- Prädikatenlogik erster Stufe
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Die Prädikatenlogik erster Stufe ist ein Teilgebiet der mathematischen Logik. Sie befasst sich mit der Struktur gewisser mathematischer Ausdrücke und dem logischen Schließen, mit dem man von derartigen Ausdrücken zu anderen gelangt. Dabei gelingt es, sowohl die Sprache als auch das Schließen rein syntaktisch, das heißt ohne Bezug zu mathematischen Bedeutungen, zu definieren. Das dadurch ermöglichte Zusammenspiel von rein syntaktischen Überlegungen einerseits und semantischen Betrachtungen andererseits führt zu wichtigen Erkenntnissen, die Bedeutung für die gesamte Mathematik haben, denn diese lässt sich mittels der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre in der Prädikatenlogik erster Stufe formulieren.
Inhaltsverzeichnis
Ein motivierendes Beispiel
Die unten aufzustellenden Definitionen sollen am Beispiel der Theorie der geordneten abelschen Gruppen motiviert werden. Eine geordnete abelsche Gruppe besteht zunächst aus einer abelschen Gruppe (G, + ), das heißt man hat folgende Eigenschaften
- Assoziativgesetz: Für alle ist .
- Kommutativgesetz: Für alle ist .
- Neutrales Element 0: Für alle ist .
- Inverses Element: Für alle gibt es ein ist .
In mathematischer Kurzschreibweise kann man das auch als
wiedergeben. Dabei schreiben wir an Stelle des oft verwendeten , da wir hier ohnehin über nichts anderes als die Elemente der Gruppe aussagen wollen. Ferner haben wir eine -Relation für die Ordnung auf der Gruppe, die den folgenden Axiomen genügen muss, die hier gleich in Kurzschreibweise angegeben werden:
- Reflexivität:
- Transitivität:
- Gruppenverträglichkeit:
Insgesamt haben wir einige der sogenannten logischen Symbole verwendet, Klammern als Hilfssymbole, ferner das Gleichheitszeichen und Variablen für die Elemente. Die für die Theorie der geordneten abelschen Gruppen charakteristischen Symbole sind die Konstante 0, die Funktionen + und – sowie die Relation , wobei die in der Mathematik üblichen Schreibweisen benutzt wurden, das heißt x + y statt + (x,y) bzw. statt . Die beiden Funktionen haben unterschiedliche Stelligkeit, + ist 2-stellig, die Inversenbildung – ist 1-stellig, die betrachtete Ordnungsrelation ist 2-stellig.
Beispiele für geordnete abelsche Gruppen sind etwa oder , die schon aus Mächtigkeitsgründen nicht isomorph sein können.
Die Sprache der Prädikatenlogik erster Ordnung
Wir beschreiben hier die verwendete Sprache auf rein syntaktische Weise, das heißt wir legen die betrachteten Zeichenketten, die wir Ausdrücke der Sprache nennen wollen, ohne Bezug auf ihre Bedeutung fest.
Symbole
Eine Sprache erster Ordnung wird aus folgenden Symbolen aufgebaut:
- , siehe auch Tabelle logischer Symbole
- sogenannte Variablensymbole ,
- eine (möglicherweise leere) Menge von Konstantensymbolen,
- eine (möglicherweise leere) Menge von Funktionssymbolen,
- eine (möglicherweise leere) Menge von Relationssymbolen.
Das Komma wird hier nur als Trennzeichen für die Aufzählung der Symbole benutzt, es ist nicht Symbol der Sprache.
Terme
Die nach folgenden Regeln aufgebauten Zeichenketten heißen Terme [1]:
- Ist v ein Variablensymbol, so ist v ein Term.
- Ist c ein Konstantensymbol, so ist c ein Term.
- Ist f ein 1-stelliges Funktionssymbol und ist t1 ein Term, so ist ft1 ein Term.
- Ist f ein 2-stelliges Funktionssymbol und sind t1,t2 Terme, so ist ft1t2 ein Term.
- Ist f ein 3-stelliges Funktionssymbol und sind t1,t2,t3 Terme, so ist ft1t2t3 ein Term.
- und so weiter für 4,5,6,...-stellige Funktionssymbole.
Ist zum Beispiel c eine Konstante und sind f und g 1- bzw. 2-stellige Funktionssymbole, so ist fgv2fc ein Term, da er sich durch Anwendung obiger Regeln erstellen lässt: c ist ein Term, daher auch fc; fc und v2 sind Terme, daher auch gv2fc und damit schließlich auch fgv2fc.
Wir verzichten hier auf Klammern und Kommata als Trennzeichen, das heißt wir schreiben fgv2fc und nicht f(g(v2,f(c)). Wir setzen damit implizit voraus, dass unsere Symbole derart beschaffen sind, dass eine eindeutige Lesbarkeit gewährleistet ist.
Die Regeln für die Funktionssymbole fasst man oft so zusammen:
- Ist f ein n-stelliges Funktionssymbol und sind Terme, so ist ein Term.
Damit ist nichts anderes als die oben angedeutete unendliche Folge von Regeln gemeint, denn die drei Punkte gehören nicht zu den vereinbarten Symbolen. Dennoch wird manchmal von dieser Schreibweise Gebrauch gemacht.
Über den Aufbau der Terme lassen sich weitere Eigenschaften definieren. So definieren wir offenbar durch die folgenden drei Regeln rekursiv, welche Variablen in einem Term vorkommen:
- Ist v ein Variablensymbol, so sei .
- Ist c ein Konstantensymbol, so sei .
- Ist f ein n-stelliges Funktionssymbol und sind Terme, so sei .
Ausdrücke
Wir erklären nun durch Bildungsgesetze, welche Zeichenketten wir als Ausdrücke der Sprache ansehen wollen[2].
Atomare Ausdrücke
- Sind t1 und t2 Terme, so ist ein Ausdruck.
- Ist R ein 1-stelliges Relationssymbol und ist t1 ein Term, so ist Rt1 ein Ausdruck.
- Ist R ein 2-stelliges Relationssymbol und sind t1,t2 Terme, so ist Rt1t2 ein Ausdruck.
- und so weiter für 3,4,5,...-stellige Relationssymbole.
Dabei gelten die oben zur Schreibweise bei Termen gemachten Bemerkungen.
Zusammengesetzte Ausdrücke
Wir beschreiben hier, wie sich aus Ausdrücken weitere gewinnen lassen.
- Ist φ ein Ausdruck, so ist auch ein Ausdruck.
- Sind φ und ψ Ausdrücke, so sind auch , , und Ausdrücke.
- Ist φ ein Ausdruck und ist x eine Variable, so sind auch und Ausdrücke.
Damit sind alle Ausdrücke unserer Sprache festgelegt. Ist zum Beispiel f ein 1-stelliges Funktionssymbol und R ein 2-stelliges Relationssymbol, so ist
ein Ausdruck, da er sich durch Anwendung obiger Regeln aufbauen lässt.
1. Stufe
Unterschiedliche Sprachen erster Stufe unterscheiden sich lediglich in den Mengen , und , die man üblicher Weise zur Symbolmenge S zusammenfasst und auch die Signatur der Sprache nennt. Man spricht dann auch genauer von S-Termen bzw. S-Ausdrücken. Die Sprache, das heißt die Gesamtheit aller nach obigen Regeln gebildeten Ausdrücke, wird mit L(S), LS oder bezeichnet. Bei letzterem steht die römische I für die 1-te Stufe. Dies bezieht sich auf den Umstand, dass gemäß letzter Erzeugungsregel nur über Variable quantifiziert werden kann. sieht nicht vor, über alle Teilmengen einer Menge oder über alle Funktionen zu quantifizieren. So lassen sich die üblichen Peano-Axiome nicht in ausdrücken, da das Induktionsaxiom eine Aussage über alle Teilmengen der natürlichen Zahlen macht. Das kann als Schwäche dieser Sprache angesehen werden, allerdings sind die Axiome der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre sämtlich in der ersten Stufe mit dem einzigen Symbol formulierbar, so dass die erste Stufe prinzipiell für die Mathematik ausreicht.
Freie Variablen
Weitere Eigenschaften von Ausdrücken der Sprache lassen sich ebenfalls rein syntaktisch definieren. Gemäß dem oben beschriebenen Aufbau durch Bildungsregeln definieren wir die Menge frei(φ) der im Ausdruck φ frei vorkommenden Variablen wie folgt[3]:
- und genauso für
Nicht-freie Variable heißen gebundene Variable. Ausdrücke φ ohne freie Variable, das heißt solche mit , nennt man Sätze. Sämtliche in obigem motivierenden Beispiel angegebenen Axiome der geordneten abelschen Gruppen sind bei entsprechender Übersetzung in die Sprache Sätze, so zum Beispiel für das Kommutativgesetz.
Metasprachliche Ausdrücke
Das gerade gegebene Beispiel als Symbolisierung des Kommutativgesetzes in der Sprache zeigt, dass die entstehenden Ausdrücke oft schwer lesbar sind. Daher kehrt der Mathematiker, und oft auch der Logiker, gern zur klassischen Schreibweise zurück. Letzteres ist aber kein Ausdruck der Sprache sondern nur eine Mitteilung eines solchen Ausdrucks unter Verwendung anderer Symbole einer anderen Sprache, hier der sogenannten Metasprache, das heißt derjenigen Sprache, in der man über spricht. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit lässt man auch gern überflüssige Klammern fort. Das führt nicht zu Problemen, solange klar bleibt, dass man die leichter lesbaren Zeichenketten jederzeit zurückübersetzen könnte.
Substitutionen
Häufig werden in der Mathematik Variablen durch Terme ersetzt. Auch das lässt sich hier rein syntaktisch auf Basis unserer Symbole erklären. Durch folgende Regeln legen wir fest, was es bedeuten soll, den Term t für eine Variable x einzusetzen. Wir folgen dabei wieder dem regelhaften Aufbau von Termen und Ausdrücken. Die Ersetzung wird als notiert, wobei die eckigen Klammern weggelassen werden dürfen.
Für Terme s wird die Einsetzung wie folgt definiert:
- Ist v ein Variablensymbol, so ist gleich t falls v = x und v sonst.
- Ist c ein Konstantensymbol, so ist .
- Sind f ein n-stelliges Funktionssymbol und Terme, so ist .
Für Ausdrücke schreiben wir eckige Klammern um den Ausdruck, in dem die Substitution vorgenommen werden soll. Wir legen fest:
- und genauso für
- ; analog für den Quantor
- falls und ; analog für den Quantor
- falls und , wobei u eine Variable sei, die nicht in φ oder t vorkommt, zum Beispiel die erste der Variablen , die diese Bedingung erfüllt. Die analoge Festlegung wird für getroffen.
Bei dieser Definition wurde darauf geachtet, dass Variablen nicht unbeabsichtigt in den Einflussbereich eines Quantors geraten. Falls die gebundene Variable x im Term auftritt, so wird diese zuvor durch eine andere ersetzt, um so die Variablenkollision zu vermeiden.
Semantik
Die Ausdrücke der Sprache erster Stufe werden erst dann mathematisch interessant, wenn man den Symbolen Bedeutungen beimisst oder, wie man in der Logik sagt, sie interpretiert. Wir gehen dazu von einer Sprache aus.
Strukturen
Eine S-Struktur ist eine nicht-leere Menge A zusammen mit
- einem Element für jedes Konstantensymbol ,
- einer Funktion für jedes n-stellige Funktionssymbol ,
- einer Relation für jedes n-stellige Relationssymbol .
Im eingangs gegebenen Beispiel geordneter abelscher Gruppen ist eine -Struktur. Durch S-Strukturen werden also die Symbole aus S mit “echten“ Konstanten, Funktionen und Relationen in Zusammenhang gebracht.
Interpretationen
Eine Interpretation von ist ein Paar bestehend aus einer S-Struktur und einer Abbildung .
Man verbindet damit die Vorstellung, dass die Struktur das mathematische Objekt ist, das mit der Sprache beschrieben werden soll, während β die Variablen mit Werten aus der Grundmenge A belegt, weshalb man diese Abbildung auch Belegung nennt. Die Belegung einer Interpretation kann leicht auf Terme ausgedehnt werden, diese Ausdehnung hängt von der Interpretation der Konstantensymbole und Funktionssymbole ab und wird daher ebenfalls mit bezeichnet; man legt fest:
- Ist v eine Variable, so sei .
- Ist c ein Konstantensymbol, so sei .
- Ist f ein n-stelliges Funktionssymbol und sind Terme, so sei .
Setzt man etwa , so ist eine solche Interpretation. Dann gilt .
Ändern wir eine Belegung nur an der Stelle x ab und bilden dieses x auf ab, so schreiben wir für die so abgeänderte Belegung und . Oft ist die Belegung der Variablen klar oder unwichtig; dann nennen wir, etwas unsauber aber praktisch, auch die Struktur eine Interpretation.
Modelle
Wir wollen sagen, dass eine Interpretation ein Modell für einen S Ausdruck φ ist und dafür schreiben, wenn sich dies auf Grund folgender Regeln ergibt[4]:
Diese Definition orientiert sich wieder am regelhaften Aufbau der Ausdrücke der Sprache . Die Pünktchenschreibweise in der zweiten Regel steht hier wieder für eine Liste von Regeln, für jede Stelligkeit eine.
Durch den Begriff der Interpretation wurden die Variablen und die Symbole aus S mit einer Bedeutung versehen. Durch die gerade definierte Modellbeziehung werden erstmals auch die logischen Symbole interpretiert.
Für eine Menge Φ von Ausdrücken schreiben wir , wenn für alle gilt, und sagen sei ein Modell von Φ. Bezeichnet Φ etwa die oben genannten Axiome der geordneten abelschen Gruppen, so gilt genau dann, wenn eine geordnete abelsche Gruppe ist. Dabei scheint die Belegung β keine Rolle zu spielen, da Φ nur aus Sätzen besteht, also keine freien Variablen enthält. Das ist tatsächlich der Fall, wie das sogenannte Koinzidenzlemma aussagt. In einem solchen Fall kann man β fortlassen und einfach schreiben. Damit ist dann ausgesagt, dass für jede Belegung β ein Modell aller Ausdrücke aus Φ ist.
Gleichheit
Zur Verwendung der Gleichheit ist anzumerken, dass wir in der Sprache erster Stufe das Symbol eingeführt haben. Ein Ausdruck der Form φ = ψ ist kein Ausdruck der Sprache erster Stufe sondern die metasprachliche Behauptung der Gleichheit der beiden Ausdrücke φ und ψ. Letzteres lässt sich in der Sprache erster Stufe gar nicht symbolisieren, dort können nur Terme gleich sein. Parallel zum hier betrachteten Aufbau gibt es auch die Prädikatenlogik erster Stufe ohne Gleichheit, dazu entfernt man das Symbol und die es betreffende Bildungsregel. Zwar kann man die Gleichheit dann über eine Relation wieder ins Spiel bringen, setzt diese dann aber Interpretationen aus, so dass man nicht dasselbe erhält wie eine Logik mit Gleichheit. Die logische Gleichheit hingegen bedeutet in jeder Interpretation Gleichheit von Individuen, und das ist der Grund, warum man Logiken mit Gleichheit betrachtet[5].
Mathematisches Schließen
Folgerungen
Es sei Φ eine gegebene Menge von Ausdrücken, zum Beispiel obige Axiome der geordneten abelschen Gruppen. Der Mathematiker interessiert sich dafür, welche Folgerungen aus ihnen gezogen werden können. Wir sagen, der Ausdruck φ folge aus Φ und schreiben dafür , wenn jedes Modell von Φ auch Modell von φ ist. Das ist die sogenannte semantische Schlussweise, da sie Bezug auf alle möglichen Interpretationen der Symbole nimmt.
Sequenzenkalkül
In der Regel schließt der Mathematiker nicht semantisch, sondern er wendet gewisse Schlussregeln an, mit denen er sich von einer Aussage zur nächsten bis zur Behauptung vorarbeitet. Ausgehend von einer gegebenen Folge Φ von Ausdrücken geht er zu neuen Folgen über, um am Ende mit einer Folge „bewiesen“ zu haben, dass φ aus Φ folgt. Der „Beweis“ ist dabei eine endliche Liste solcher Folgen. Hier werden einige solcher Schlussregeln vorgestellt, ihr inhaltlicher Hintergrund beleuchtet und anschließend mit der semantischen Schlussweise verglichen. In nennt man Φ das Antezedenz und die nachfolgenden Ausdrücke das Sukzedenz.
Voraussetzungsregel: ist eine erlaubte Folge, wenn . Dahinter steckt der einfache Tatbestand, dass man jederzeit eine der Voraussetzungen aus Φ verwenden darf.
Antezedenzregel: Falls man bereits hat, so kann man zu übergehen, falls . Wenn man nämlich von Φ auf φ schließen kann, so kann man das erst recht unter noch stärkeren Voraussetzungen tun.
Fallunterscheidung: Falls man und bereits hat, so kann man zu Φφ übergehen. Man kann im Falle ψ von Φ auf φ schließen, und auch im Falle von . Daher kann man in jedem Fall von Φ auf φ schließen.
Widerspruch. Falls man und bereits hat, so kann man zu übergehen. Nimmt man nämlich im Sinne eines Widerspruchsbeweises an, dass , so ergibt sich aus den Voraussetzungen sowohl ψ als auch , insgesamt also ein Widerspruch. Daher war die Annahme falsch und man kann auf φ schließen.
Odereinführung im Antezedenz: Falls man und bereits hat, so kann man zu übergehen. Unter den Voraussetzungen Φ ergibt sich χ sowohl aus φ als auch aus ψ. Daher ergibt sich χ bereits, wenn φ oder ψ gilt.
Odereinführung im Sukzedenz: Falls man bereits hat, so kann man zu übergehen. Das ist klar, da mit φ erst recht gilt. Entsprechend kann man auch zu übergehen.
Gleichheit: Man kann jederzeit den Ausdruck hinschreiben, wobei t ein beliebiger Term ist. Diese Regel bedarf keiner Erläuterung.
Die noch folgenden drei Schlussregeln verwenden die oben definierte Substitution von Variablen durch Terme:
Substitution: Falls man bereits hat, so kann man zu übergehen. Wenn man aus Φ auf , das heißt auf φ mit der Ersetzung t an Stelle von x, schließen kann, so auch auf φ mit der Ersetzung s an Stelle von x, falls t gleich s ist.
Existenzeinführung im Antezendenz: Falls man bereits hat, so kann man zu übergehen. Um mit der Existenzvoraussetzung arbeiten zu können, darf man ein y verwenden, für das gilt. In Beweisen, die diese Regel verwenden, heißt dann nach der Existenzvoraussetzung: Sei y so ein ...
Existenzeinführung im Sukzendenz: Falls man bereits hat, so kann man zu übergehen. Auch diese Regel ist einsichtig, denn wenn man mit t ein Beispiel für φ gefunden hat, so kann man auf die Existenzaussage schließen und das Beispiel dabei nicht mehr erwähnen.
Die hier vorgestellten Regeln, die den sogenannten Sequenzenkalkül bilden, sind logisch schlüssig, wie als Zusatz zu jeder Regelnennung ausgeführt wurde. Mathematiker verwenden noch einige andere Schlussregeln, von denen aber gezeigt werden kann, dass sie alle aus den oben genannten hergeleitet werden können, das heißt ihre Anwendung kann durch eine endliche Kette obiger Regeln ersetzt werden. Wenn man ausgehend von Φ nach endlich vielen Anwendungen dieser Regeln zu gelangt ist, so ist damit φ aus Φ logisch schlüssig abgeleitet, wir schreiben dafür .
Im Gegensatz zur oben erklärten semantischen Schlussweise sind die „Beweise“ rein syntaktischer Natur, man kann sie als Manipulation von Zeichenketten der betrachteten Sprache ansehen. Um die Schlussregeln anwenden zu können, muss man nicht wissen, was die Symbole bedeuten.
Vollständigkeit
Ist die Interpretation ein Modell für eine Menge Φ von Ausdrücken der Sprache und ist , so ist auch ein Modell für φ, denn der mit einhergehende Beweis lässt sich ja ohne Weiteres direkt im Modell ausführen. Es gilt also der sogenannte Korrektheitssatz, dass aus stets folgt.
Umgekehrt wäre es durchaus denkbar, dass es zu einer Ausdrucksmenge Φ nur einige wenige Modelle gibt, die zufällig eine in der Sprache erster Stufe ausdrückbare Eigenschaft φ gemeinsam haben, ohne dass es dazu eine Möglichkeit gäbe, sie durch obige syntaktische Zeichenkettenoperationen aus Φ ableiten zu können. Dass dies nicht der Fall ist, sondern dass semantische und syntaktische Schlussweisen gleichwertig sind, ist als Gödelscher Vollständigkeitssatz bekannt und ein zentrales Ergebnis der Prädikatenlogik erster Stufe. Man kann zeigen, dass sich zu einer Prädikatenlogik zweiter Stufe, in der man Quantifizierungen über Relationen zulässt, kein zur semantischen Schlussweise gleichwertiger Sequenzkalkül finden lässt.
Eigenschaften
Erfüllbarkeitssatz
Eine Menge Φ von Ausdrücken der Sprache heißt widerspruchsfrei, wenn sich kein Ausdruck der Form aus Φ ableiten lässt. Damit ist Widerspruchsfreiheit ein rein syntaktischer Begriff. Es gilt folgender Erfüllbarkeitssatz, der sich aus dem Satz von Henkin herleiten lässt und eng mit dem Gödelschen Vollständigkeitssatz verbunden ist:
- Zu jeder widerspruchsfreien Menge Φ gibt es ein Modell.
Endlichkeitssatz - Kompaktheitssatz
- Endlichkeitssatz: Ist Φ eine Menge von Ausdrücken der Sprache und gibt es zu jeder endlichen Teilmenge von Φ ein Modell, so gibt es auch ein Modell für Φ[6].
Gäbe es nämlich kein Modell für Φ, so wäre Φ nach dem Erfüllbarkeitssatz nicht widerspruchsfrei, und es gäbe dann eine Ableitung . Da ein Beweis aber nur eine endliche Länge hat und daher auch nur endlich viele der Ausdrücke aus Φ involvieren kann, muss es bereits eine endliche Teilmenge Φ0 geben mit . Nach dem Vollständigkeitssatz folgt , das heißt es kann für Φ0 kein Modell geben, im Widerspruch zur Voraussetzung.
Der Endlichkeitssatz wird auch Kompaktheitssatz genannt: Man wähle zu jeder widerspruchsfreien Menge Φ von Sätzen ein Modell und fasse die so gefundenen Modelle zu einer Menge zusammen. Für einen Satz φ sei . Dann bilden die Mengen Xφ die Basis einer Topologie auf und der Endlichkeitssatz ist zur Kompaktheit dieses Raums äquivalent.
Isomorphien
Aus dem Endlichkeitssatz folgt:
- Gibt es zu einer Menge Φ von Ausdrücken der Sprache ein unendliches Modell, so gibt es Modelle beliebiger Mächtigkeit.
Ist nämlich Φ gegeben und ist κ eine Kardinalzahl, so sei eine Menge von nicht in S enthaltenen Konstantensymbolen. Jede endliche Teilmenge von hat dann ein Modell in der Sprache , wobei die um die neuen Konstantensymbole erweiterte Symbolmenge sei. Wegen des Endlichkeitssatzes gibt es dann ein Modell für , und das hat mindestens die Mächtigkeit κ. Mit etwas genauerer Argumentation kann man hier sogar auf Gleichheit schließen.
Hier zeigt sich eine Schwäche der Prädikatenlogik erster Stufe. Mittels der Sprache der ersten Stufe kann niemals eine Charakterisierung bis auf Isomorphie gelingen, denn die Klasse aller Modelle zu einer beliebigen widerspruchsfreien Menge von Ausdrücken enthält stets Modelle beliebiger Mächtigkeit, also auch nicht isomorphe Modelle. Man nennt zwei Modelle elementar äquivalent, wenn die Mengen der Ausdrücke, für die sie Modelle sind, übereinstimmen. Die Sprachen erster Stufe können daher Modelle nur bis auf elementare Äquivalenz charakterisieren.
Satz von Löwenheim-Skolem
Ebenfalls aus dem Satz von Henkin lässt sich der Satz von Löwenheim-Skolem ableiten:
- Gibt es zu einer Menge Φ von Ausdrücken der Sprache ein unendliches Modell, so gibt es auch ein abzählbares Modell.
Im einleitenden Beispiel ist ein abzählbares Modell. In vielen mathematischen Theorien lassen sich diese sehr leicht finden, in der Modelltheorie hat der Satz von Löwenheim-Skolem aber tiefgehende Anwendungen.
Satz von Lindström
Wegen oben genannter Schwächen der Sprache erster Stufe kann man nach geeigneten Erweiterungen suchen. Wenn man auf diese Weise echt ausdrucksstärkere Sprachen findet, was natürlich noch zu präzisieren wäre, so zeigen die Sätze von Lindström, dass man dann entweder auf den Endlichkeitssatz oder auf den Satz von Löwenheim-Skolem verzichten muss. Will man beide Sätze beibehalten, so ist die Prädikatenlogik erster Stufe also „das beste“, was man erreichen kann.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas: Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN, 3-8274-0130-5, II, Definition 3.1
- ↑ H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas: Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN, 3-8274-0130-5, II, Definition 3.2
- ↑ H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas: Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN, 3-8274-0130-5, II, Definition 5.1
- ↑ H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas: Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN, 3-8274-0130-5, III, Definition 3.2
- ↑ Philipp Rothmaler: Einführung in die Modelltheorie, Spektrum Akademischer Verlag 1995, ISBN 978-3-86025-461-5, Ende des Absatzes 3.1.
- ↑ H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas: Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN, 3-8274-0130-5, VI.2.1
Literatur
- H.-D. Ebbinghaus, J. Flum, W. Thomas: Einführung in die mathematische Logik, Spektrum Akademischer Verlag 1996, ISBN, 3-8274-0130-5
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