Georg Giulini

Georg Giulini

Georg Otto Conte Giulini di Giulino (* 31. Dezember 1858 in Mannheim; † 24. Februar 1954 in Como) war ein deutscher Chemiker und Unternehmer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Georg (Giorgio) Giulini studierte ab 1877 an der Technischen Hochschule in Karlsruhe sowie an der Universität Heidelberg bei Professor Robert Wilhelm Bunsen (1811-1899) Chemie. Diesem war es zwei Jahrzehnte zuvor fast zeitgleich mit dem Franzosen Henri Étienne Sainte-Claire Deville erstmals gelungen Aluminium auf dem Weg der Schmelzflusselektrolyse darzustellen. Er schloss 1881 mit der Promotion ab. Nach seinem Studium ist er für die 1823 von seinem Großvater gegründete Gebrüder Giulini GmbH in Ludwigshafen tätig und optimiert das Pyrogen-Verfahren für die Herstellung von Aluminiumoxid (Tonerde, Alumina). Später leitet er die Gesellschaft gemeinsam mit seinen Brüdern Paul und Wilhelm.

Le roi d‘alumine

1903, im Alter von 45 Jahren, übernimmt Georg Giulini die alleinige Leitung der Gebrüder Giulini GmbH. Die Zukunft des auf chemische Produkte spezialisierten Unternehmens richtet er von Beginn an konsequent auf Aluminium aus. Schon nach kurzer Zeit ist er aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in der Herstellung von Aluminiumoxid weltweit führend und wird respektvoll le roi d’alumine genannt.

Pionier und Vorreiter

Georg Giulini leistet auf dem Gebiet der Tonerdeproduktion Pionierarbeit. Anfangs nutzt er dazu, als Basis für Tonerdesalze, grönländisches Kryolith. Ab 1865, 23 Jahre bevor mit der AIAG/Alusuisse der weltweit erste Aluminiumhersteller den Betrieb aufnimmt, verwendet er hierfür französischen Bauxit. Um die Verfahrensschritte der Produktion geheim zu halten, lässt Giulini seine Innovationen nicht als Patent anmelden, sondern übergibt ihre Beschreibung einem Notar. Als 1892 Carl Josef Bayer das vollständige Nassverfahren (Bayer-Verfahren) zum Patent anmeldet, hat Georg Giulini die wesentlichen Schritte hierzu bereits hinterlegt. Aufgrund Giulinis Vorreiterstellung sind die Aluminiumhersteller weltweit auf seine Tonerdelieferungen angewiesen. Erst ab der Jahrhundertwende können Aluminiumhersteller Tonerde in Eigenproduktion herstellen. Die Qualität der Giulini-Tonerde bleibt jedoch unerreicht.

Europaweite Expansionen – der Aufstieg der Gebrüder Giulini GmbH

Giulini strebt einen Aluminiumkonzern an, der alle Bereiche der Wertschöpfungskette abdeckt. Um dieses Ziel zu erreichen gründet er 1897 in Südfrankreich eigene Werke zur Sicherung der Rohstoffversorgung. Im Bereich der Aluminiumproduktion setzt Georg Giulini zunächst auf Kooperationen mit anderen Unternehmen, um sich das nötige Know-how anzueignen. 1908 baut er im Rahmen seines Expansionskonzepts in Martigny (Schweiz) eine eigene Aluminiumhütte. Diese nutzt er als Versuchsanlage und testet dort Elektrolyseöfen, die in seinen Werken in Ludwighafen entwickelt werden. Nach und nach gliedert Giulini dem Konzern weitere Bergbauunternehmen zur Sicherung der Rohstoffversorgung und Walzwerke zur Weiterverarbeitung des Aluminiums ein. Die bekanntesten sind das Walzwerk in Wutöschingen[1] (Deutschland) sowie in Münchenstein (Schweiz). Innovation und Expansion sind für Georg Giulini die leitenden Begriffe auf allen Konzernebenen. Während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts weitet er das Firmennetz der Gebrüder Giulini GmbH immens aus. Es erstreckt sich von Deutschland aus über Kroatien, Slowenien, die Schweiz, Frankreich, Belgien und Norwegen. Ein Nachkomme war Wigand von Salmuth.

Patentente und Innovationen – der Krieg als Erfolgsbremse

Der geographischen Expansion folgen viele weitere Neuerungen. Grosse Bedeutung für den Freileitungsbau und Leichtmetall-Konstruktionen haben die patentierten Legierungen Aludur 513 und Korrofestal. Weiterhin wird das in Martigny erarbeitete Know-how beim Bau des Erft- und des Innwerks in Deutschland eingesetzt. Diese beiden Werke sind weitere Schritte zum Ziel Giulinis,einer grossen Elektrolyse in Deutschland. Die Anteile an den Werken werden ihm jedoch bereits nach kurzer Zeit vom Staat enteignet. Durch weitere Enteignungen wird Georg Giulini im Ersten Weltkrieg nachhaltig geschwächt. 1935 gab Georg Giulini die Verantwortung für seine Unternehmen an die nächste Generation weiter. Auch der Zweite Weltkrieg hat erhebliche Konsequenzen für Giulinis Unternehmen. Noch vor dem Krieg, 1936, wird die Aluminiumhütte in Ludwigshafen versiegelt, nachdem der Reichswirtschaftsminister den Bau der Hütte mit der Begründung abgelehnt hatte, dass „die Firma Giulini […] durch die Errichtung einer Aluminiumerzeugungsanlage als einzige Gesellschaft den vertikalen Aufbau ihres Unternehmens vom Bauxit bis zum Halbzeug durchführen und damit einen gewaltigen Vorsprung vor den übrigen deutschen Aluminium- Herstellern und -verarbeitern gewinnen [würde].“ (Ruch) 1943 wird das Werksgelände in Ludwigshafen ein erstes Mal bombardiert. Bei insgesamt 22 Luftangriffen auf das Werk werden 43 Arbeiter getötet und 285 verletzt. Dr. Georg Giulini starb am 24. Februar 1954. Er war in seiner Industrie der Erste aber er war auch ein kompromissloser Aussenseiter geblieben. Es blieb ihm erspart das Scheitern seines Unternehmens 1978 in Folge einer verfehlten Expansionspolitik zu erleben.

Weblinks

Literatur

  • Ruch, Dominic: Der schwierige Weg zum leichten Metall - 100 Jahre Aluminium Martigny SA Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2009, ISBN: 978-3-280-05340-9
  • Rauch, Ernst: Geschichte der Hüttenaluminiumindustrie in der westlichen Welt Aluminium Verlag, Düsseldorf 1962
  • Bachelin, Helmuth, Giulini, Georg Otto, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 418 f. [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd123077508.html
  • Hrsg. Gemeinde Wutöschingen: Wutöschingen einst und heute, ein Lesebuch.2006

Einzelnachweise

  1. Hrsg. Gemeinde Wutöschingen: Wutöschingen einst und heute, ein Lesebuch.2006;S.227-230

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