Ernest Bramah

Ernest Bramah

Ernest Bramah als Ernest Brammah Smith (* 20. März 1868, in Manchester; † 27. Juni 1942 in London) war ein englischer Schriftsteller, der im Laufe seines Lebens 21 Bücher und zahlreiche Kurzgeschichten sowie weitere Werke veröffentlichte.

Seine humorvollen Werke werden mit jenen Jerome K. Jeromes und William Wymark Jacobs verglichen, ebenso seine Detektivgeschichten mit jenen Conan Doyles, seine politischen Science-Fiction-Geschichten mit H.G. Wells und seine Erzählung zum Übernatürlichen mit denjenigen Algernon Blackwoods. George Orwell merkte selbst an, dass Bramahs Buch What Might Have Been seinen eigenen Roman 1984 beeinflusst habe. Darüber hinaus kreierte er die seinerzeit populären literarischen Figuren Kai Lung und Max Carrodos.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ernest Bramah wurde am 20. März 1968 als Sohn eines wohlhabenden Geschäftsmanns, der sich selbst in kürzester Zeit emporgearbeitet hatte, in Manchester geboren. Bramah verließ bereits mit 16 Jahren die Manchester Grammar School, obwohl stets zu den Besten in allen Fächer gehört hatte. Daraufhin wandte er sich der Landwirtschaft zu, zunächst als einfacher Landarbeiter, später als Besitzer einer eigenen Farm, wobei ihm sein Vater mit beträchtlichen finanziellen Mitteln, umgerechnet £ 100.000 in heutiger Währung, unterstützte. Bereits während dieser Zeit schrieb Bramah kürzere regionale Skizzen für die Birmingham News. Im Anschluss daran schrieb er ein Buch über seine Abenteuer des Farmlebens, welches nur wenige Käufer fand und eingestampft wurde. Nach diesem Landwirtschaftsdebakel erklärte sich sein Vater einverstanden, ihm weiterhin finanzielle Unterstützung bei seinem Weg in den Journalismus und die Schriftstellerei zu geben.

Bramah erreichte die Position des Sekretärs von Jerome K. Jerome und stieg zum Herausgeber von seinem Magazin The Minister auf. Nachdem er Jerome verlassen hatte, gab er andere Journale für eine Publikationsgesellschaft heraus, die jedoch später Bankrott anmelden musste.

Bramah erreichte kommerziellen und literarischen Erfolg mit seiner Kreation des Chinesen Kai Lung, eines reisenden Geschichtenerzählers. Dieser tauchte erstmals in der Geschichte The Wallet of Kai Lung auf, die von acht Herausgebern abgelehnt wurde, bevor Grant Richards sie annahm und 1900 veröffentlichte. Im Druck liegen dieses humorvollen Geschichten bzw. Märchen, in denen Fantasy-Elemente wie Drachen und Göttern auftauchen und Bramah ein regelrechtes Mandarin-Englisch konstruierte, bis heute vor.[1] [2] Brahmah hatte wohl als junger Mann mehrere wohlhabende Chinesen kennengelernt, denen noch eine hochritualisierte, extrem höfliche Sprechweise des vorrevolutionären Reichs der Mitte geläufig war, in der beispielsweise das „Ich“ durch „diese Person“ ersetzt wurde, überschwängliche Komplimente in Richtung des Adressaten, unsichere Anschuldigungen gegenüber der eigenen Person und extrem viele Umschreibungen benutzt wurde.[3] Erzähltechnisch bildete Bramah damit gewissermaßen die westasiatische Spielart des Orientalismus aus.

Bramah schrieb außerdem politischen Science Fiction. Sein Buch What Might Have Been (1907), später veröffentlicht als The Secret of the League (1909) ist eine antisozialistische Dystopie, die Bramahs eigene konservative Weltanschauung reflektiert. George Orwell bezeichnete dieses Buch als eine seiner Quellen für 1984. Orwell selbst lobte die wenig bekannten Novelle Bramahs, die ebenfalls den Titel The Secret of the League (1907) trug und eine beachtenswerte Vorhersage des Aufstiegs des Faschismus machte.[4] In diesem Buch erhöhte eine sozialisitische Regierung die Steuern für die Mittelklasse erheblich, dehnte den Wohlstandsstaat und die Bürokratie extrem aus sowie verursachte eine Rentenkrise, bevor sie von einem allgemeinen Börsenkrach erschüttert wurde.

Zu einem Zeitpunkt, als der Ärmelkanal gerade einmal von einem Flugzeug durch Louis Blériot überquert wurde, sah Bramah Expressflugzeuglinien in 10.000 Fuß, ein nationales Telegraphen-Netzwerk, das Faxgerät und eine Kode-Schreibmaschine voraus, die durchaus der Enigma ähnelte.

1914 erschuf Bramah die literarische Figur des blinden Detektivs Max Carrados. Nachdem er bereits die entlegene Idee hatte, dass ein Blinder Detektiv sein könnte, verglich er in der Einleitung zum zweiten Carrados-Roman The Eyes of Max Carrodos das Engagement seines Helden mit dem Leben realer Blinder seiner Nation wie Nicholas Saunderson, Professor für Mathematik in Cambridge, den Straßenbauer John Metcalf alias Blind Jack of Knaresborough, den Londoner Richter und Magistrat John Fielding, von dem man sagte, dass er 3.000 Diebe allein aufgrund ihrer Stimmen identifizieren könne, und Helen Keller. Allerdings muss man hinzufügen, dass Bramah bei Beschreibung der übersteigerten sonstigen sensitiven Fähigkeiten Carrados übertrieb: Carrados, dem sonst sein Butler Parkinson assistierte, soll aufgrund der Empfindlichkeit seiner Fingerspitzen sogar in der Lage sein eine normale Tageszeitung lesen zu können.[5]

Die Max-Carrados-Geschichten erschienen parallel zu jenen des Sherlock Holmes in The Strand Magazine, erzielten hohe Verkaufszahlen und übertrumpften sogar zeitweilig den heute weltweit berühmteren Konkurrenten.[6]

Bramah lebte zurückgezogen und gab nur wenig über sein Privatleben preis. Mit 74 Jahren starb er am 27. Juni 1942 als erfolgreicher Autor, der zeit seines Lebens ein großes Allgemeinwissen erworben hatte und als Experte in Numismatikerkreisen galt.

Werke

Kai Lung-Romane und Geschichten

  • The Wallet of Kai Lung (1900)
  • Kai Lung's Golden Hours (1922)
  • Kai Lung Unrolls His Mat (1928)
  • The Moon of Much Gladness (1932; in den USA als The return of Kai Lung veröffentlicht)
  • The Kai Lung Omnibus (1936; enthält The Wallet of Kai Lung, Kai Lung's Golden Hours, Kai Lung Unrolls His Mat)
  • Kai Lung Beneath the Mulberry Tree (1940)
  • The Celestial Omnibus (1940; ausgesuchte Kurzgeschichten der frühen Werke)
  • Kai Lung: Six (1974)
  • Kai Lung Raises His Voice (2010; enthält Kai Lung: Six, die Geschichte The Specimen Case und vier bis dato unveröffentlichte Geschichten)

Max Carrados-Romane

  • Max Carrados (1914)
  • Eyes of Max Carrados (1923)
  • Max Carrados Mysteries (1927)
  • The Bravo of London (1934)
  • Best Max Carrados Detective Stories (1972)

Sonstige Romane, Novellen und Erzählungen

  • The Mirror of Kong Ho (1905)
  • The Secret of the League (1907)
  • The Specimen Case (1924), die jeweils eine Geschichte seiner beiden Hauptfiguren enthielt
  • Short Stories of To-day and Yesterday (1929)
  • A Little Flutter (1930)

Komödien

  • The Mirror of Kong Ho (1930)[7]
  • The Moon of Much Gladness (1932)

Nichtfiktionale Werke

  • English Farming and Why I Turned It Up (1894)
  • A Guide to the Varieties and Rarity of English Regal Copper Coins, Charles II-Victoria, 1671-1860 (1929)

Deutsche Übersetzung

  • Max Carrados, der blinde Detektiv. Klassische Kriminalstories. Übersetzung von Christiane Nogly, Heyne, München 1973.

Literatur

  • John Clute: Bramah, Ernest. In: The Encyclopedia of Science Fiction. hg. von John Clute und Peter Nicholls, Orbit 1993, S. 155f.
  • Hugh Greene: The Rivals of Sherlock Holmes: Early Detective Stories. Penguin, London 1971
  • David Langford: Bramah, Ernst. In: The Encyclopedia of Fantasy, hg. von John Clute und John Grant, Orbit 1997, S. 135f.
  • Aubrey Wilson: The Search for Ernest Bramah. Creighton and Read 2007

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zur überaus positiven zeitgenössischen Kritik während der 1920er Jahre vgl. Stuart Petre Brodie Mais: Some modern authors. (1. Auflag 1923) Reprint, Books for Libraries Press, Freeport, N.Y., 1970, S. 45ff.
  2. Zur heutigen Rezeption z.B. Lin Carter: Great Short Novels of Adult Fantasy, Band 2. Wildside Press, Rockville, Maryland, 2008, S. 65ff.
  3. Noel Perrin: A reader's delight. Dartmouth College by University Press of New England, Hannover 1988, S. 15.
  4. George Orwell: Predictions of Fascism, ursprünglich veröffentlicht in "The Tribune" 12. Juli 1940, wiederveröffentlicht in: The Collected Essays, Journalism and Letters of George Orwell, Bd. 2, S. 47f.
  5. David Stuart Davies: Shadows of Sherlock Holmes. Wordsworth Editions, Hertfordshire 1998, S. 20.
  6. Allen J. Hubin: Crime Fiction: 1749-1980: A Comprehensive Bibliography. Garland Publishing, New York/London 1984, ISBN 0-824-09219-8
  7. Diverse Aufführungen auf Londoner Bühnen, vgl. C. C. Barfoot,Theo d'. Haen (Hg.): Oriental prospects: western literature and the lure of the East. Rodopi, Amsterdam/Atlanta 1998, S. 152f. Fn. 58.

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