Erich Schilling (Gewerkschaftsfunktionär)

Erich Schilling (Gewerkschaftsfunktionär)

Erich Friedrich August Schilling (* 16. August 1882 in Leipzig; † 1. März 1962 in Berlin (West)) war ein deutscher Gewerkschaftsfunktionär, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und Häftling im KZ Buchenwald.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erich Friedrich August Schilling war das erste Kind von Friedrich August und Minna, geb. Sauer, Schilling. Nach dem Besuch der Grund- und Volksschule setzte er seine Ausbildung an der Handelslehranstalt fort und absolvierte eine zweijährige Ausbildung zum Bauschlosser. Daran schlossen sich Jahre der Wanderschaft durch ganz Deutschland an.[1]

Schilling wurde 1906 Mitglied der SPD. Als aktiver Gewerkschafter war er von 1913 bis 1919 Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Leipzig. Nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg gehörte er dem Großen Soldatenrat in Kiew an. Zur Zeit der Weimarer Republik übernahm er von 1919 bis 1933 den Vorsitz des Leipziger Gewerkschaftskartells und verhinderte die Gewerkschaftsspaltung. Schilling vertrat das Leipziger Gewerkschaftskartell beim ADGB-Bezirksausschuss Sachsen und war auch als Redakteur bei der Sächsischen Gewerkschaftszeitung tätig.[2] Seine Ehefrau Martha, geborene Nebel, war SPD-Politikerin und kam bei einem Verkehrsunfall im Dezember 1928 ums Leben.[3]

NS-Zeit

Zur Zeit des Nationalsozialismus war Schilling als Vertreter tätig und beteiligte sich am illegalen Widerstand gegen das NS-Regime.[2] Schilling war am 9. März 1933 Zeuge des Überfalls der SA auf das Volkshaus. Er lehnte den Ratschlag von Gewerkschaftskollegen ab, die sich darum bemühten, ihn zu seiner Sicherheit nach Dänemark zu schleusen. Schilling wurde 1933 festgenommen und tauchte zeitweise in Deutschland unter. In Anwesenheit der Gestapo sprach er am 10. September 1935 auf dem Leipziger Südfriedhof zum Gedenken an seinen Freund, den führenden Leipziger Sozialdemokraten Hermann Liebmann, der im KZ Hohnstein infolge von Misshandlungen verstorben war.[3]

Schilling wurde Anfang September 1939 in das KZ Buchenwald eingewiesen, wo er bis zur Befreiung im April 1945 gefangen war.[2] Zunächst hatte er die Häftlingsnummer 5569 sowie später 1455 und war bei dem Zimmereikommando eingesetzt.[4] Schilling war im April 1945 an der Überarbeitung des Buchenwalder Manifests beteiligt und dessen Mitunterzeichner.[5]

Nachkriegszeit

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus engagierte er sich in seiner Heimatstadt für die Neugründung der SPD und war dort von Mitte August 1945 bis Mitte November 1945 erneut frei gewählter Gewerkschaftsvorsitzender, bis er auf Betreiben von Kommunisten aus dem Amt schied.[3]

„Es ist der Unstern der deutschen Gewerkschaftsbewegung gewesen, dass alle Gewerkschaften im Schatten von politischen Parteien entstanden sind. Heute soll die alte Erkenntnis Wirklichkeit werden, daß eine Gewerkschaft parteipolitisch neutral sein muß. Unpolitisch wird deshalb die Gewerkschaft nicht sein. Dazu haben die Gewerkschaften zuviel Interesse, ihre Forderungen bei der Staatsverwaltung zu vertreten. Große soziale Gebilde haben auch ein politisches Eigengewicht. Aber niemals darf Parteipolitik die Einheit der Gewerkschaften zermürben. Die Neutralität gilt auch für die Religion und in der Stellung zur Rassenfrage. Auch hier muß die Gewerkschaft frei von Bindungen sein und sich zu den Grundsätzen des Weltgewerkschaftsbundes bekennen.“

Auszug aus Erich Schillings Rede vom 19. August 1945 zur Gründung der Gewerkschaften in Leipzig[6]

Schilling lehnte die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 ab und setzte sich für freie und demokratische Gewerkschaften ein.[3] Dennoch trat er der SED bei und übernahm im November 1945 das Amt des Geschäftsführers einer Treuhändergesellschaft zur Beschlagnahmung von NS-Vermögen für die Gewerkschaft. Zudem wurde ihm im Juli 1946 die Verantwortung für den Wiederaufbau des Leipziger Gewerkschftshauses übertragen.[7] Sein lange gehegtes Vorhaben Heinrich Heine zu dessen 150. Geburtstag zu ehren, setzte er mit eigenen finanziellen Mitteln am 13. Dezember 1947 durch den vom ihm gestifteten Heinrich-Heine-Denkstein um. Die Information über die Heineehrung übermittelte er Westberliner Zeitungen.[3] Am 6. November 1948 wurde Schilling festgenommen und in Verhören der Organisation eines Kreises ehemaliger Sozialdemokraten beschuldigt. Schilling erlitt bis zu seiner Entlassung Ende Dezember 1948 Repressalien und wurde danach aus dem VVN und der SED ausgeschlossen.[7] Schilling flüchtete 1953 nach West-Berlin. Danach wurde sein Sohn in Leipzig festgenommen und in Torgau inhaftiert. Selbst sein Enkel wurde im Zuge seiner Einberufung zur NVA mitgeteilt, „welch ein „Verbrecher“ sein Großvater gewesen sei“.[8]

Nach seiner Flucht war Schilling von September 1953 bis Mai 1961 als Sekretär des Berliner Büros des IBFG tätig.[2]Bis zu seinem Tod arbeitete der hochbetagte Mann in der Gewerkschaftsbewegung und veröffentlichte Artikel zu Leipzigs Geschichte. Als Schilling starb wurde sein Leichnam nach Ludwigshafen überführt, wo er im Grab seines Sohnes beigesetzt wurde. Der Grabstein ist mit den Worten: Erich Schilling, geboren in LEIPZIG versehen.[3]

Nach der Deutschen Wiedervereinigung wurde das Leipziger Volkshaus 1994 vom DGB erworben und gehört heute der Gewerkschaft. Seit 2007 besteht im Volkshaus der Erich-Schilling-Saal, der an die Gründung der freien Gewerkschaften in Leipzig erinnert.[8]

Literatur

  • Wolfgang Röll: Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945, Wallstein-Verlag, 2000, ISBN 3-89244-417-x.
  • Thomas Adam: Solche Schädlinge gibt es auch in Leipzig, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main [u.a.] 1997, ISBN 3-631-47385-0, S. 186.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Thomas Adam: Solche Schädlinge gibt es auch in Leipzig, 1997, S. 186
  2. a b c d Eintrag Erich Schilling beim Archiv der Sozialen Demokratie
  3. a b c d e f Monika Kirst: Im Herzen immer ein Leipziger - Vor 125 Jahren wurde Erich Schilling geboren - Leipzig verdankt ihm das Heinrich-Heine-Denkmal und den zweimaligen Wiederaufbau des Leipziger Volkshauses vom 16. August 2010 auf leipzig-nordsachsen.dgb.de
  4. Wolfgang Röll: Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945, Wallstein-Verlag, 2000, S. 136
  5. Wolfgang Röll: Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945, Wallstein-Verlag, 2000, S. 245
  6. Zitiert nach: Monika Kirst: Gründung der „Deutschen Einheitsgewerkschaft“ im August 1945. Vor 65 Jahren - Hoffnung für kurze Zeit vom 16. August 2010 auf leipzig-nordsachsen.dgb.de
  7. a b Wolfgang Röll: Sozialdemokraten im Konzentrationslager Buchenwald 1937–1945, Wallstein-Verlag, 2000, S. 137
  8. a b Monika Kirst: Gründung der „Deutschen Einheitsgewerkschaft“ im August 1945. Vor 65 Jahren - Hoffnung für kurze Zeit vom 16. August 2010 auf leipzig-nordsachsen.dgb.de

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