Kurd Kisshauer

Kurd Kisshauer

Kurd Kisshauer (* 1886; † November 1958) war ein deutscher Astronom. Während der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete er als Referent im Amt Rosenberg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Buchtitel zum Städtischen Planetarium Dresden (Grafik: Kurt Fiedler)

Kisshauer machte sich zunächst als Amateurastronom einen Namen und wurde von der Familie von Bülow beauftragt, einen Käufer für die 1914 geschlossene Sternwarte Bothkamp zu suchen, nachdem die Familie von dem 1919 geschlossenen Schenkungsvertrag mit der Sternwarte Kiel zurückgetreten war.[1] Zu dieser Zeit leitete er die Ortsgruppe Berlin der Ingedelia - Internationale Gesellschaft der Liebhaberastronomen unter Hans-Hermann Kritzinger, letzter Astronom auf Bothkamp.[2] Kisshauer verfolgte diese Verkaufspläne bis etwa 1922, als ihn Ernst II. von Sachsen-Altenburg schon auf Jagdschloss Fröhliche Wiederkunft nach Wolfersdorf geholt hatte, wo der Herzog nach seinem Abdanken von 1918 eine moderne Sternwarte einrichtete.[3] Der Verkauf der Bothkamper Utensilien misslang und sie gingen 1930 in den Besitz des Museums Kiel über. Kisshauer übergab die von ihm angefertigten Zeichnungen des Bothkamper Spektrographen an das Deutsche Museum.[4] Schon in frühen Jahren stand er nationalkonservativen Kreisen nahe, so publizierte er in den Jungdeutschen Stimmen, dem Organ des Jungdeutschen Bundes.[5]

Von Wolfersdorf wechselte Kisshauer in das nahe Jena, wo er für die Firma Carl Zeiss arbeitete und zu den Zeiss-Planetarien publizierte, darunter beim hiesigen Urania Verlag. Mit seiner Frau stand er auch in Verbindung zu Elisabeth Förster-Nietzsche.[6]

Kisshauer hatte promoviert (Dr. rer. pol.) und war Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. 1926 gründete er als Direktor und wissenschaftlicher Leiter das Städtische Planetarium Dresden. Kisshauer war hier Wissenschaftler, Techniker, Lehrer und Unterhalter in einem. Engagiert bemühte er sich um die Popularisierung der Astronomie. Neben seinen Schriften trat er wiederholt im Rundfunk auf. In seinem Buch Der Sternhimmel im Feldglas bezog er sich auf Adolph Diesterweg und schrieb: "Die Astronomie ist eine erhabene, weil erhebende Wissenschaft; deshalb sollte sie keinem Menschen vorenthalten bleiben." Das Dresdner Planetarium stieß anfangs auf großes Interesse, musste wegen fehlender Besucher im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise jedoch nach wenigen Jahren wieder geschlossen werden und wurde später als Veranstaltungsgebäude umgewidmet.

In Berlin arbeitete Kisshauer für die Siemensstiftung.[7] Er verfasste mehrere kritische Schriften zur Astrologie. Als Referent im Amt Rosenberg wurde er in naziinterne Konflikte zu diesem Thema hineingezogen.[8],[9] Im Zentralorgan des NS-Studentenbundes Nationalsozialistische Monatshefte vom April 1938 stellte er sie als orientalisch und volksschädlich dar, was wiederum der Völkische Beobachter zitierte. 1941 beteiligte er sich nach der "Heß-Affäre" an der Absetzung von Karl Heinz Hederichs von der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums.[10] Alfred Rosenberg setzte Kisshauer im Krieg dazu ein, Astrologen wie Karl Ernst Krafft zur Anfertigung von Horoskopen für die psychologische Kriegsführung zu zwingen. Noch 1944 veranlasste er die Besetzung von Lehrstühlen der Theoretischen Physik mit Gegnern von Einsteins Relativitätstheorie.[11]

Nach dem Krieg hielt Kisshauer wieder Vorträge zur Astronomie, z. B. vor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und im Südwestfunk. Kisshauer war Mitglied der DEGESA - Deutsche Gesellschaft Schutz vor Aberglauben e.V., wo er seinen Kampf gegen die Parapsychologie fortsetzte.[12]

Veröffentlichungen

  • Städtisches Planetarium auf dem Ausstellungsgelände. Dr. Güntz'sche Stiftung, Dresden, 1927.
  • Der Sternenhimmel im Feldglas. Hesse & Becker, Leipzig, 1928.
  • Horoskop und Familie. In: Praktikum für Familienforscher, H. 22, Degener & Co., Leipzig, 1932.
  • Sternenlauf und Lebensweg: Betrachtungen über Astrologie. Reclam, Leipzig, 1935 und 1941

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gudrun Wolfschmidt: Astronomisches Mäzenatentum. BoD – Books on Demand, S. 76, 2009
  2. Sirius, Bd. 54, S. 130, 1921
  3. Felix Lühning: "--eine ausnehmende Zierde und Vortheil": Geschichte der Kieler Universitätssternwarte und ihrer Vorgängerinnen, 1770-1950: zwei Jahrhunderte Arbeit und Forschung zwischen Grenzen und Möglichkeiten. Band 56 von Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Verlag Wachholtz, 2007
  4. Gerhard Harig, Alexander Mette (Hrsg.): NTM: Schriftenreihe für Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin (Bd. 28). Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G., 1991, S. 202
  5. Kisshauer, K.: Worin liegt die Bedeutung von Marx. In: Jungdeutsche Stimmen, Hamburg, Jg. 2 (1920), S. 15
  6. Eintrag in der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs
  7. Berliner Adressbuch von 1938
  8. Helmut Heiber (u. a.): Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1983
  9. Wilhelm Theodor H. Wulff: Tierkreis und Hakenkreuz: Als Astrologe an Himmlers Hof. Bertelsmann Sachbuchverlag, 1968, S. 105
  10. Gutachten Hugo Koch, RMVP, zu pro-Astrologie-Politik der PPK, Berlin (20. Mai 1941)
  11. Gerd Simon: Chronologie Wagner, Kurt (Physiker)
  12. Joachim Friedrich Baumhauer: Johann Kruse und der "neuzeitliche Hexenwahn": zur Situation eines norddeutschen Aufklärers und einer Glaubensvorstellung im 20. Jahrhundert, untersucht anhand von Vorgängen in Dithmarschen. Band 14 von Studien zur Volkskunde und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, Verlag K. Wachholtz, 1984

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