Friedrich Witte (Ingenieur)

Friedrich Witte (Ingenieur)

Friedrich Witte (* 23. Februar 1900 in Hannover; † 25. Dezember 1977 in Bückeburg) war ein deutscher Eisenbahningenieur und zuletzt Vizepräsident des Bundesbahn-Zentralamtes. Bekannt geworden sind die von ihm entworfenen schmalen Windleitbleche.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Friedrich Witte war der Sohn eines Schrankenwärters aus Göttingen, der sich schon in seiner Jugend sehr für Dampflokomotiven interessierte. Er studierte von 1919 bis 1923 Maschinenbau an der Technischen Hochschule Hannover. Seit 1921 war er dort Assistent am Lehrstuhl für allgemeinen Maschinenbau und Dampfmaschinen. Ab 1926 war er bei der Reichsbahndirektion Hannover beschäftigt. Später wechselte er ins Reichsbahn-Zentralamt nach Berlin und war dort wissenschaftlicher Hilfsarbeiter des Dezernenten für die Bauart der Dampf- und Öllokomotiven, Richard Paul Wagner. Wagner förderte die Publikationstätigkeit des jungen Ingenieurs Witte zunächst, geriet aber später mit Witte in Konflikt, als dieser eigene Ideen zu entwickeln begann. Witte ließ sich versetzen und wurde 1934 Leiter des Maschinenamtes Berlin Potsdamer Bahnhof. Drei Jahre später wurde er Dezernent für die maschinelle Ausrüstung von Bahnanlagen bei der Reichsbahnbaudirektion. Auch aus dieser Position heraus mischte er sich weiter in die deutsche Dampflokomotiv-Entwicklung ein, und konnte überdies wichtige Kontakte knüpfen, unter anderem zum Reichsbauminister Albert Speer. Nachdem Speer am 8. Februar 1942 zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt wurde, organisierte er die Lokomotivbeschaffung der Reichsbahn neu. So trat Witte im Oktober 1942 die Nachfolge Wagners als Dezernent für Dampflokkonstruktion im Eisenbahn-Zentralamt an.[1]

Wirken

Museumslokomotive Baureihe 52 in Kriegsausführung mit Windleitblechen der Bauart Witte

Seine erste Aufgabe war die Ableitung der Kriegsbaureihe 52 aus der Baureihe 50 bei laufender Produktion. Es gelang Friedrich Witte unter anderem, den Kessel und Rahmen der Baureihe 52 erstmals in Deutschland vollständig geschweißt herstellen zu lassen, was deren Gewicht gegenüber der Baureihe 50 senkte. Das aufwändigere Nieten entfiel. Da es im Krieg galt, Material zu sparen, entfielen anfangs die Windleitbleche bei Kriegslokomotiven. Das verschlechterte die Steckensicht des Lokpersonals und so ließ Friedrich Witte die großen Windleitbleche der Bauart Wagner am Umlauf kürzen.[2] Das Windleitblech der Bauart Witte entstand und wurde erstmals bei der Baureihe 52 eingesetzt.

Friedrich Witte strebte schon 1937 bei den ersten Entwürfen für die Baureihe 23 einen Kessel mit Verbrennungskammer und die Achsfolge 1'C 1' an, was jedoch von seinem Vorgesetzten Richard Paul Wagner bis zu dessen Pensionierung abgelehnt wurde. Verbrennungskammern bauten deutsche Hersteller bereits in Dampfkessel ein, jedoch nur bei Lokomotiven, die für den Export bestimmt waren. Letztendlich waren Friedrich Witte solange die Hände gebunden, bis er 1942 selbst Bauartdezernent der Deutschen Reichsbahn wurde. Dann setzte der Krieg andere Prioritäten. Es wird angenommen, ja es ist im Grunde nicht anders zu erklären, dass der Umbau der 05 003, welche sich bei Versuchsfahrten als Fehlkonstruktion erwiesen hatte, in eine Lokomotive in Regelausführung, also mit Führerstand hinter dem Kessel, in den Kriegsjahren 1944/45 nur deswegen erfolgte, weil sie die einzige Lokomotive mit Verbrennungskammer war, welche die Deutsche Reichsbahn besaß.

Im März 1945 setzte sich das Reichsbahn-Zentralamt von Berlin ab, um dem drohenden Einschluss Berlins zu entgehen. Es richtete sich im RAW Göttingen notdürftig ein. Die Akten, welche noch gerettet werden konnten, wurden in mehreren Güterwagen überführt. Bei der Reichsbahn in Westdeutschland übernahm Friedrich Witte 1948 die Leitung der Lokomotivbau- und Einkaufsabteilung, die in Minden neu entstand. Er leitete weiterhin die Beschaffung neuer Dampflokomotiven. Den größten Bedarf hatte die 1949 gegründete Deutsche Bundesbahn bei Personenzuglokomotiven. Hier setzte Friedrich Witte die Bauform der 1'C 1'h2-Lokomotive mit Verbrennungskammer um, welche er bereits 1937 projektiert hatte. So wurde schon 1950, angelehnt an einen Entwurf der Firma Henschel als erste Neubaulokomotive die DB-Baureihe 23 gebaut. Durch den sich anbahnenden Traktionswandel war damit die Ära der Einheitslokomotive bei der DB zu Ende.

Friedrich Witte war auch für die Entwicklung der Baureihen 66 und 82 verantwortlich. 1957 erfolgte die Ernennung zum Vizepräsidenten des Bundesbahn-Zentralamtes in Minden. 1965 ging Witte in den Ruhestand.

Friedrich Witte entwarf auch ein Beidrückfahrzeug für Rangierbahnhöfe und ein Verfahren zum feuerlosen Abstellen von Dampflokomotiven unter vollem Kesseldruck.

Werke

Friedrich Witte arbeitete an folgenden Büchern mit:

  • Leitfaden für den Dampflokomotivdienst. Verkehrswissenschaftliche Lehrmittelgesellschaft, Frankfurt/Main 1957
  • Die Kleinlokomotive im Rangierdienst auf Unterwegsbahnhöfen der Deutschen Reichsbahn. Verkehrswissenschaftliche Lehrmittelgesellschaft bei der Deutschen Reichsbahn, Leipzig 1932

Literatur

  • Erich Preuß, Reiner Preuß: Lexikon Erfinder und Erfindungen: Eisenbahn. 1. Auflage. transpress, Berlin 1986, ISBN 3-344-00053-5. 
  • Jürgen-Ulrich Ebel / Thorsten Reichert: Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 4/2006 Neubaudampfloks. Verlagsgruppe Bahn, Fürstenfeldbruck 2006, ISBN 3896101641.
  • Chronik der Eisenbahn Band 2 1945 bis zum neuen Jahrtausend. Heel Verlag GmbH / Lizenzausgabe Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Königwinter / Augsburg 2006, ISBN 3898805484.

Einzelnachweise

  1. Jürgen-Ulrich Ebel: Friedrich Witte und der mühsame Weg zu den "Neuen Baugrundsätzen" der DB, in: Eisenbahn-Kurier 6/2000, Nr. 333, S. 36ff.
  2. Chronik der Eisenbahn Band 1, Heel Verlag GmbH / Lizenzausgabe Verlagsgruppe Weltbild GmbH S. 258 ff.

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