Sowjetisch-afghanischer Krieg

Sowjetisch-afghanischer Krieg

Der sowjetisch-afghanische Krieg (persisch جنگ شوروی در افغانستان; russisch Афганская война/ Afganskaja wojna) bezeichnet die militärische Intervention der Sowjetunion in Afghanistan zwischen 1979 und 1989.

Bewaffnete Mudschaheddin in einem zerstörten Dorf 1988

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Afghanischer Bürgerkrieg bis 1979

Nach der Übernahme der Macht durch die kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) unter Nur Muhammad Taraki am 27. April 1978 betrieb diese eine Annäherung an den Ostblock, um die gesellschaftliche Umgestaltung (Bildungsprogramm, Bodenreform etc.) voranzutreiben.

Insbesondere die Säkularisierung sowie die Vertreibung ehemals privilegierter Gruppen führte zu einem breiten Widerstand, der von der CIA unterstützt wurde. Es gründeten sich in dieser Zeit rund 30 Mudschahedin-Gruppen. Um die politische Zielstellung kam es auch zu Auseinandersetzungen innerhalb der DVPA. Mit der Ermordung Tarakis übernahm Hafizullah Amin im September 1979 die Macht und versuchte den Widerstand niederzuschlagen. In der Folge eskalierte der Bürgerkrieg.

Taraki hatte mehrfach und dringend um sowjetische Militärhilfe gebeten, um innere Unruhen zu bekämpfen. Damals lehnte die Sowjetunion, unter anderem wegen des hohen außenpolitischen Risikos, die militärische Hilfe ab.

Sowjetische Invasion

Verlauf der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979
Sowjetischer Soldat bezieht Stellung in einem Haus in Afghanistan, 1988. Foto: Michail Jewstafjew

In der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 1979 landeten die ersten von 7.000 sowjetischen Elitesoldaten der 103. Luftlandedivision aus dem weißrussischen Witebsk in Kabul und besetzten neben dem Flughafen auch zentrale Punkte in der Hauptstadt. Am 27. Dezember 1979 marschierten sowjetische Truppen der 5. und 108. Motorisierten Schützendivision über die Landesgrenze in Afghanistan ein. Mit der Operation Sturm–333 erreichten Teile einer insgesamt 650 Mann starken Sondereinheit des KGB (darunter auch Speznas) am 27. Dezember 1979 den Regierungspalast. Der afghanische Ministerpräsident Hafizullah Amin wurde von Soldaten in afghanischen Uniformen getötet. Die Regierungsgeschäfte übernahm Babrak Karmal, der versuchte, einerseits den Bürgerkrieg zu deeskalieren und andererseits die Anbindung an die Sowjetunion, unter anderem durch ein Abkommen über eine Truppenstationierung, zu stärken.

Bereits im Februar 1980 standen 85.000 Sowjetsoldaten im Land und die Truppenstärke wurde bis 1988 weiter auf etwa 115.000 vergrößert.

Die Besetzung wurde umgehend von den westlichen und den islamischen Staaten verurteilt. Sie überschattete die Olympischen Sommerspiele 1980 (Moskau/Tallinn), die von vielen Staaten boykottiert wurden. Große Teile der afghanischen Armee schlossen sich dem Widerstand an und die Mudschaheddin erfuhren internationale Unterstützung. Am 21. März 1980 gründete sich die Islamische Allianz für die Freiheit Afghanistans als ein Bündnis islamistischer und monarchistischer Gruppierungen. Diese waren untereinander selbst zerstritten und die Kooperation beschränkte sich auf die Bekämpfung der kommunistischen Herrschaft. Der Krieg wurde von beiden Seiten rücksichtslos und grausam geführt [1].

Mudschahedin bewaffnet mit einem Strela-2-MANPADS

Der Kampf gegen die sowjetischen Invasoren und die kommunistische Regierung wurde von einer Allianz aus sieben islamischen Parteien geführt, die ihren Generalstab in Pakistan hatten und untereinander zerstritten waren. Die Anführer dieser Parteien wurden von der westlichen Presse auch Warlords („Kriegsherren“) genannt. Den sowjetischen und afghanischen Regierungstruppen gelang es trotz ihrer militärischer Überlegenheit und Lufthoheit nicht, den Widerstand der Mudschaheddin zu brechen. Zwar konnten sie schnell wichtige Städte und Straßen besetzen, über Gebiete außerhalb der großen Städte hatten sie jedoch keine Kontrolle. Im Jahr 1982 wurde schließlich eine militärische Pattsituation erreicht, während der Kampf auf beiden Seiten immer brutaler geführt wurde. Eine Wende in dem andauernden Konflikt kam erst 1986 mit der Wahl von Michail Gorbatschow zum neuen Generalsekretär der KPdSU, der mit dem Versprechen angetreten war, den Krieg in Afghanistan zu beenden. Außerdem verloren die sowjetischen Truppen infolge der Lieferung von hochmodernen Stinger-Raketen an die Mudschaheddin durch die CIA die Lufthoheit über das Land. Die sowjetische Führung gelangte zu der Einsicht, dass der Krieg nicht zu gewinnen war und suchte nach einem Weg, die Truppen aus dem Land abzuziehen.

Im Mai 1986 löste Mohammed Nadschibullah Karmal als Regierungschef ab und versuchte, durch Verhandlungen den Krieg zu entschärfen. Babrak Karmal blieb aber bis zum 20. November 1986 Vorsitzender des Revolutionsrates und somit Staatsoberhaupt

Abzug der sowjetischen Truppen und der Weg in den neuen Bürgerkrieg

Die seit 1982 in Genf unter Vermittlung der Vereinten Nationen geführten indirekten Verhandlungen zwischen Afghanistan und Pakistan führten am 14. April 1988 zur Unterzeichnung eines Vertrages, der die Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Staaten und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen Staates vorsah. Ergänzend wurde die Rückkehr der in Pakistan befindlichen afghanischen Flüchtlinge vereinbart. Die Sowjetunion und die USA garantierten den Verzicht auf jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistans. Der Rückzug der sowjetischen Truppen sollte bis Mitte Februar 1989 erfolgen. Die Mudschaheddin lehnten das am 15. Mai 1988 in Kraft getretene Abkommen ab und wollten sich auch nicht an der Koalitionsregierung unter Nadschibullah beteiligen. Ab Mai 1988 begann die Sowjetunion mit dem Abzug der offiziell 100.300 Soldaten aus Afghanistan, wurden aber weiterhin von den Mudschaheddin angegriffen, so dass im Juli 1988 die sowjetischen Soldaten erneut in Kämpfe verwickelt wurden.[2]

Schließlich zogen die sowjetischen Truppen zwischen dem 15. Mai 1988 und 15. Februar 1989 endgültig ab. Afghanistan hatte zwischen 1 und 1,5 Millionen Tote zu beklagen, fünf Millionen Menschen waren wegen des Krieges aus dem Land geflohen. Auf sowjetischer Seite starben in den knapp zehn Jahren der Intervention etwa 15.000 Soldaten. Weitere Zehntausende wurden verwundet beziehungsweise gesundheitlich und psychisch für ihr Leben gezeichnet.

Der Abzug der sowjetischen Truppen hinterließ Afghanistan politisch und militärisch ohne Ordnung. Die Regierung Mohammed Nadschibullah war ebenso wie der heterogene Widerstand nicht in der Lage, einen Führungsanspruch auszubauen und eine in der Bevölkerung mehrheitlich akzeptierte Regierung zu bilden. Bereits im Januar 1989 wurde das von den Mudschaheddin eingeschlossene Kabul nur noch über eine sowjetische Luftbrücke versorgt. Die antikommunistischen Widerstandsorganisationen bildeten im Februar 1989 eine Gegenregierung im pakistanischen Peschawar. Nach dem Abzug des letzten sowjetischen Soldaten am 15. Februar 1989 leistete die Sowjetunion anfangs noch materielle Unterstützung für die Führung in Kabul. Da im Genfer Abkommen nur der Abzug der Streitkräfte geregelt war, verblieben zahlreiche sowjetische Berater in Kabul. Bis zum Sommer tobte die Schlacht um Jalalabad, in der die Gruppen der Mudschaheddin erfolglos bleiben. Die Mudschaheddin, insbesondere deren größte Parteien Hezb-e Eslami (Hekmatyar) und Dschamiat-e Eslami-ye Afghanistan unter Burhanuddin Rabbani verstrickten sich in Kämpfe untereinander, die über Jahre hinweg anhielten. Im Frühjahr 1990 unternahm der damalige Kriegsminister Schah Nawaz Tanai einen Putschversuch gegen Nadschibullah. Dieser scheiterte und es folgten politische Säuberungen. Gleichwohl gab infolge des zunehmenden Widerstands die kommunistische Regierungspartei im Juni 1990 ihr Machtmonopol auf und benannte sich in „Heimatpartei“ („Watan“) um.

Bis zum Frühjahr 1992 brachten die Mudschaheddin den größten Teil von Afghanistan militärisch unter ihre Kontrolle. Am 16. April 1992 gab Nadschibullah auf Vermittlung der UN die Macht ab, nachdem die Sowjetunion sich bereit erklärt hatte, eine islamische Regierung in Afghanistan zu akzeptieren, und sich mit den USA auf die Einstellung der jeweiligen Militärhilfe geeinigt hatte. Ein Vierrat aus Nadschibullahs Watan-Partei übernahm die politische Führung. Am 25. April 1992 wurde Kabul kampflos an die Mudschaheddin übergeben und in sechs Einflussbereiche aufgeteilt, deren Grenzen vermint waren. Die Mudschaheddin übernahmen in den folgenden Tagen auch alle übrigen Städte und Garnisonen in der Umgebung. Die verschiedenen Mudschaheddin-Gruppierungen begannen jedoch sofort nach der Eroberung Kabuls, sich gegenseitig zu bekämpfen. Es entbrannte ein weiterer Bürgerkrieg.

Aus den folgenden Auseinandersetzungen, die nur noch auf geringes Interesse im Westen stießen, gingen schließlich die fundamentalistischen Taliban als Sieger hervor und errichteten einen islamistischen Gottesstaat.

Rolle der einzelnen Staaten

Pakistan

Bereitstellung der Ressourcen im Afghanistankrieg (nach Yousaf, The Bear Trap)

Zum Zeitpunkt des Einmarsches der sowjetischen Truppen hatte Pakistan ein islamistisches Regime unter der Führung des Präsidenten Zia. Pakistan fühlte sich von der nach Afghanistan vordringenden Sowjetunion im Westen und dem Sowjet-Alliierten Indien im Osten in seiner Existenz bedroht und wollte einem möglichen koordinierten Angriff der beiden Atommächte vorbeugen. Dabei spielte sowohl die Verteidigung des Islam als auch des pakistanischen Staates eine Rolle. Der Präsident beauftragte den als die zweitgrößte Autorität des Landes geltenden Generaldirektor des Geheimdienstes, General Akhtar Abdur Rahman Shaheed, mit der Ausarbeitung möglicher Lösungen und entschied sich schließlich für die geheime Unterstützung der Mudschahedin. Zia hoffte auf Unterstützung seitens der arabischen Welt als Kämpfer für den Islam und seitens des Westens als Gegner des Kommunismus.

Die Aufgabe des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence (ISI) lag in der Organisation und Ausbildung der verschiedenen Mudschahedin-Gruppen, der Verteilung von Waffen und anderer Ressourcen als Mittelsmann sowie der strategischen Planung des Krieges. Dabei wandte Pakistan die „Strategie der tausend Nadelstiche“ an, die darin bestand, durch eine große Zahl von Guerilla-Angriffen den Feind zu destabilisieren. Von offizieller Seite wurde Pakistans Rolle im Afghanistan-Krieg stets bestritten.

Der Stützpunkt der ISI, von dem aus der Afghanistan-Krieg geleitet wurde, war das Ojhri-Lager im Norden von Rawalpindi. Neben einem Lager, das 70 Prozent der Waffen passierten, befand sich dort auch ein Trainingslager mit Simulatoren, das später insbesondere für die Stinger-Raketen verwendet wurde sowie eine Einheit zur psychologischen Kriegführung. Weitere Lager der ISI befanden sich unter anderem in der Nähe der Mudschahedin-Quartiere in Peshawar und Quetta. Von 1984 bis 1987 absolvierten über 80.000 Mudschahedin in pakistanischen Lagern eine Waffenausbildung.

Vereinigte Staaten

In den ersten Monaten des Krieges standen das Pentagon und die CIA einer Unterstützung Zias reserviert gegenüber, da eine baldige Kontrolle Afghanistans durch die Sowjetunion unausweichlich schien. Tatsächlich wurde nach der Einnahme Kabuls das neue Regime von den USA anerkannt, indem sie den Botschafter Adolph Dubs als diplomatischen Vertreter in die afghanische Hauptstadt sandten.

Führende Mitglieder der CIA, einschließlich ihres Direktors William Casey, betrachteten einen Krieg jedoch bald nicht nur als Möglichkeit zum Kampf gegen den Kommunismus im Allgemeinen. Es bot sich Gelegenheit, die Scharte des zuvor verlorenen Vietnamkriegs in Afghanistan auszuwetzen. Die Rolle der CIA lag sowohl in der Bereitstellung von Waffen als auch in der Unterstützung Pakistans durch Geheimdienstinformationen wie Satellitenaufnahmen und abgehörte Funksprüche der Sowjetischen Armee.

Die finanziellen Beiträge zum Krieg kamen etwa zur Hälfte von den USA und zur Hälfte von Saudi-Arabien. Sie beliefen sich auf mehrere hundert Millionen Dollar pro Jahr. Die Waffen stammten aus China, Ägypten, Israel, den USA, Großbritannien und weiteren Staaten. Sie wurden von der CIA nach Pakistan geliefert, von wo die ISI sie an die Stützpunkte der Mudschahedin-Führer verteilte.

Wahrnehmung in westlichen Staaten

Da aufgrund der schwierigen Bedingungen des in äußerst hartem Terrain stattfindenden Guerilla-Kampfes nur wenige Journalisten die Mudschahedin begleiteten, blieben die vom Krieg veröffentlichten Informationen oft ungenau. Einige Journalisten überredeten die Mudschahedin-Kommandanten, vor laufender Kamera Raketenangriffe zu simulieren. Ein Großteil der Filmaufnahmen des Kriegs wurde von Privatleuten gemacht, die mit diesem Material in westlichen Staaten um finanzielle Unterstützung für die Mudschahedin warben. Ein weiterer großer Teil der privat erstellten Filmaufnahmen hatte die Situation der Flüchtlinge zum Thema, die in den pakistanischen und iranischen Flüchtlingslagern auf Hilfe von außen angewiesen waren.

Folgen für die Sowjetunion

Der afghanische Krieg war in der Sowjetunion selbst äußerst unpopulär. Die sowjetische Bevölkerung konnte sich mit den Zielen des Einsatzes „in der fremden Wüste“ nicht identifizieren, was in einem Vertrauensverlust der sowjetischen Bevölkerung zur politischen Führung resultierte. Der Afghanistankrieg und dessen enorme Kosten beschleunigten damit den Zersetzungsprozess Ende der achtziger Jahre innerhalb der UdSSR noch, auch wenn Angriffe der Mudschaheddin auf sowjetisches Territorium die Ausnahme blieben [3]. Die Erfahrungen des Krieges werden bis jetzt häufig in Büchern und Spielfilmen aufgearbeitet, zum Beispiel in Die Neunte Kompanie.

Siehe auch

Quellen

  1. Amnesty International / Länderbericht vom 11. Januar 2001
  2. Knaurs Weltspiegel 1989, ISBN 3-426-07797-3
  3. Maley, William, The Afghanistan Wars, 1. Auflage 2002, Palgrave Macmillan, Houndmills, Basingstoke, Hampshire 2002 S.159 - 162

Literatur

  • Gennadi Botscharow: Die Erschütterung. Afghanistan - Das sowjetische Vietnam. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-746-60070-7
  • David N. Gibbs: Die Hintergründe der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979. In: Bernd Greiner /Christian Th. Müller / Dierk Walter (Hrsg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg. Hamburg, 2006, ISBN 3-936096-61-9, S. 291-314. (Rezension von H. Hoff, Rezension von I. Küpeli)
  • David C. Isby: War in a Distant Country – Afghanistan: Invasion and Resistance, Arms and Armour Press 1986, ISBN 0-853-68769-2
  • Robert D. Kaplan: Soldiers of God: With Islamic Warriors in Afghanistan and Pakistan, Houghton Mifflin Company 1990, ISBN 1-400-03025-0
  • Mark Urban: War in Afghanistan, Macmillan Press 1988, ISBN 0-333-51478-5
  • Mohammad Yousaf, Mark Adkin: Afghanistan – The Bear Trap: The Defeat of a Superpower. Casemate 2001, ISBN 0-971-17092-4 (deutsche Übersetzung: Die Bärenfalle. Der Kampf der Mudschaheddin gegen die Rote Armee - ISBN 3-924753-50-4 bzw. ISBN 3-89555-482-0)
  • Allan, Pierre, Klay, Dieter: Zwischen Bürokratie und Ideologie: Entscheidungsprozesse in Moskaus Afghanistankonflikt, 1. Auflage 1999, Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien 1999.
  • Borer, Douglas A.: Superpowers defeated Vietnam and Afghanistan compared, 1. Auflage 1999, Frank Cass Publishers, London 1999.
  • Pohly, Michael: Krieg und Widerstand in Afghanistan: Ursachen, Verlauf und Folgen seit 1978, 1. Auflage 1992, Das Arabische Buch, Berlin 1992.
  • Maley, William: The Afghanistan Wars, 1. Auflage 2002, Palgrave Macmillan, Houndmills, Basingstoke, Hampshire 2002.
  • Fröhlich, Konstanze: Krisenherd Afghanistan eine Analyse der regionalen sicherheitspolitischen Auswirkungen, 1979 – 2004, 1. Auflage 2005, Arnold-Bergstraesser-Inst., Freiburg im Breisgau 2005.

Weblinks


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