- Gerichtsvollzieher (Deutschland)
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Der Gerichtsvollzieher (kurz: GV) ist in Deutschland ein Beamter der Justiz mit der Aufgabe, Urteile und andere Vollstreckungstitel zwangsweise zu vollstrecken sowie (auch außerhalb eines konkreten Gerichtsverfahrens) Schriftstücke zuzustellen. Er untersteht in seiner Funktion als Landesbeamter dienstrechtlich seinen jeweiligen Dienstvorgesetzten nach dem Beamtenrecht, als Kostenbeamter dienstrechtlich Beamten der Landeskasse im Wege von regelmäßigen Überprüfungen und als selbständiges Vollstreckungsorgan formellrechtlich dem Vollstreckungsgericht im Wege eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs.[1]
Inhaltsverzeichnis
Aufgaben
Die primäre Aufgabe besteht in der Durchsetzung von Geldforderungen des Gläubigers gegen den Schuldner. Ist das nicht möglich, kann der Gerichtsvollzieher die Beschlagnahme von beweglichen Vermögensgegenständen, z. B. Möbeln, Kraftfahrzeugen oder Schmuck, vornehmen (Pfändung). Allerdings hat er sich an das Kahlpfändungsverbot (§§ 811 ff. ZPO) zu halten. Nach einer erfolglosen – in der Amtssprache „fruchtlosen“ – Pfändung oder bei Vorliegen einer der anderen Voraussetzungen nach § 807 ZPO kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung (früher: Offenbarungseid) abnehmen. Dabei muss der Schuldner ein Verzeichnis seines Vermögens vorlegen und die Richtigkeit an Eides statt versichern. Mit der Abgabe der Erklärung des Schuldners wird dieser dann für drei Jahre in das beim Amtsgericht geführte Schuldnerverzeichnis eingetragen. Auch kann ein Gerichtsvollzieher eine Wohnung zwangsweise räumen, Gegenstände austauschen (Austauschpfändung), Kindeswegnahmen durchführen, Herausgabe-Vollstreckungen vollziehen und Dokumente amtlich zustellen. Mit Einverständnis des Gläubigers kann er mit dem Schuldner auch einen Ratenplan aufstellen und die Ratenzahlungen überwachen.
Früher kennzeichnete der Gerichtsvollzieher beschlagnahmte Gegenstände, indem er ein Pfandsiegel mit aufgedrucktem Staatssiegel (in Preußen: Adler), den sogenannten „Kuckuck“, aufklebte. Diese Pfandmarken sind auch heute noch gebräuchlich, tragen aber nicht mehr das Staatssiegel, sondern nur noch die Bezeichnung „Pfandsiegel“ und den Namen des Amtsgerichts, dem der Gerichtsvollzieher angehört. Das unberechtigte Entfernen ist gemäß § 136 II StGB als Siegelbruch strafbar.
Anstellung, Zuständigkeit
Der Gerichtsvollzieher gehört zu den Organen der Rechtspflege und ist in einem ihm zugewiesenen Amtsbezirk tätig. Bei den Amtsgerichten bestehen sogenannte Gerichtsvollzieher-Verteilerstellen, die Vollstreckungsaufträge der Gläubiger an die Gerichtsvollzieher im jeweiligen Amtsgerichtsbezirk sammeln und diese dann dem jeweils zuständigen Gerichtsvollzieher zuweisen. Davon unabhängig kann der Gläubiger aber auch direkt Kontakt mit dem zuständigen Gerichtsvollzieher aufnehmen.
Als Beamter gehört der Gerichtsvollzieher einer Sonderlaufbahn des mittleren Dienstes an. Vor der Ernennung ist eine gesonderte Anstellungsprüfung abzulegen. Sein Gehalt erhält er durch das jeweilige Bundesland. Zusätzlich steht ihm ein Teil der eingenommenen Gebühren sowohl als Vergütung als auch als Entschädigung für die Unterhaltung eines Geschäftszimmers und die Bezahlung eigener Angestellter zu.
Rechtliches
Da der Gerichtsvollzieher aufgrund eines Vollstreckungstitels handelt, besteht ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger der Forderung. Er handelt insoweit hoheitlich als Amtswalter.
Zur Durchsetzung seiner Befugnisse kann er unmittelbaren Zwang bis hin zur Zwangsräumung und Verhaftung gegen die Schuldner einsetzen; dabei kann er sich auch der Amtshilfe der Polizei bedienen.
Rechtsgrundlage der Tätigkeit als Gerichtsvollzieher sind vor allem § 154 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die Zivilprozessordnung (ZPO), z. B. § 753 ZPO sowie die Gerichtsvollzieher-Ordnung (GVO) des jeweiligen Bundeslandes und die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA). Die Kosten für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers bestimmen sich im Regelfall nach dem Gerichtsvollzieher-Kostengesetz (GvKostG) (§ 1 Absatz 1 GvKostG; beachte aber Absatz 2).
Rechtsverhältnis zum Vollstreckungsgläubiger
Der Gerichtsvollzieher wird vom Vollstreckungsgläubiger entweder direkt oder durch Vermittlung der beim Amtsgericht bestehenden sog. Gerichtsvollzieherverteilungsstelle „beauftragt“ (§§ 753, 766 II ZPO); aber es besteht kein zivilrechtliches Auftragsverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Verhältnis.
Der Gerichtsvollzieher handelt nicht als Vertreter des Vollstreckungsgläubigers und auch nicht als dessen Erfüllungsgehilfe, sondern nur als selbständiges Organ der Rechtspflege („Amtstheorie“).
Gerichtsvollzieherkammer
Eine Gerichtsvollzieherkammer ist eine Körperschaft oder Assoziation, in der Gerichtsvollzieher organisiert sind und die ihre Interessen vertritt. Als Körperschaft des Öffentlichen Rechts hat die Gerichtsvollzieherkammer öffentlich-rechtliche Befugnisse, etwa im Bereich der Bestellung von Gerichtsvollziehern oder im Hinblick auf disziplinarrechtliche Maßnahmen. Eine Gerichtsvollzieherkammer gibt es in Deutschland derzeit noch nicht, da die Gerichtsvollzieher als Beamte der Dienstaufsicht der Justizbehörden unterliegen.
Literatur
- Urte Nesemann: Gerichtsvollzieher in Vergangenheit und Zukunft. In: Zeitschrift für Zivilprozess (ZZP), 119. Bd., 2006, S. 87–108.
Weblinks
- Portal Gesetze im Internet des Bundesministerium der Justiz und Juris mit den Texten der o. g. deutschen Gesetze und Verordnungen
- Deutscher Gerichtsvollzieherbund (DGVB) e. V.
- Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung
Einzelnachweise
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