Hieronymus Löschenkohl

Hieronymus Löschenkohl

Johann Hieronymus Löschenkohl (getauft 18. März 1753 in Elberfeld, Deutschland; † 11. Januar 1807 in Wien) war Graveur und Kupferstecher und auf diesem Gebiet ein erfolgreicher Unternehmer in Wien.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Löschenkohl kam 1780 im Alter von 28 Jahren aus Deutschland nach Wien und eröffnete ein Geschäft am Hohen Markt. Er begann seine Tätigkeit mit der Anfertigung von Porträt-Silhouetten. Diese prägnanten, fast immer in Schwarz-Weiss ausgeführten und relativ preiswerten Schattenrisse waren seinerzeit sehr beliebt. Löschenkohl und sein Hauptkonkurrent, der in Wien ansässige französische Silhouettenschneider Francois Gonord, bildeten mit ihren Arbeiten weite Kreise der „besseren“ Wiener Gesellschaft ab – Künstler, Angehörige des Adels und wohlhabende Bürgerliche. Besonders erfolgreich war Löschenkohl mit den Porträts berühmter Zeitgenossen wie Joseph Haydn oder Wolfgang Amadeus Mozart, manche seiner Kupferstiche verkaufte er bis zu siebentausendmal. Schon bald konnte er sein Unternehmen an den Kohlmarkt verlegen, eine der besten Geschäftsadressen der Stadt.

Als Kaiser Joseph II. die Zensur abschaffte und vorübergehend Ansätze von Pressefreiheit entstanden, nutzte Löschenkohl die neuen Möglichkeiten und die vielfältigen persönlichen Kontakte, die er durch seine Arbeit hergestellt hatte. An allen wichtigen Schauplätzen der Stadt, auch am kaiserlichen Hof war er zu finden. Seine Firma entwickelte er zur Produktionsstätte für möglichst aktuelle Bilder, oft auf Kosten der künstlerischen Qualität. [1] Bunt kolorierte Kupferstiche zeigten Szenen aus Revolutionen und Kriegen, von Festlichkeiten in Adelshäusern, von spektakulären Verbrechen und besonderen Ereignissen wie der Landung eines Ballons vor den Toren Wiens. [2] Großen Raum nahmen Szenen aus dem Kaiserhaus Habsburg-Lothringen ein – Hochzeiten, Taufen und Todesfälle, patriotische Kommentare zur Innen- und Außenpolitik; nach dem Tod Joseph II. wurden politische Inhalte seltener.

Audienz des Botschafters von Marokko... (1783)

Löschenkohls Verkaufsräume am Kohlmarkt waren eine Quelle optischer Informationen in einer Zeit, in der es noch keine illustrierte Presse gab. Ständig drängten sich hier Menschen, um die neuesten Bilder zu sehen. Die Motive wurden als Einzelblätter verkauft, auch leicht abgewandelt und auf Fächern, Dosen und Spielkarten angebracht. Darüber hinaus stellte Löschenkohl Kalender her, er machte Glückwunschkarten in Wien populär, verkaufte bedruckte Tapeten und verlegte Gesellschaftsspiele. Nicht selten kopierte er die Ideen anderer Hersteller und profitierte dabei zum Teil von der Einfuhrsperre, die für ausländische Produkte galt - einen Schutz für geistiges Eigentum gab es noch nicht. Auch Löschenkohls Aktivitäten wurden nachgeahmt, jedoch war er auf seinem Gebiet so tüchtig, dass er ernsthafte Konkurrenz nicht fürchten musste. In der „Wiener Zeitung“ warb er für seine Erzeugnisse, dort wurde zum Beispiel ein Kupferstich angekündigt, den er anläßlich des Empfanges des Botschafters von Marokko beim Kaiser anfertigte: "Audienz des Bothschafters von Marocco bey Seiner Kaiserl.[ich] Königl.[ich] Apostol.[ischen] Majestät &c.&c. Joseph II. in Wien den 28. Febr. 1783. Seidi Muhamet ein Sohn Seidi Abdullahs ein Enkel Seidi Ismail Sultan von Marocco, Taffilet und Nord-Africa &c. gewidmet von Hieronymus Löschenkohl"[3]

Im April 1959 wurde das „Wien Museum Karlsplatz“, der Neubau des Historischen Museums der Stadt Wien, mit einer Sonderausstellung über Hieronymus Löschenkohl eröffnet. Im Jubiläumsjahr 2009 fand hier abermals eine Ausstellung seiner Bilderproduktion statt. Die künstlerischen Schwächen dieser Arbeiten waren schon von seinen Zeitgenossen kritisiert worden, zudem gingen die Ansichten über den Wahrheitsgehalt der tagesaktuellen Darstellungen gelegentlich weit auseinander. Andererseits werden die Bilder Löschenkohls auch heute noch in Ausstellungen gezeigt und in Büchern wiedergegeben, um die Periode des aufgeklärten Absolutismus unter Kaiser Joseph II. zu illustrieren.

Im Jahr 1912 wurde in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk) die Loeschenkohlgasse nach ihm benannt.

Literatur

  • Reingard Witzmann: Hieronymus Löschenkohl. Bildreporter zwischen Barock und Biedermeier. Edition Tusch, Wien 1978
  • Monika Sommer (Hg.): Hieronymus Löschenkohl. Sensationen aus dem Alten Wien, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Wien Museums, Christian Brandstätter Verlag, Wien 2009, ISBN 978-3-85033-315-3

Einzelnachweise

  1. Bilderflut als Erfolgsrezept in der Wiener Zeitung vom 23. April 2009 abgerufen am 23. April 2009
  2. Sensationen aus dem alten Wien vom 22. April 2009, abgerufen am 23. April 2009
  3. Antiquariat &Kunsthandlung Christian M.Nebehay abgerufen am 23. April 2009

Weblinks

 Commons: Hieronymus Löschenkohl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hieronymus Löschenkohl (Kaufmann) — Hieronymus Löschenkohl (* 1692 in Wien; † 1755 ebenda) war ein Regensburger Großkaufmann und Bankier. Gartenpalais Löschenkohl …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Hieronymus Löschenkohl — (getauft 18. März 1753 in Elberfeld, Deutschland; † 11. Jänner 1807 in Wien) war ein Grafiker und Kupferstecher. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Literatur 3 Einzelnachweise 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Löschenkohl — ist der Name von: Hieronymus Löschenkohl (1753–1807), Wiener Maler und Kupferstecher Hieronymus Löschenkohl (Kaufmann) (1692–1755), Regensburger Kaufmann Außerdem: Palais Löschenkohl in Regensburg …   Deutsch Wikipedia

  • Palais Löschenkohl — Das Palais Löschenkohl im Jahr 2010 Das Palais Löschenkohl ist ein Barockpalais am Neupfarrplatz (Nr. 14) in der Welterbezone der Altstadt von Regensburg. Von 1743 bis zum ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 diente das Anwesen als Sitz der… …   Deutsch Wikipedia

  • Orangerie (Wien-Schönbrunn) — Die Orangerie im Schlosspark Schönbrunn ist das älteste der vier Pflanzenhäuser auf dem Schlossareal in Wien Hietzing. Die Orangerie von Schönbrunn Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Historisches Museum der Stadt Wien — Das Wien Museum ist eine die Museen der Stadt Wien umfassende Museumsgruppe. Neben dem Haupthaus am Karlsplatz und der Hermesvilla existieren zahlreiche Außenstellen in Form von Spezialmuseen, Musikerwohnungen und Ausgrabungsstätten. Die ständige …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Los — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Neupfarrplatz — mit Neupfarrkirche Der Neupfarrplatz liegt im Zentrum der Regensburger Altstadt. Im Mittelalter befand sich an der Stelle des Platzes das Regensburger Judenviertel. Seit 981 n. Chr. gibt es Belege einer jüdischen Gemeinde in Regensburg. Man geht… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Straßennamen von Wien/Rudolfsheim-Fünfhaus — Straßen in Wien I. Innere Stadt | II. Leopoldstadt | III. Landstraße | IV. Wieden | V. Margareten | VI. Mariahilf | VII.  …   Deutsch Wikipedia

  • Wien Museum — Logo Wien Museum Wien Museum am Karlsplatz …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”