Karl Gebauer

Karl Gebauer

Karl Gebauer (* 14. November 1931 in Wiesbaden; † 17. August 2002 in Dresden) war ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und ehemaliger Sicherheitsbeauftragter der Firma IBM-Sondersysteme in Wilhelmshaven, wo u.a. elektronische Systeme besonders für die Bundesmarine entwickelt wurden. Von 1975 bis 1985 war Informant des MfS, und wurde dort als Inoffizieller Mitarbeiter "Klaus Reuter" durch die Abteilung IX der HV A (Gegenspionage) geführt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Sohn eines Sozialdemokraten wuchs Gebauer in Wiesbaden auf. Dort lernte er auch Buchbinder und Buchdrucker und wurde Mitglied der SPD. In seiner Autobiografie nannte er sich selbst einen überzeugten Demokrat, Pazifist und von der demokratischen Substanz des Grundgesetzes überzeugt.

Während seiner Tätigkeit bei der Firma IBM, wo Einblick in geheime Rüstungsprojekte der BRD und NATO hatte, kollidierten diese Tätigkeiten und Informationen mit seiner Überzeugung. 1975 kontaktierte er daher in Ostberlin einen Vertreter der MfS-Spionageabwehr (Abteilung IX). Nach eigenen Darstellungen war sein Ziel die militärstrategische Parität zwischen der NATO und den Staaten des Warscher Vertrages zu wahren und somit den Frieden für Europa und die Welt zu erhalten.

Der Vorgang "Klaus Reuter" wurde bei der HV A als Sondervorgang geführt, da Gebauer als Sicherheitsbeauftragter bei IBM Zugang zu allen Verschlusssachen, sämtlicher Sicherheitsstufen, hatte und über zahlreiche gute Kontakte zu den Nachrichtendiensten der BRD verfügte. Dadurch erhielt er auch Kenntnis eines "Tenne" genannten Projekts, welches die Planungen von Angriffsoperationen der Marinestreitkräfte der der NATO-Verbündeten im Ostseeraum beinhaltete. Aus den von ihm der HV A übergebenen Unterlagen war zu entnehmen, dass es sich um ernsthafte Planungen zu einem Erstschlag durch die NATO in der Ostsee in den 1960er und 1970er Jahren handelte. Bevor er diese Informationen dem MfS übergab hatte er vergeblich versucht die Öffentlichkeit in der BRD für diese Aktivitäten zu sensibilisieren. .

In den folgenden Jahren lieferte er dem MfS rund 35.000 Blatt Informationen. Im Jahr 1985 beendete Gebauer auf eigenen Wunsch, und vorab auch vereinbart, seine Tätigkeit für das MfS und dort wurde die Vorgangsakte geschlossen.

Strafrechtliche Verurteilung nach 1990

Im Mai 1992 wurde er, nach dem Verrat durch den ehemaligen HV A-Oberst Karl-Christoph Großmann, festgenommen und 1994 in einem nichtöffentlichen Verfahren vom Kammergericht Berlin wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit bzw. Landesverrat zu 12 Jahren Haft verurteilt.[1] Nach Einschätzungen des Gerichts führten die Informationen Gebauers an das MfS dazu, dass die NATO einen Seekrieg in der Ostsee, den diese ja selbst planten, verloren hätten. Durch das "Jeversche Wochenblatt" vom 28. Januar 1994 wurde nach diesem Urteil und der Verfahrensform die Frage "Einseitig Recht gesprochen?" aufgeworfen. Im Artikel hieß es hierzu: Was beim Prozeß nur von Gebauer zur Sprache gebracht, offiziell allerdings auch nie dementiert wurde, war seine gleichzeitige Zusammenarbeit mit dem niedersächsischen Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst. Ein der Redaktion vorliegendes Schreiben bestätigt die Zusammenarbeit mit dem westdeutschen Verfassungsschutz, doch vor Gericht spielte sie keine Rolle, wurde nicht einmal richtig zur Kenntnis genommen. Für einen Laien ist es schwer, ein Gerichtsurteil zu kommentieren. Doch im Fall Gebauer bleibt der fade Beigeschmack zurück, dass hier einseitig Recht gesprochen wurde, um dem Ansehen deutscher Geheimdienste nicht zu schaden.

Am 15 Mai 1998 wurde er durch Bundespräsident Roman Herzog wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes und öffentlicher Intervention begnadigt und versuchte danach in seinen Memoiren diese Tätigkeit als Doppelagententätigkeit darzustellen,[2] wonach er zeitgleich auch für den Bundesnachrichtendienst (BND), das Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und den Verfassungsschutz gearbeitet habe. Nach seiner Haftentlassung und bis zu seinem Tod lebte er in Dresden.

Literatur

  • Horst Vogel, Horst Müller, Manfred Süß: Die Industriespionage der DDR: Die wissenschaftlich-technische Aufklärung der HVA. 1. Auflage. Verlag Das Neue Berlin, 2008, ISBN 978-3-360-01099-5.
  • Gabriele Gast: Kundschafterin des Friedens. Eichborn, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-7466-7034-9.
  • Georg Herbstritt, Hellmut Müller-Enbergs: Das Gesicht dem Westen zu...: DDR Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Edition Temmen, 2003, ISBN 3-86108-388-4.
  • Klaus Eichner, Gotthold Schramm: Konterspionage: Die DDR-Aufklärung in den Geheimdienstzentren. 1. Auflage. Verlag edition ost, 2010, ISBN 978-3-360-01821-2, S. 126–128.

Einzelnachweise

  1. Karl Gebauer. In: Der Spiegel. 38/2002.
  2. Karl Gebauer: Doppelagent. Autobiographie. edition ost, Berlin 1999, ISBN 3-932180-46-1.

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