Igor Kostin

Igor Kostin

Igor Kostin (* 27. Dezember 1936 in Chișinău, Großrumänien) ist ein moldawisch-ukrainischer Fotograf und Journalist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Igor Kostin ist der Sohn von Féodor, einem Bankangestellten, der später zum Kriegsdienst in die Armee der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik eingezogen wurde, und Nadejda Popowitsch Kostin. Da die Bevölkerung von den sowjet-russischen Behörden und der Armee zunehmend terrorisiert und teilweise in sibirische Gefangenenlager deportiert wurde, begann sein Interesse an schulischer Bildung bald zu erlahmen.

1954 wurde auch Kostin zum Militär eingezogen und arbeitete dort als Sappeur. Während seines Militärdiensts wurde er wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Zuvor erregte der Befehl, wegen des Kalten Kriegs entlang der russischen Grenze Gräben auszuheben, um eine erwartete US-amerikanische Invasion zu stoppen, seinen Unwillen.

Nach seiner Entlassung begann er zunächst, Volleyball zu spielen, und schaffte es dabei bis hinauf zum Kapitän der Nationalmannschaft der Moldawischen Sowjetrepublik, die später in die russische Nationalmannschaft eingegliedert wurde, und nahm an internationalen Turnieren teil. 1969 musste er seine sportliche Karriere aufgrund orthopädischer Probleme beenden. Er begann ein Studium an einem agrarwissenschaftlichen Institut in Chișinău und war mehrere Jahre als Ingenieur in Chișinău und als leitender Ingenieur in einem Unternehmen in Kiew beschäftigt. Anfang, Mitte der 1970er-Jahre verlor Kostin zunehmend das Interesse an diesem Beruf, zumal ihm die niedrige Bezahlung zuwider war. Er beschloss, Fotograf zu werden.

Bereits als Amateurfotograf gewann er mehrere Preise und erhielt mehr als doppelt so viel an Gehalt, übte seine Tätigkeit als Ingenieur aber noch weiter aus. Er erhielt die Möglichkeit, im ukrainischen Fernsehen ein eigenes Fernsehprogramm über Fotografie einzurichten, das jedoch nach eineinhalb Jahren gestrichen wurde. Fortan arbeitete er als Reporter für die Nachrichtenagentur RIA Novosti, zunächst in Moskau, dann in Kiew. Er beendete seine Tätigkeit als Ingenieur nun endgültig und berichtete als Reporter etwa aus dem Vietnamkrieg und dem Sowjetisch-Afghanischen Krieg.[1]

Die Katastrophe von Tschernobyl

Nachdem er aus Afghanistan zurückkehrte, wurde er hauptsächlich nur noch im sowjetischen Inland eingesetzt. Bereits wenige Stunden nach der Katastrophe von Tschernobyl wurde er nach seinen eigenen Angaben von einem befreundeten Hubschrauberpiloten auf diesen Unfall hingewiesen und schoss aus dessen Hubschrauber das erste Foto.[2] In einem Interview mit dem NDR-Kulturjournal sagte später dazu: „Es war ein magisches Bild: das Feuer da unten und alles still wie auf dem Friedhof, wegen der Ohrstöpsel gegen den Hubschrauberlärm. Ich nahm meine Kamera. Ich habe nicht gewusst, was ich tat. Ich öffnete die Hubschraubertür und fotografierte. Wir waren 50 Meter über dem Reaktor. Ich nahm 20, 30 Bilder mit dem automatischen Auslöser auf. Dann versagte die Kamera. Ich nahm eine andere. Auch sie blieb nach fünf, sechs Bildern stehen. Eine Kamera nach der anderen ging kaputt.“[3] Nur ein einziges Bild überstand die radioaktive Strahlung.

Kostin dokumentierte zunächst die Arbeit der ersten sogenannten Liquidatoren, die für vierzig Sekunden auf das Dach des benachbarten Reaktorgebäudes beordert wurden, eine Schaufel Schutt hinunterwarfen und wieder zurückgerannt kamen[3] („Die Bilder der Liquidatoren sind meine absoluten Lieblingsaufnahmen. Sie haben die Drecksarbeit erledigt und von ihnen spricht keiner. Deshalb sollen ihnen meine Bilder ein Denkmal setzen.“ Er selbst war fünfmal „dort oben“.[3]), danach auch Menschen in der und um die sogenannte Todeszone und in Krankenhäusern wie der Moskauer Strahlenklinik Nr. 6, missgebildete Tiere und leere Landschaften, Dörfer und Städte. In jenem Jahr erlitt er eine mehrfach tödliche radioaktive Strahlendosis[3] und muss nun alljährlich zwei Monate lang in einem Moskauer Krankenhaus stationär behandelt werden. Bis heute dokumentiert er fotografisch die Folgen der Katastrophe.

Seine Bilder durften wegen der herrschenden Zensur und der nach dem Unfall ausgerufenen Nachrichtensperre zunächst nicht veröffentlicht werden. Erst ab dem 5. Mai 1986, als er als Journalist einer der wenigen akkreditierten sowjetischen Medien eine offizielle Zugangsberechtigung zu dem betroffenen Gebiet erhielt, durfte er sich dort legal aufhalten.

Kostin arbeitete für die Magazine Time, Newsweek, Paris Match, Libération und Stern. Er ist mit seiner Frau Alla, einer Ingenieurin, verheiratet und lebt in Kiew.[4]

Leistungen

Igor Kostin gilt als der Dokumentator des Unglücks von Tschernobyl. Sein Verdienst besteht darin, diesen ersten großen Unfall in einem Kernkraftwerk unter Nichtberücksichtigung seiner eigenen Gesundheit als eine Warnung für die Nachwelt dokumentiert zu haben, wie er seine Arbeit auch selbst verstanden haben will: „Meine Fotos zeigen die Geschichte, sind aber auch wie eine Gebrauchsanweisung für die nächste Generation.“[3]

Auszeichnungen

1986 erhielt ein Bild aus dem Hubschrauber über Tschernobyl den ersten Preis für das Pressefoto des Jahres in der Kategorie „Science & Technology stories“ von World Press Photo.[5] 1989 erhielt ein weiteres Bild einen Ehrenpreis in der Kategorie „Nature stories“.[6]

Werke

Trivia

Kilian Leypold widmete sein Hörspiel Schwarzer Hund. Weißes Gras, eine Produktion des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 2011, die Elemente aus Tarkowskis Film Stalker aufgreift, dem Fotografen Igor Kostin.[8]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe zu diesem Abschnitt hauptsächlich den englischsprachigen Wikipedia-Artikel.
  2. Igor Kostin photographe, zuletzt abgerufen am 18. März 2011 (französisch). Nach einem Bericht des St. Galler Tagblatt von Susan Boos („Der geborgte Heldenruhm“) vom 27. April 2006, zuletzt abgerufen am 8. Juli 2011, war es jedoch der Werksfotograf Anatoli Rasskasow, der die ersten Bilder schoss.
  3. a b c d e Buchtipp zur Sendung Kulturjournal: „Der Tschernobyl-Fotograf“, NDR, 14. März 2011, zuletzt abgerufen am 20. März 2011
  4. Quellen: Falls nicht anderweitig angegeben, siehe hauptsächlich den englischsprachigen Wikipedia-Artikel.
  5. World Press Photo: 1986, Igor Kostin, 1st prize, Science & Technology stories, zuletzt abgerufen am 19. März 2011. Am rechten Rand der Seite weitere nominierte Fotos von ihm. (englisch)
  6. World Press Photo: 1989, Igor Kostin, Honorable mention, Nature stories, zuletzt abgerufen am 19. März 2011. Auch hier rechts weitere nominierte Fotos von ihm. (englisch)
  7. Rezension bei Perlentaucher
  8. Ursendung am 29. April 2011, 20.30 Uhr in Bayern 2

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Igor Kostin — Igor Fedorovich Kostin (born 27 December 1936 in Bessarabia, Greater Romania) was the only photographer in the world to take pictures of the Chernobyl nuclear disaster near Pripyat in Ukraine, on 26 April 1986 the day of the worst nuclear… …   Wikipedia

  • Igor Kostin — Igor Kostine Pour les articles homonymes, voir Kostine …   Wikipédia en Français

  • Igor kostin — Igor Kostine Pour les articles homonymes, voir Kostine …   Wikipédia en Français

  • Igor Kostin — Igor Fedorovich Kostin es un fotógrafo de origen moldavo. Nace el 27 de diciembre de 1936 (74 años) en Besarabia, Gran Rumanía (actual Moldavia), tres años antes de que su padre, Fiador Kostin, de profesión economista, fuera enviado al… …   Wikipedia Español

  • Kostin — ist der Familienname folgender Personen: Alexander Georgijewitsch Kostin (* 1969), russischer Fußballspieler Igor Kostin (* 1936), moldawisch ukrainischer Fotograf und Journalist Konstantin Kostin (* 1973), lettisch sowjetischer Eiskunstläufer… …   Deutsch Wikipedia

  • Igor Kostine — Pour les articles homonymes, voir Kostine. Igor Kostine (né le 27 décembre 1936 à Chisinau en Moldavie) est un ingénieur et photographe moldave[1] et ukrainien. Son père mourut à Kichinev lors de la Seconde Guerre mondiale. Igor Kostine fut tout …   Wikipédia en Français

  • Chernóbil, la noche del fin del mundo — Chernobil, la noche del fin del mundo Título Chernobil, la noche del fin del mundo Ficha técnica Dirección Iker Jiménez Reparto Iker Jiménez Carmen Porter …   Wikipedia Español

  • List of Belarus-related topics — This is a list of topics related to Belarus. Those interested in the subject can monitor changes to the pages by clicking on Related changes in the sidebar.Belarus* Belarus * Belarusian diplomatic missionsCommunications in Belarus* Communications …   Wikipedia

  • 27. Dezember — Der 27. Dezember ist der 361. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 362. in Schaltjahren), somit bleiben vier Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage November · Dezember · Januar 1 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Katastrophe von Tschornobyl — Reaktor Nr. 4 in Tschernobyl im September 2006 Lage des Kraftwerks in der Nähe von Prypjat Die Katastrophe von Tschernobyl (auch: Super GA …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”