Grace Aguilar

Grace Aguilar
Grace Aguilar

Grace Aguilar (* 2. Juni 1816 in London; † 16. September 1847 in Frankfurt am Main) war eine englische Schriftstellerin sephardischer[1] Abstammung. Neben Romanen schrieb sie Essays und Artikel zu geschichtlichen Themen, insbesondere zu jüdischer Geschichte. Aguilar gilt als die erste Frau, die in englischer Sprache über das Judentum schrieb.[2] Zu ihrer Zeit waren ihre Werke ausgesprochen populär.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte Aguilar in London. Ihre Eltern waren spanische Einwanderer marranischer Abstammung; ihr Vater Emanuel Aguilar war Kaufmann und eine wichtige Figur in der jüdischen Gemeinde, ihre Mutter Sarah Dias Fernandes Aguilar leitete eine kleine Privatschule für Jungen. Aguilar wurde von beiden Eltern zu Hause unterrichtet. Da alle Familienmitglieder gesundheitlich anfällig waren, verbrachte die Familie viel Zeit außerhalb der Großstadt in Devonshire. Ihre dortigen Kirchenbesuche stellten ihre erste Begegnung mit dem britischen Protestantismus dar.[2][3]

Aguilar galt als außerordentlich gebildet, stand jedoch stark unter dem Einfluss und der Kontrolle ihrer Mutter und bewegte sich kaum in Kreisen außerhalb ihrer eigenen Familie. Auch nach Eintritt ihres literarischen Erfolgs wurden ihr selbständige Reisen nicht gestattet, im Gegensatz zu ihren beiden jüngeren Brüdern, die Karrieren im Ausland machten. Nach dem Tod ihres Vaters 1845 ernährte sie die Familie mit den Einkünften aus ihrer literarischen Arbeit alleine. 1847 verbrachte Aguilar die letzten Monate ihres Lebens schwer krank in Deutschland. Ihre Mutter, die sie dort hin begleitet hatte, hatte sich dort medizinische Hilfe erhofft; Aguilar starb jedoch im September dieses Jahres, nachdem sie bereits einige Zeit vorher die Fähigkeit zu sprechen verloren hatte. Sie ist in Frankfurt begraben[4].[3]

Werk

Obwohl sieben ihrer Romane erst postum durch ihre Mutter herausgegeben wurden, war Aguilar zu Lebzeiten eine ausgesprochen populäre Schriftstellerin und wurde in verschiedene Fremdsprachen übersetzt.[2] Ihre ersten Werke waren historische Romanzen. Typisch für diese Schaffensphase ist das erst 1850 veröffentlichte und auch ins Deutsche und Hebräische übersetzte The Vale of Cedars, das in der Zeit der Spanischen Inquisition angesiedelt ist. Die Hauptfiguren sind Juden, die ihren Glauben im Verborgen ausüben müssen. Später wandte sich Aguilar verstärkt Übersetzungen sowie theologischen und biografischen Schriften zu. In dieser Phase erlangte sie ihre größte Bekanntheit. Sie beschäftigte sich unter anderem mit Fragen der Emanzipation der Frauen im Kontext des Judentums und mit dem Zusammenhang zwischen Judentum und Humanismus. 1844 erschien Women of Israel, eine Sammelbiografie verschiedener Frauen in der Bibel und im Talmud. In den letzten Jahren ihres Lebens wandte sich Aguilar wieder verstärkt der Fiktion zu. Werke wie Home Influence und A Mother's Recompense sind dabei weniger emanzipatorisch angelegt; Frauen treten eher gemäß den viktorianischen Idealen als starke Mütter auf, die außerhalb ihrer Familien wenig gesellschaftliche Freiheiten haben.[2][3]

Aguilars religiöse Schriften vertreten selten ausgeprägte theologische Positionen; größtenteils sind sie aufklärerisch angelegt und versuchen, Wissen über die jüdische Kultur und Geschichte zu vermitteln. Sie setzte sich zum Ziel, bei einer breiten Leserschaft Vorurteile abzubauen. Hintergrund dieser Bemühungen war ihr Misstrauen gegenüber dem Katholizismus, der in dieser Zeit im Rahmen der Katholikenemanzipation in Großbritannien weitere Verbreitung fand. Insbesondere fürchtete sie den katholischen Einfluss auf die Literatur. Zeit ihres Lebens brachte sie den Katholizismus in Verbindung mit Antisemitismus und der Unterdrückung der spanischen und portugiesischen Juden, die in ihrer eigenen Familiengeschichte verankert war.[3]

Auch als Übersetzerin trat Aguilar auf; 1838 veröffentlichte sie Israel Defended, eine Übersetzung aus dem Französischen eines Werks von Isaak Orobio de Castro. Bereits 1835 hatte sie außerdem anonym einen Gedichtband mit dem Titel The Magic Wreath publiziert.[4]

Rezeption

Obwohl auch ihre Fiktion von der Kritik überwiegend wohlwollend aufgenommen wurde, hatten die religiösen Schriften den größten Einfluss auf Aguilars Reputation als Autorin. Sharpe's Magazine bezeichnete in einer Rezension von The Days of Bruce den Roman zwar als gelungen, ihre Beschreibungen des Judentums im Vergleich dazu jedoch als einzigartig.[3] Auf das stärkste kritische Echo stieß Women of Israel, das noch bis in die 1950er Jahre teilweise an Sonntagsschulen unterrichtet wurde.[2] Ihre Gedichte waren dagegen weniger populär. Der amerikanische Anglist Michael Galchinsky sieht Aguilar als bedeutendste Stimme des englischen Judentums ihrer Zeit, die sowohl die Position der Juden gegenüber den Christen als auch die jüdischer Frauen gegenüber den Männern gestärkt habe.[3]

Heute sind Aguilar und ihr Werk nur noch wenig bekannt. Eine Zweigstelle der New York Public Library ist nach ihr benannt.[3]

Bibliografie

  • The Magic Wreath (1835)
  • Israel Defended (1838)
  • The Spirit of Judaism (1842)
  • Women of Israel (1844)
  • Records of Israel (1844)
  • The Jewish Faith (1846)
  • History of the Jews in England (1847)
  • Home Influence (1847)
  • The Vale of Cedars (1850)
  • A Mother's Recompense (1851)
  • Woman's Friendship (1851)
  • The Days of Bruce (1852)
  • Women's Friendship (1853)
  • Home Scenes and Heart Studies (1853)
  • Sabbath Thoughts and Sacred Communings (1853)

Belege

  1. Grace Aguilar in der Encyclopædia Britannica Abgerufen am 15. Dezember 2010
  2. a b c d e Lorna Sage: The Cambridge Guide to Women's Writing in English, Cambridge University Press: Cambridge (1999), S. 7
  3. a b c d e f g Paul Schlueter/June Schlueter (Hg.): An Encyclopedia of British Women Writers, Rutgers University Press: New Brunswick/London (1998), S. 4f.
  4. a b Michael Dugdale: Grace Aguilar, gesehen am 11. Mai 2010

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Grace Aguilar — (June 1816 ndash; September 16 1847), an English novelist and writer on Jewish history and religion, was born in Hackney of Jewish parents of Portuguese descent. She was delicate from childhood, and early showed great interest in history,… …   Wikipedia

  • Grace Aguilar — Représentation de Grace Aguilar Grace Aguilar (Juin 1816 16 septembre 1847), romancière et écrivaine sur l histoire et la religion juives, est née à Hackney en Angleterre de parents juifs d origine portugaise. Dès sa jeunesse, Grace est une e …   Wikipédia en Français

  • Grace Aguilar — Esbozo de Grace Aguilar. Grace Aguilar (junio de 1816 – 16 de septiembre de 1847) fue una novelista y escritora sobre la historia y religión judía inglesa. Nacida en Londres, en el distrito de Hackney, de padres con ascendenc …   Wikipedia Español

  • AGUILAR, GRACE — (1816–1847), English author of Portuguese Marrano extraction, who wrote a number of novels on Jewish themes and some religious works addressed primarily to Jewish women. Her first book was a volume of poems, The Magic Wreath, which she published… …   Encyclopedia of Judaism

  • Aguilar — ist der Familienname folgender Personen: Abel Enrique Aguilar (* 1985), kolumbianischer Fußballspieler Alessandra Aguilar (* 1978), spanische Langstreckenläuferin Alonso González Aguilar, Bischof von León 1613 bis 1615 Andreas Aguilar (* 1962),… …   Deutsch Wikipedia

  • Aguilar — refers to:People*Antonio Aguilar (1919 ndash;2007), Mexican singer *António Aguilar, Portuguese rugby player *Baron Diego Pereira D Aguilar (1699 ndash;1759), Spanish Marrano *Ephraim Lópes Pereira d Aguilar, 2nd Baron d Aguilar *Eugenio Aguilar… …   Wikipedia

  • AGUILAR, EMANUEL ABRAHAM — (1824–1904), British pianist and composer. Born in London, he was the brother of the novelist, grace aguilar . Aguilar received his musical education at Frankfurt, and his early compositions were performed there with success. In 1848 he gave a… …   Encyclopedia of Judaism

  • Aguilar — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Aguilar est un nom d origine espagnole pouvant être : un toponyme : Aguilar, une municipalité philippine de la province de Pangasinan ;… …   Wikipédia en Français

  • Aguilar, Grace — (1816–47)    English writer. Of Portuguese Marrano descent, Grace Aguilar concentrated on Jewish themes. Her first book of poetry, TheMagic Wreath (1835), was published anonymously. Among her best known works are The Spirit of Judaism (1842),… …   Who’s Who in Jewish History after the period of the Old Testament

  • Aguilar — (spr. Ehgitär), Grace, englische Schriftstellerin, eine Jüdin von spanischer Abstammung, geb. 2. Juni 1816 zu Hackney in England, starb, auf einer Badereise begriffen, 16. Sept. 1847 in Frankfurt a. M. Sie schr.: The magic wreath (Gedichte),… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”