Modelltheorie

Modelltheorie

Die Modelltheorie ist ein Teilgebiet der mathematischen Logik. Inhalt der Modelltheorie sind die Beziehungen zwischen den rein formalen Ausdrücken einer Sprache (syntaktische Ebene) und deren Bedeutung (semantische Ebene). Diese Beziehung wird über sogenannte Interpretationen und eine als Erfüllungsrelation bezeichnete mathematische Relation hergestellt. Wichtige Bereiche der Modelltheorie betreffen die Zuordnung von Wahrheitswerten zu formalen Sätzen und die Beziehung formal-logischer Systeme zur natürlichen Sprache.

Ganz allgemein gesprochen beschäftigt sich die Modelltheorie mit der Konstruktion und der Klassifikation von allen (möglichen) Strukturen und Klassen von Strukturen, im Besonderen mit solchen Strukturen, die axiomatisierbaren Sprachen oder Theorien entsprechen. Dabei geht es u.a. um die Aufgabe, Modelle für ein vorgegebenes Axiomensystem zu konstruieren -- oft geht es um Modelle mit zusätzlichen Eigenschaften, die im Axiomensystem aber nicht spezifiziert werden können, z. B. die Kardinalität des Modells. Weiterhin beschäftigt sich die Modelltheorie mit der Äquivalenz von Modellen, etwa der Frage, ob in ihnen die gleichen Aussagen gelten, und der Frage, wie viele (nichtisomorphe) Modelle eines Axiomensystems es gibt.

Inhaltsverzeichnis

Grundbegriffe der Modelltheorie

Ein Modell im Sinn der Modelltheorie ist eine mit gewissen Strukturen versehene Menge (Trägermenge, Universum, Individuenbereich oder Domäne genannt), auf die die Axiome des Systems zutreffen.

Unter einem logischen oder mathematischen Modell für die axiomatischen Grundzeichen eines gegebenen Axiomensystems in Bezug auf einen gegebenen Individuenbereich D versteht man eine Bewertung für diese Zeichen derart, dass sowohl der Bereich D wie auch die Bewertung ohne Gebrauch deskriptiver Konstanten angegeben wird. Ein Modell für die Grundzeichen heißt ein Modell für ein Axiomensystem, wenn es alle Axiome erfüllt, d.h. wahr macht. [1]

Formal sind Modelle L-Strukturen über der Sprache L, in der die Axiome formuliert sind. Die Sprache basiert auf einer Signatur mit Symbolen für Konstanten, Relationen und Funktionen über der Trägermenge.

Die Modelltheorie beschäftigt sich damit, welche Modelle es für bestimmte Axiomensysteme gibt. Umgekehrt kann man die Frage stellen, welche Aussagen in einem Modell wahr sind. Unter der Theorie eines Modells versteht man die Menge aller Aussagen, die in ihm gelten. Jede Theorie T eines Modells ist vollständig, das heißt, zu jeder Aussage φ ist entweder \varphi \in T oder \neg\varphi \in T.

Man sagt, eine Aussage ϕ2 folge aus einer Aussage ϕ1, falls ϕ2 in jedem Modell von ϕ1 gilt.

Zur Bedeutung von Modellen

• Modelle veranschaulichen das Wesen eines Axiomensystems.

• Die Untersuchung von Modellen ist einfacher als die von Deutungen, weil die Modelle nicht mit Intensionen zu tun haben, sondern nur mit Extensionen. [2]

• Modelle haben formal folgende Bedeutung:

Eine Axiomenmenge lässt sich oft einfacher als Theorie eines Modells angeben als in einer aufzählenden Form.

Die Existenz eines Modells beweist, dass sich die Axiome nicht widersprechen, sie sind also konsistent. Eine Logik hat die Eigenschaft der Vollständigkeit, falls umgekehrt jede konsistente Aussagenmenge ein Modell hat (dies gilt für die Prädikatenlogik erster Stufe, siehe weiter unten).

Existieren sowohl Modelle mit einer gewissen Eigenschaft als auch solche, die diese Eigenschaft nicht haben, so ist damit die logische Unabhängigkeit der Eigenschaft von den Axiomen bewiesen, d. h., diese Eigenschaft folgt nicht aus den Axiomen und lässt sich auch nicht auf Grundlage der Axiome widerlegen.

Beispiele für Modelle

Dichte Ordnungen

Die geordnete Menge der rationalen Zahlen ist ein Modell für die Axiome der dichten offenen Ordnung:

  1.  \forall x: \neg (x < x) (Irreflexivität)
  2.  \forall x,y: [ (x < y) \rightarrow \neg (y < x) ] (Antisymmetrie)
  3.  \forall x,y,z: [ (x < y) \wedge (y < z) \rightarrow (x < z) ] (Transitivität)
  4.  \forall x \exists y,z: ( x < y, z < x ) (Offenheit)
  5.  \forall x,y: [ x < y \rightarrow \exists z: (x < z \wedge z < y) ] (Dichtheit)

Die geordnete Menge der algebraischen Zahlen und die geordnete Menge der reellen Zahlen sind weitere Modelle. Alle abzählbaren Modelle sind isomorph. Dieses Axiomensystem hat kein endliches Modell.

Einelementige Universen

Das einelementige Universum, das nur die Konstante c enthält, ist ein Modell für das Axiom \forall x: x=c über der Signatur σ = {c}.

Ein Beispiel für zweielementige Modelle

Wie kann ein Modell für die folgende Menge von Aussagen über σ = {c,R} aussehen? (c sei eine Konstante, R sei eine zweistellige Relation)

  1.  \forall x,y,z: [ (x=y) \vee (y=z) \vee (x=z) ]
  2.  \exists x,y: x R y
  3.  \not\exists x: ( x R x )
  4.  \forall x,y: x R y \rightarrow \neg (y R x)

Die erste Aussage bestimmt, dass das Universum maximal zwei Elemente enthält, die zweite und dritte Aussage zusammen gelten nur, wenn es zwei Elemente enthält. Es gibt bis auf Isomorphie nur zwei Modelle (wobei wir das Universum U = {a,b} zugrunde legen):

M1: U = {a,b}, c = a, R = {(a,b)} und

M2: U = {a,b}, c = a, R = {(b,a)}

Das Modell

M3: U = {a,b}, c = b, R = {(a,b)}

ist isomorph zu M2. (Es gibt eine Isomorphie, die a auf b abbildet und b auf a.)

Nichterfüllbare Axiome

Die Aussagenmenge

  1.  \forall x,y: x R y
  2.  \exists x: \neg x R x

ist nicht erfüllbar, das heißt, sie hat kein Modell.

Wichtige Sätze der Modelltheorie

Es konnten Kriterien gefunden werden, die die Existenz von Modellen garantieren.

  • So besagt etwa der Gödelsche Vollständigkeitssatz, dass jede syntaktisch konsistente Theorie (also jede Menge von geschlossenen Formeln, aus der kein logischer Widerspruch herleitbar ist) ein Modell hat.
  • Der Kompaktheitssatz besagt, dass ein (unendliches) Axiomensystem genau dann ein Modell hat, falls jedes endliche Teilsystem ein Modell hat.
  • Der Satz von Löwenheim-Skolem sagt darüber hinaus aus, dass jede Theorie (in einer abzählbaren Sprache der Prädikatenlogik), die überhaupt ein unendliches Modell hat, auch ein Modell jeder beliebigen Kardinalität hat.

Endliche Modelltheorie

Die Endliche Modelltheorie ist ein Teilbereich der Modelltheorie, der auf die Eigenschaften logischer Sprachen (wie etwa der Prädikatenlogik) sowie auf endliche Strukturen wie etwa endliche Gruppen, Graphen und die meisten Maschinenmodelle fokussiert ist. Ein Schwerpunkt liegt dabei insbesondere in den Beziehungen zwischen logischen Sprachen und der Berechenbarkeitstheorie. Weiterhin bestehen enge Bezüge zur diskreten Mathematik, zur Komplexitätstheorie und zur Theorie der Datenbanken.

Typische Fragen in der endlichen Modelltheorie sind, zu welchen Kardinalitäten sich für ein gegebenes Axiomensystem Modelle schaffen lassen. So ist diese Frage für die Körperaxiome vollständig geklärt: Primzahlen und Primzahlpotenzen sind die alleinigen Kardinalitäten endlicher Modelle. Diese Menge natürlicher Zahlen heißt dann Spektrum der Körperaxiome.

Es ist bisher ungeklärt, ob das Komplement eines Spektrums stets wieder ein Spektrum ist: Gesucht ist also eine Axiomenmenge dergestalt, dass alle endlichen Modelle eine Kardinalität im Komplement des Spektrums besitzen. Diese Frage hängt auch mit dem P-NP-Problem aus der Komplexitätstheorie zusammen.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Wolfram Schwabhäuser: Modelltheorie I BI Hochschultaschenbücher Band 813, Bibliographisches Institut Mannheim 1971
  • Wolfram Schwabhäuser: Modelltheorie II BI Hochschultaschenbücher Band 815, Bibliographisches Institut Mannheim 1972
  • Herbert Stachowiak: Allgemeine Modelltheorie, Springer Verlag, Wien, New York 1973, ISBN 3-211-81106-0
  • Prestel, Alexander: Einführung in die Mathematische Logik und Modelltheorie. Vieweg, Braunschweig 1986. (Vieweg-Studium; 60: Aufbaukurs Mathematik). ISBN 3-528-07260-1. 286 S.
  • Philipp Rothmaler: Einführung in die Modelltheorie, Spektrum Akademischer Verlag 1995, ISBN 978-3-86025-461-5

Nachweise

  1. Carnap, Rudolf: Einführung in die symbolische Logik. Springer, Wien, New York, 3. Aufl. 1968, S. 174
  2. Vgl. Carnap, Rudolf: Einführung in die symbolische Logik. Springer, Wien, New York, 3. Aufl. 1968, S. 174

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