Gangloff (* 12. Februar 1907 in Roth, Landkreis Kusel; † 23. Februar 1980 in West-Berlin) war ein deutscher Publizist, evangelischer Akademie-Direktor und Friedensaktivist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Müller-Gangloff besuchte die Oberrealschule in Berlin. Anschließend studierte er Germanistik und Geschichte in Berlin, Innsbruck und Marburg, wo er im Fach Germanistik mit einer sprachgeschichtlichen Arbeit zum Dr. phil. promoviert wurde. Seit 1933 trat er als Schriftsteller an die Öffentlichkeit. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zur Wehrmacht eingezogen und geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 fliehen konnte. Im Jahre 1952 gründete er die Evangelische Akademie von Berlin (West), deren Direktor er bis 1969 war. In den von ihr erreichten Kreisen förderte er geschichtsbewusstes Denken und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Deutschen Reiches, insbesondere der Zeit der Hitlerdiktatur. Im Jahre 1955 prägte er den Begriff der „unbewältigten Vergangenheit“, der seither nicht mehr aus dem Wortschatz der geschichtspolitischen Debatten wegzudenken ist. In der Zeitschrift „Kommunität“ berichtete er darüber, dass diese den neuen Friedens- und Gerechtigkeitsgruppen ein Forum geboten hat:

Die ersten Jahrgänge der Zeitschrift (der evangelischen Akademie: Kommunität) standen, eigentlich ohne Ziel und Absicht, im Zeichen von Aktionen, die beinahe schlagartig aufeinander folgten: 1957 wurde die Aktionsgemeinschaft „Für die Hungernden“, 1958 die Aktion Sühnezeichen, 1959 die Arbeitsgemeinschaft Weltfriedensdienst ins Leben gerufen, die 1960 unter dem Kennwort „Versöhnungsdienste“ zusammengefasst wurden. Hier war die Akademie gleichsam nur als Wehmutter im Spiel, wurde allerdings dann von ihren Kindern zeitweise mehr als eine leibhaftige Mutter strapaziert.[1]

M-G. engagierte sich in jenen kirchlichen Kreisen, die um Martin Niemöller und Gustav Heinemann für eine nichtmilitarisierte Bundesrepublik stritten und sich für eine Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion einsetzten. Er nahm an den ersten Versammlungen der Christlichen Friedenskonferenz teil und plädierte dafür, dass insbesondere die Kirchen ihre Verantwortung für die Entwicklung einer gerechten und solidarischen Weltordnung in die Wagschale werfen. In zahlreichen Büchern und Zeitschriftenaufsätzen verbreitete er seine Gedanken in der Öffentlichkeit.

In seinem 1965 veröffentlichten Buch „Mit der Teilung leben“ äußerte er sich zur Wiedervereinigung Deutschlands:

Das westdeutsche Wiedervereinigungsdenken war, soweit man überhaupt ohne Beschönigung von einem solchen sprechen darf, von Anfang an beinahe alternativlos auf Anschluß orientiert. Man war so sehr von dem eigenen Staatsmodell fasziniert, daß man es nur für eine Frage der Zeit hielt, wann es sich auch auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs würde expandieren lassen. Man müsse nur erst wieder genügend stark sein, so wurde etwas naiv angenommen, dann werde sich die Anziehungskraft des Bonner Staates als so unwiderstehlich erweisen, daß Moskau eines Tages froh sein werde, das ihm zugefallene Stück Deutschland unter Wahrung seines Gesichtes loszuwerden. Man war sich wahrscheinlich gar nicht bewußt, wie sehr hier primitives militärisches Machtdenken im Spiel war, das nur unter den Voraussetzungen absoluter politischer Bedenkenlosigkeit eine Chance der Realisierung haben konnte. Allerdings schien ein solches Anschußdenken zunächst nicht aussichtslos, zum mindesten nicht im Zeichen der Roll-Back-Devise von John Foster Dulles. Es gab für ein nationalistisches Denken sogar eine versucherische Parallele zur Nachkriegsentwicklung der Weimarer Zeit: die vielen zum Teil sehr schweren Rückschläge im Anschlußbemühen zwischen 1918 und 1938 hatten letztlich nicht verhindern können, daß der Anschluß Österreichs zwanzig Jahre nach Kriegsende doch noch erfolgte. Wobei die Parallele auch insofern bis zum Wortgebrauch ginge, als auch im Falle Österreichs von Wiedervereinigung gesprochen wurde.[2]

Werke

  • Vom gespaltenen zum doppelten Europa, Radius-Verl., 1970
  • Mit der Teilung leben, München: List, 1965
  • Horizonte der nachmodernen Welt, Gelnhausen: Burckhardthaus-Verl., 1962
  • Kommunität, Berlin: Akad.
  • Dreifaltigkeit des Bösen?, Kassel: Stauda, 1953
  • Christen in Kriegsgefangenschaft, Berlin: Verlag Die Schöpfung, 1948
  • Vorläufer des Antichrist, Berlin: Wedding-Verl., 1948
  • Die deutschen Stämme, Bielefeld: Velhagen & Klasing, 1941

Aufsätze

  • Christen sprachen mit Chruschtschow, in Gewerkschaftliche Monatshefte 3/1963, Seite 151[3]
  • Die Freiheit eines Christenmenschen heute, in: Quatember 1955/56[4]
  • Ostern und die Oikumene, in: Quatember 1954

Literatur

Einzelnachweise

  1. Kommunität 40/1966, S. 192
  2. Mit der Teilung leben. Eine gemeindeutsche Aufgabe.- München: List, 1965; aus dem Kapitel „Einziges Modell: Anschluß“ auf S. 31 ff.
  3. http://library.fes.de/gmh/main/jahresin/1963/jahres_03-1963.htm
  4. http://www.kommunitaeten.de/quat/J1956/inhalt.htm

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