- Gräberfeld X
-
Gräberfeld X war ein im Jahre 1849 angelegter und bis ins Jahr 1963 genutzter Bestattungsplatz des anatomischen Instituts der Eberhard-Karls-Universität, innerhalb des ungefähr drei Hektar großen Stadtfriedhofs im Stadtteil Universität der Stadt Tübingen. Seit 1990 ist das Gräberfeld X eine Gedenkstätte.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Von 1849 bis 1963 wurden im Gräberfeld X 1077 Leichen oder deren Teile bestattet. Die wissenschaftliche und praktische Ausbildung von Medizinstudenten erfordert spezielle Präparations- und Operationskurse und die Herstellung von Präparaten als Anschauungsobjekte innerhalb der Ausbildung zum Mediziner. Die von der Körperspendung nicht mehr benötigten Teile des Leichnams wurden auch auf dem Gräberfeld X bestattet.
Das Gräberfeld ist ein Teil des städtischen Friedhofes. In einhundert Meter Umkreis von der Gedenkstätte entfernt, weiter unten, befinden sich die Grabstätten von Friedrich Hölderlin, Ludwig Uhland, Friedrich Silcher oder des ehemaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger. Weitere Gedenkstätten auf dem städtischen Friedhof sind das Ehrenmal für die gefallenen Söhne der Stadt Tübingen aus dem Deutsch-Französischen Krieg, Ersten Weltkrieg und für schwerstverwundete deutsche Soldaten, die in den Lazaretten der Universitätsstadt starben. Gräber für die Soldaten des Zweiten Weltkrieges befinden sich auf dem Bergfriedhof, das Ehrenmal für Gefallene beider Weltkriege steht auf der Eberhardshöhe.
NS-Zeit
Zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1944 wurden in dem Gräberfeld X weitere 517 Personen bestattet. Sie entsprachen nicht den Vorstellungen von einem arischen Menschen, die Adolf Hitler in seinem Buch Mein Kampf grob umrissen hatte. Teilweise wurden sie auch aus regionalem politischem Kalkül der Nazimachthaber oder zum wirtschaftlichen Nutzen der Kriegswirtschaft als Körperspender zwangsverpflichtet, verwendet und später dort begraben. Nachrangig wurden für die 577 Körperspender folgende Todesarten festgestellt:
- Erschossen
- Geköpft
- Erschlagen
- Gehängt
- Verhungert
- Vernichtet durch Arbeit
Ungefähr 70 Personen fielen der NS Sonderjustiz oder Militärgerichten zum Opfer, weil sie teilweise geringe Verstöße gegen das damalige Rechtssystem begangen hatten oder an Aktionen gegen das NS-Regime beteiligt waren. 44 der Begrabenen wurden von der geheimen Staatspolizei ohne rechtliches Verfahren erschossen, erschlagen oder in Schauexekutionen gehängt. 156 Personen waren Kriegsgefangene aus der Sowjetunion oder Polen, die an Krankheit und Entkräftung starben und nachträglich als Körperspender vom anatomischen Institut der Universität verwendet wurden.[1]
Nach 1945
Zunächst geriet nach 1945 das Gräberfeld X in Vergessenheit. Im Jahre 1952 ließ die Stadt drei steinerne Kreuze an der Stelle des Gräberfeldes errichten. 1963 kam eine steinerne Gedenktafel der Stadt hinzu. Im Jahre 1980 wurde die Gedenkstätte ohne nähere Erläuterungen erneuert und sechs Bronzetafeln mit den in den deutschen Urkunden verwendeten, leider häufig fehlerhaften Formen bzw. Schreibweisen der Namen der 577 Toten hinzugefügt. 1990 vervollständigte die Universität die Grabstätte mit einer kupfernen Tafel und begrub alle verbliebenen Präparate in dem Gräberfeld. Eine Woche nach Anbringung der Tafeln wurde das Gräberfeld X mit Hakenkreuzen geschändet.
Literatur
- Benigna Schönhagen; Das Gräberfeld X. Eine Dokumentation über NS-Opfer auf dem Tübinger Stadtfriedhof. Kulturamt, Tübingen 1987 (Kleine Tübinger Schriften. Heft 11, ZDB-ID 1103345-9).
Weblinks
Commons: Gräberfeld X – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweis
- ↑ Schwäbisches Tagblatt: Was Tübinger Denkmäler über die Aufarbeitung der NS-Zeit sagen vom 26. März 2010, abgerufen am 10. Juni 2010
48.5272149.057348Koordinaten: 48° 31′ 38″ N, 9° 3′ 26″ OKategorien:- Gräberfeld (Deutschland)
- Friedhof in Baden-Württemberg
- Bauwerk in Tübingen
- Eberhard Karls Universität Tübingen
- Gedenkstätte für NS-Opfer
- Religion (Tübingen)
Wikimedia Foundation.