Kategorizität

Kategorizität

Kategorizität ist ein Begriff aus der Modelltheorie, einem Teilgebiet der mathematischen Logik. Eine Theorie heißt kategorisch zu einer bestimmten unendlichen Mächtigkeit, wenn sie im Wesentlichen nur ein Modell dieser Mächtigkeit hat.

Inhaltsverzeichnis

Definitionen

Zur Präzisierung verstehen wir unter einer Theorie eine Menge T von Sätzen, das heißt Aussagen ohne freie Variable, einer Sprache L_I^S der Prädikatenlogik erster Stufe, die unter der Folgerungsrelation \vDash abgeschlossen ist; das heißt für jeden Satz φ folgt aus T\vDash \varphi bereits \varphi \in T. Ist \Phi \subset L_I^S, so ist die Menge \Phi^\vDash := \{\varphi\in L_I^S;\, \varphi \mbox{ Satz}, \Phi\vDash \varphi\} aller aus Φ herleitbaren Sätze ein Beispiel für eine Theorie.

Hat man eine Theorie T mit unendlichen Modellen, so gibt es nach dem Satz von Löwenheim-Skolem auch Modelle beliebiger unendlicher Mächtigkeit, insbesondere sind nicht je zwei Modelle notwendiger Weise isomorph. Es könnte aber der Fall eintreten, dass die Theorie zu einer vorgegebenen unendlichen Kardinalzahl κ bis auf Isomorphie genau ein Modell der Mächtigkeit κ hat. Dann nennt man die Theorie κ-kategorisch.

Beispiele

Q-Vektorräume

\Q-Vektorräume lassen sich in der Prädikatenlogik erster Stufe durch die Signatur S=\{\mathbf{0},+,\Q\} beschreiben, wobei 0 ein Konstantensymbol (Nullvektor), + ein zweistelliges Funktionssymbol (Vektoraddition) und jedes r\in \Q ein einstelliges Funktionssymbol (skalare Multiplikation mit r) sei. Es ist klar, dass man mit diesen Symbolen die Axiome für \Q-Vektorräume hinschreiben kann. Man beachte allerdings, dass man nicht über alle Skalarmultiplikationen r\in \Q quantifizieren kann; man muss stattdessen mit unendlichen Folgen von Axiomen arbeiten, zum Beispiel

\forall x\, y\, (r+x\,y \equiv +\, rx\, ry)

für jedes Funktionssymbol r, was man suggestiver natürlich als

\forall x\, y\,( r(x+y) =  rx+ry)

schreibt. Man erhält so die Theorie T_{\Q V} = \Phi^\vDash, wobei Φ die Menge aller obigen Axiome der \Q-Vektorräume ist[1].

Für natürliche Zahlen 0 < n < m sind \Q^n und \Q^m zwei nicht isomorphe Modelle für T_{\Q V} derselben Mächtigkeit \aleph_0, die Theorie ist daher nicht \aleph_0-kategorisch. T_{\Q V} ist aber κ-kategorisch für jede Kardinalzahl \kappa > \aleph_0, denn man kann zeigen, dass Basen von \Q-Vektorräumen der Mächtigkeit \kappa > \aleph_0 ebenfalls diese Mächtigkeit haben und die Isomorphieklassen von Vektorräumen durch die Mächtigkeit der Basis eindeutig bestimmt sind.

Tautologien

Ein sehr einfaches Beispiel ist die Menge aller Tautologien der Sprache L_I = L_I^{\emptyset}, das heißt die Menge \emptyset^\vDash aller Sätze, die keiner weiteren Voraussetzungen bedürfen. Die Modelle zur Mächtigkeit κ sind nichts weiter als die Mengen der Mächtigkeit κ und die Isomorphismen sind genau die bijektiven Abbildungen. Daher sind je zwei Modelle derselben Mächtigkeit isomorph, das heißt die Theorie der Tautologien ist κ-kategorisch.

Algebraisch abgeschlossene Körper

Die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper kann in der Sprache L_I^{\{0,1,+,\cdot\}} durch eine Menge Φ von Axiomen beschrieben werden, die neben den üblichen Körperaxiomen noch die unendliche Reihe von Axiomen

\forall y_0\, y_1 \ldots y_{n-1}\,\exists x\, (x^n + y_{n-1}\cdot x^{n-1} + \ldots + y_1\cdot x + y_0 \equiv 0)

für jedes n > 0 hinzunimmt, was inhaltlich offenbar bedeutet, dass jedes Polynom eine Nullstelle hat. Dabei ist xk eine abkürzende Schreibweise für das k-fache Produkt x\cdot \ldots \cdot x; man beachte, dass das Potenzieren nicht zur hier gewählten Sprache gehört. Dann ist \Phi^\vDash die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper. Ferner sei φp der Satz 1+\ldots+1\equiv 0 (p-fache Summe von 1, p Primzahl). Dann axiomatisiert \Phi_p := \Phi \cup \{\varphi_p\} die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper der Charakteristik p und \Phi_0 := \Phi \cup \{\neg \varphi_p;\,p\mbox{ Primzahl}\} die Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper der Charakteristik 0. Die Theorien \Phi_0^\vDash und \Phi_p^\vDash sind \aleph_1-kategorisch[2].

Satz von Morley

Ein wichtiges Resultat ist folgender auf Michael Morley zurückgehender Satz:

  • Ist T eine abzählbare Theorie, die κ-kategorisch ist für ein überabzählbares κ, so ist sie für κ-kategorisch ist für jedes überabzählbare κ[3].

Die Abzählbarkeitsvoraussetzung bedeutet im Wesentlichen, dass die Signatur S der nicht-logischen Symbole abzählbar ist. Ist S abzählbar, so auch L_I^S und damit jede in dieser Sprache enthaltene Theorie. Ist umgekehrt die Theorie abzählbar, so können in den Sätzen dieser Theorie nur abzählbar viele Symbole vorkommen und man kann die Symbolmenge entsprechend reduzieren.

Kriterium von Vaught

Eine wichtige Anwendung des hier vorgestellten Begriffs ist das Kriterium von Vaught, das eine hinreichende aber nicht notwendige Bedingung zur Vollständigkeit einer Theorie darstellt.

  • Ist T\varsubsetneq L_I^S eine abzählbare Theorie ohne endliche Modelle, die κ-kategorisch ist für eine Kardinahlzahl κ, so ist diese Theorie vollständig.

Als wichtiges Anwendungsbeispiel erhalten wir die Vollständigkeit der Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper der Charakteristik 0 oder p.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Rautenberg: Einführung in die Mathematische Logik. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0578-2., Bemerkung nach Kapitel 5.5, Satz 5.2
  2. Wolfgang Rautenberg: Einführung in die Mathematische Logik. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0578-2., Bemerkung nach Kapitel 5.2, Beispiel 4
  3. Wolfgang Rautenberg: Einführung in die Mathematische Logik. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0578-2., Bemerkung nach Kapitel 5.2.

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