Heyoka

Heyoka

Heyoka ist ein gemeinsamer Begriff für die Clowns, Contraries, verkehrten Krieger (reverse reaction warriors) und Narren, die bei den Plainsindianern existierten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Als Lakota-Indianer zum ersten Mal europäische Clowns sahen, bezeichneten sie diese mit jenem Wort Heyoka, mit dem sie auch ihre eigenen Clowns benannt hatten. Der Ethnologe John Plant umfasst in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen mit dem Begriff Heyoka deswegen den Clown, den Contrary und den verrückten Krieger.[1]

Der Anthropologe Julian Steward publizierte mit seiner Dissertation The Clown in Native North America im Jahr 1929 erstmals Forschungsergebnisse über den Clown. Mitglieder der Prüfungskommissionen waren Alfred Kroeber und Robert Lowie. Ein Jahr später veröffentlichte Steward den Artikel The Ceremonial Buffoon of the American Indian. In dieser Publikation beschrieb er das gegensätzliche Verhalten (contrary behavior).[2]

Verne Ray (1905–2003) interessierte sich für das gegensätzliche Verhalten, und er bezog es in seinen Forschungen auf die rituellen Tänze der Indianer. Er beschrieb in diesem Zusammenhang eine umgekehrte Reaktion (reverse reaction).[3]

Heyoka

Aus der Dakota-Siouan-Sprache stammt das Wort Heyoka, das mit den Begriffen Clown oder Gegensätze übersetzt werden kann. John Plant hat dieses ethnologischen Phänomen insbesondere bei folgenden Völkern der Plainsindianer untersucht:

Sprachfamilie   Völker
Sioux Absarokee, Assiniboine, Hidatsa, Lakota, Mandan, Ponca, Santee  
Algonkin Arapaho, Atsina, Cheyenne, Plains Cree, Plains Ojibwa
Caddo Arikaree, Pawnee,
Uto-Aztekisch Comanche (Shoshone-Zweig), Plains Shoshone
Kiowa Kiowa
Na-Dené Kiowa-Apache

Bei den Plainsindianern waren Contraries solche Personen, „die sich einem außergewöhnlichen Lebensstil widmeten, bei dem sie das Gegenteil von dem ausführten, was andere gewöhnlich taten. Hierbei kehrten sie alle Konventionen ins Gegenteil“.[4] Während die Clowns zeremonielle Figuren darstellten und auch nur innerhalb von Riten oder Zeremonien auftraten, vollzogen die Contraries jedoch Tag und Nacht eine gegenteilige Lebensweise.

Konträres Verhalten bedeutet somit das Gegenteil von dem zu tun, was eigentlich normal oder konventionell ist. Dabei wird meistens eine verkehrte Sprache benutzt, manchmal auch Rückwärtssprache genannt. Es ist eine Art zu reden, bei der die tatsächliche Bedeutung umgekehrt, gewendet wird. Zum Beispiel: "Nein" heißt dann "Ja", und "Hallo!" bedeutet "Auf Wiedersehen!" Die verkehrte Sprache beinhaltete auch, dass genau das Gegenteil von dem getan wird, was andere Sprecher sagen oder verlangen ("umgekehrte Reaktion"). Ruft einer, der nach dem Heyoka-Prinzip handelt, "Großvater, komm her", so meint er jedoch, dass der Großvater fortgehen solle.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Den wesentlichen Unterschied zwischen Clowns und Contraries sieht John Plant in der Tatsache, dass ein Clown nur während einer Performance die herausragende Rolle innerhalb eines Stammes übernahm: Er legte eine Maske an, trug ein Kostüm und schmückte sich mit besonderem Zubehör. Nach dem Ende einer Performance kehrte der jeweilige Clown in seine gewöhnliche Rolle innerhalb der sozialen Gruppe zurück. Gleichwohl gehörten die Clowns zusätzlich informellen Gruppierungen an, wie zum Beispiel age-graded societies oder dream cults. Üblich war es auch, im humorvollen Spiel einige Tricks aus dem Schamanismus zu übernehmen.[5] Hier lassen sich zeitgenössische Bezüge zum Klinikclown herstellen.

Bei den Plainsindianer waren Contraries solche Individuen, die nicht nur vorübergehend eine spezielle Rolle übernahmen, sondern sie taten konsequent und jederzeit das Gegenteil. Ihr gegensätzliches Verhalten hatte keine Bindung an irgendwelche Performances, Rituale oder Kriege: Die Contraries verhielten sich alltäglich konträr. Diese ethnische Figur der Plainsindianer war einmalig, ohne historische Vorbilder, und sie existierte in keiner anderen Kultur.[6]

Konträres Verhalten war nicht nur bei den Clowns und den Contraries der Plains Indianer ausgeprägt, sondern auch bei Mitgliedern besonderer Krieger-Organisationen. Deren verkehrten Krieger (reverse reaction warriors) reagierten im Kriegsfall auf militärische Befehle mit einer gegenteiligen Reaktion: Wenn zum Beispiel das Signal zum Angriff kam, griffen alle seine Kameraden an, wohingegen der verkehrte Krieger sich zurückzog. Und wenn der Befehl zum Rückzug kam, seine Kameraden den Kampf bereits aufgegeben hatten, dann griff der verkehrte Krieger sofort an.[7]

Literatur

  • John Plant: Heyoka. Die Contraries und Clowns der Plainsindianer. Wyk auf Foehr, 1994; 2. Auflage, 2000, ISBN 3-89510-011-0
  • John Plant: Crazy Dogs and Foolish Men. Sidelights on Plains Indian Culture. In: Eveline Dürr und Stefan Seitz (Hrsg.): Religionsethnologische Beiträge zur Amerikanistik. Ethnologische Studien, Band 31. Lit Verlag, Münster 1997.
  • John Plant: The Plains Clowns, their Contraries and related Phenomena. Wien 2010.
  • Verne Ray: The Contrary Behavior Pattern in American Indian Ceremonialism. In: Southwestern Journal of Anthropology. Nr. 1/1945, S. 75–113.
  • Julian Steward: The Clown in Native North America. Dissertation. University of California, Berkeley, 1929 u. Taylor & Francis 1991.
  • Julian Steward: The Ceremonial Buffoon of the American Indian. In: Papers of the Michigan Academy of Science, Arts and Letters. Nr. 14/1930, S. 187–207.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. John Plant: The Plains Indian Clowns, ..., S. 2.
  2. John Plant: The Plains Indian Clowns, ..., S. 2f.
  3. John Plant: The Plains Indian Clowns, ..., S. 3.
  4. John Plant: Heyoka. Die Contraries und Clowns der Plainsindianer, S. 10
  5. John Plant: The Plains Indian Clowns, ..., S. 4f.
  6. John Plant: The Plains Indian Clowns, ..., S. 15f.
  7. John Plant: The Plains Indian Clowns, ..., S. 23f.

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