Isidor Sadger

Isidor Sadger

Isidor Isaak Sadger (* 29. Oktober 1867 in Neu-Sandez, Galizien; † 21. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt) war ein jüdischer Arzt und Psychoanalytiker in Wien.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sadger hatte ab 1885 in Wien Medizin studiert. Er war einer der ersten ärztlichen Kollegen, die sich für Sigmund Freuds neue Lehre der Psychoanalyse interessierten. 1906 wurde er in Freuds sogenannte Psychologische Mittwochsgesellschaft — der Vorläuferin der 1908 gegründeten Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) — aufgenommen. Über die Schriftsteller Heinrich von Kleist, Nikolaus Lenau und Conrad Ferdinand Meyer schrieb er psychoanalytische Biographien und verfasste für mehrere Wiener Zeitungen Literatur- und Theaterkritiken. Er beschäftigte sich speziell mit Narzissmus, Homosexualität und Fetischismus. Der Begriff Sadomasochismus wurde 1913 von ihm geprägt. Mit seiner Lehre von den Geschlechtsverirrungen (1921) wollte er der noch jungen Sexualwissenschaft eine psychoanalytische Basis schaffen. Seit 1923 war er Lehranalytiker am Wiener Psychoanalytischen Institut. In den späten 1920er Jahren verfasste er Erinnerungen an seine Begegnungen mit Freud, die, weil er darin Freuds Tod vorwegnahm (Freud starb 1939), erst nach dessen Tod erscheinen sollten. Als sein Manuskript dennoch 1930 bekannt wurde, erzeugte dies einen Skandal, als dessen Folge er aus der WPV austrat.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 blieb Sadger in Wien. Er wurde im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 21. Dezember 1942 starb. Seine persönliche Habe wurde vernichtet und seine amtlichen Spuren wurden von der Wiener Bürokratie Im Zuge der Judenvernichtung ausgelöscht.

Schriften (Auswahl)

  • Heinrich von Kleist: Eine pathographisch-Psychologische Studie. Wiesbaden: Verlag von J. F. Bergmann, 1910
  • Über den sado-masochistischen Komplex. In: Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, Bd. 5, 1913, S. 157-232
  • Über Nachtwandeln und Mondsucht: eine medizinisch-literarische Studie. Schriften zur angewandten Seelenkunde Heft 16; Leipzig 1914
  • Neue Forschungen zur Homosexualität. Berlin: Fischer's Med. Buchh., 1915
  • Die Lehre von den Geschlechtsverirrungen (Psychopathia sexualis) auf psychoanalytischer Grundlage. Verlag: Deuticke, Leipzig, Wien; 1921
  • Ein Beitrag zum Verständnis des Sado-Masochismus. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, Bd. 7, Nr. 3-4, 1926, S. 413-421
  • Sigmund Freud: Persönliche Erinnerungen. (1930) Tübingen: Edition Diskord 2006 ISBN 3-89295-768-1

Literatur

  • M. Ernegger: Sadger Isidor. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 9, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1988, ISBN 3-7001-1483-4, S. 373.
  • Martin Bölle: Psychonanalytische Behandlung eines Asthma-Kranken durch Isidor Sadger im Jahre 1911, in: Adolf-Ernst Meyer, Ulrich Lamparter (Hrsg.): Pioniere der Psychosomatik. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte ganzheitlicher Medizin, Heidelberg : Asanger 1994 , S. 49-65

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Isidor (Vorname) — Isidor ist ein christlicher männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung 2 Verbreitung 3 Namenstag 4 Varianten …   Deutsch Wikipedia

  • Isidor Isaak Sadger — (* 29. Oktober 1867 in Neu Sandez, Galizien; † 21. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt) war ein jüdischer Arzt und Psychoanalytiker in Wien. Sadger war einer der ersten Kollegen, die sich für Sigmund Freuds neue Lehre der ärztlichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Sadger — Isidor Isaak Sadger (* 29. Oktober 1867 in Neu Sandez, Galizien; † 21. Dezember 1942 im Ghetto Theresienstadt) war ein jüdischer Arzt und Psychoanalytiker in Wien. Sadger war einer der ersten Kollegen, die sich für Sigmund Freuds neue Lehre der… …   Deutsch Wikipedia

  • Isidor Isaak Sadger — (1867 December 1942) was a forensic doctor and psychoanalyst in Vienna. He studied with Sigmund Freud from 1895 to 1904 with a concentration in homosexuality and fetishism and coined the term Sadomasochismus (sadomasochism) in 1913. In September… …   Wikipedia

  • Conversion therapy — Conversion therapy, sometimes called reparative therapy or reorientation therapy, is one type of sexual orientation change effort that attempts to change the sexual orientation of a person from homosexual or bisexual to heterosexual.[1] These… …   Wikipedia

  • BDSM — Das Halsband ist neben dem Ring der O ein gebräuchliches Symbol des BDSM BDSM ist die heute in der Fachliteratur gebräuchliche Sammelbezeichnung für eine Gruppe miteinander verwandter sexueller Vorlieben, die oft unschärfer als… …   Deutsch Wikipedia

  • Sadomasochismus — Klassifikation nach ICD 10 F65 Störung der Sexualpräferenz F65.5 Sadomasochismus …   Deutsch Wikipedia

  • 1867 — Portal Geschichte | Portal Biografien | Aktuelle Ereignisse | Jahreskalender ◄ | 18. Jahrhundert | 19. Jahrhundert | 20. Jahrhundert | ► ◄ | 1830er | 1840er | 1850er | 1860er | 1870er | 1880er | 1890er | ► ◄◄ | ◄ | 1863 | 1864 | 1865 | 18 …   Deutsch Wikipedia

  • Donatien Alphonse François de Sade — Porträt de Sades von Van Loo ( 1761) Donatien Alphonse François, Marquis de Sade [dɔnaˈsjɛ̃ alˈfɔ̃ːs fʀɑ̃ˈswa, maʀˌkidəˈsad] (* 2. Juni 1740 in Paris; † 2. Dezember 1814 in Charenton Saint Maurice bei Paris) war ein f …   Deutsch Wikipedia

  • Hermine Hug-Hellmuth — (* 31. August 1871 in Wien als Hermine Hug Edle von Hugenstein; † 9. September 1924 ebenda) war eine österreichische Wegbereiterin der Kinderpsychoanalyse. Als Leiterein der Erziehungsberatungsstelle in Wien setzte sie schon in den späten 10er… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”