Irina Wittmer

Irina Wittmer
Irina Wittmer (2009)

Irina Wittmer (* 26. Februar 1953 in Karlsruhe als Eveline Irina Nagel) ist eine deutsche Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Irina Wittmer wuchs in dem nordbadischen Dorf Linkenheim auf. Eltern, Großeltern, eine Tante mit ihrer Familie und eine Flüchtlingsfrau lebten in einem Fachwerkhaus zusammen. Der Großvater betrieb im Hof seine Zimmerei und Schreinerei, der Vater verdiente sein Geld als Beamter in der Stadt, die Frauen unterhielten eine kleine Landwirtschaft. Wittmer besuchte nach der Volksschule ein Mädchengymnasium in Karlsruhe. 1966 wurde ein Bruder geboren, bald darauf zog die Familie nach La Paz in Bolivien, wo der Vater einem Expertenauftrag für die Wasserwirtschaft nachging. Nach Schulschwierigkeiten und im Aufbegehren gegen die Eltern beschloss Wittmer im Alter von 17 Jahren, selbständig zu werden. Sie reiste allein nach Deutschland zurück und absolvierte dort eine Ausbildung. 1975 heiratete sie Volker Wittmer. Sie arbeitete als OP-Schwester und unterrichtete an einer Krankenpflegeschule. Das Paar lebte von 1981 bis 1983 im mexikanischen Cuernavaca und hat einen Sohn. Irina Wittmer wohnt heute in Mainz.

Werk

Mit 35 Jahren begann Wittmer als Schriftstellerin zu arbeiten. Vor allem durch Radiosendungen im Bayerischen Rundfunk, Südwestfunk und im Saarländischen Rundfunk wurde sie anfangs ermutigt. 1991 erschien im Patio-Verlag Eine Wintergeschichte für H.- Die durch Wiederholen entstehende Bewegung.

Irritationen provozierte 1998 der Roman Die Stimme der Königin der Nacht beim Üben, in dem sie mit Motiven aus ihrer badischen Kindheit und Jugend spielt.

In den letzten Jahren beschäftigt sich Wittmer vor allem mit jüdischer Geschichte und Kultur. Neben dem Roman Exodus, den ihr jemand zum Lesen gab, wurde dieses Interesse hauptsächlich durch die Umgebung aus geflüchteten Juden und geflüchteten Nationalsozialisten ausgelöst, auf die sie in Bolivien getroffen war.

Sechs Jahre lang war sie zudem erste Vorsitzende des Vereins, der sich in Mainz für den Synagogenneubau eingesetzt hat. Sie initiierte die Gesprächsreihe Stichwort: jüdisch und war wesentlich an der Gründung der Magenza–Stiftung für jüdisches Leben in Mainz beteiligt.

Durch die Arbeit an einem Radiofeature über das Leben von Anna Seghers wurde Wittmer zu ihrem zuletzt erschienenen Buch Ausflug der toten Bräute – Acht fiktive Begegnungen mit Anna Seghers und dem jüdischen Mainz angeregt. Hier zieht Wittmer eine direkte Verbindung von den Kreuzzügen bis zur Nazidiktatur und der Herrschaft Stalins.

Mit dem 2009 für ihren Sohn Jan Carlos Wittmer, der Sprechkunst studiert, geschriebenen Erzählmonolog Gustavo Taronas Besuch in Linz bewegt sich Wittmer gedanklich zurück zu ihren Anfängen. Wesentlich beeinflusst von Adalbert Stifter schickt sie einen Studenten, der für ein Literaturmagazin berichten soll, zu dem alternden, kranken Dichter. Dabei geht es um Gelingen und Scheitern bei der Gestaltung von Lebensglück durch Kunst.

Die Zusammenarbeit mit Das literarische Echo im Campus-Radio der Carleton University in Ottawa[1] führte Irina Wittmer im Jahr 2010 zu Lesungen und Radioproduktionen nach Kanada. Im selben Jahr entwickelte sie im Rahmen ihres Projekts Philosophie trifft Handwerk eine Lese- und Schreibwerkstatt für Jugendliche in der Ausbildung. An Berufsschulen wird hier zur Auseinandersetzung mit der Lebenswirksamkeit von Kunst verschiedenen Fragen nachgegangen: Was ist Kunst? Wird der Blick auf die Welt durch Gemälde, Musik, Literatur beeinflusst? Kann Kunst helfen, das Leben leichter zu bewältigen? Die Diskussionen werden durch Übungen in phantasievollem Schreiben von „Tagebuchnotizen“ ergänzt. Ideengebend war der Aufsatz Die Aktualität des Schönen – Kunst als Spiel, Symbol und Fest von Hans-Georg Gadamer.

Zudem ist Irina Wittmer Mitglied des Beirates für den Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis 2012, der im Februar an Barbara Honigmann verliehen wird.[2]

Rezeption

„Es war Wittmers Erstveröffentlichung, die gleich zum rheinland-pfälzischen Buch des Jahres avancierte. Dies nicht zuletzt wegen des virtuosen Sprachgebrauchs und der unkonventionellen Erzählstruktur. In immer neuen Annäherungen, im dynamischen Wechselspiel von Wiederholung und Variation umkreist Wittmers Erzählung die Wirklichkeit, die schließlich in endlosen Satzkaskaden zu zerfließen scheint.“

Literaturlexikon Rheinland-Pfalz[3]

„Wittmer nähert sich der berühmten Kollegin in einem ganz eigenen Ton. Ihre Prosa läßt sich nicht nebenbei konsumieren, sie fordert zur genauen Lektüre heraus.“

Gerd Blase, Rheinzeitung, 30. Oktober 2008[4]

Auszeichnungen

Veröffentlichungen

Bücher

  • Eine Wintergeschichte für H. – Die durch Wiederholen entstehende Bewegung, Neu-Isenburg (Patio-Verlag), 1991, 20 S.
  • Die Sonntagsreisen eines Landarztes, Frankfurt (Brandes&Apsel) 1994, 79.S., ISBN 3-86099-435-2
  • Was werden Sie denn sterben, Neu-Isenburg (Patio-Verlag), 1995
  • Die Stimme der Königin der Nacht beim Üben, Blieskastel (Gollenstein-Verlag), 1998, 326 S., ISBN 3-930008-26-2
  • Linda Haselwander, Alf/Mosel (Rhein-Mosel-Verlag) 2005, 296 S., ISBN 3-89801-203-4
  • Ausflug der toten Bräute - Acht fiktive Begegnungen mit Anna Seghers und dem jüdischen Mainz, 2009, Privatdruck, ISBN 978-3-00-028847-0

Beiträge in Anthologien und Jahrbüchern (Auswahl)

  • 1992: Donata (Brandes & Apsel )
  • 1993: Die Wand (Brandes & Apsel )
  • 1994: In memoriam Oma Kau(Brandes & Apsel )
  • 1996: Zur Anwesenheit (Brandes & Apsel )
  • 2001: Nix wie ein alter Hut? Ein Versuch über Frauen und ihre Sprache (Brandes & Apsel )
  • 2004: Vom Ende der Kunst (Rhein-Mosel-Verlag).
  • 2006: Die Geliebte des Großvaters (Brandes & Apsel)
  • 2006: Zwölf Stunden im Leben einer Schriftstellerin (Rhein-Mosel-Verlag)
  • 2010: Dort wo die Verkleidung Löcher hat (Rhein-Mosel-Verlag)

Radio-Hörspiele

  • 1995: Von der klugen Else, Hörspiel, SR
  • 1996: Ein Sterbekurs für Anfänger, Produktion SR. Übernahme und Ursendung unter dem Titel Richtig leben, schöner sterben durch den HR.
  • 2001: Leonies Schirm, Hörspiel, DeutschlandRadio Berlin

Radiofeatures

alle für den SWR, ca. 55 Minuten
  • 2003: Nur langsame Sätze sind erotisch – Aus dem Leben einer Schriftstellerin
  • 2003: Und ich höre nicht aus zu fragen – Glanz und Elend der beiden letzten Synagogen in Mainz
  • 2006: Ein Jude malt Jesus - Die Chagallfenster von St. Stephan zu Mainz
  • 2007: Auf der Suche nach dem wirklichen Blau – Ein Versuch über Anna Seghers

Einzelnachweise

  1. Archiv von Das literarische Echo
  2. Andreas Riechert: Entschlackte Poesie, Wiesbadener Tagblatt, 26. Oktober 2011, Zugriff am 13. November 2011
  3. Literaturlexikon Rheinland-Pfalz: Irina Wittmer, Josef Zierden, Frankfurt a.M., Brandes & Apsel 1998, 1. Aufl.
  4. Gerd Blase: Irina Wittmer ist Autorin des Monats – Von der hohen Kunst des Weglassens. Rheinzeitung vom 30. Oktober 2008.

Weblinks


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