- Adolph Diesterweg
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Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (* 29. Oktober 1790 in Siegen; † 7. Juli 1866 in Berlin) war ein deutscher Pädagoge. Diesterweg starb im Alter von 75 Jahren an Cholera.[1]
Inhaltsverzeichnis
Berufliche Entwicklung und Bedeutung für das Erziehungssystem
Diesterweg war von 1811 bis 1813 Haus- und Gymnasiallehrer in Worms, von 1813 bis 1818 in Frankfurt am Main, dann bis 1820 zweiter Rektor in Elberfeld, ab 1820 Leiter des Lehrerseminars in Moers und von 1832 bis 1847 in Berlin tätig. Er engagierte sich für die Verbesserung der Volksschule und trat für eine verbesserte pädagogische Bildung und die soziale Anerkennung der Volksschullehrer ein. Als Anhänger Johann Heinrich Pestalozzis und Verbreiter seiner Ideen vertrat er Anschauung und Selbsttätigkeit als didaktische Grundsätze. Er gab diesen Grundsätzen jedoch eine politische Eintönung, durch das von ihm festgesetzte Ziel der Heranbildung eines mündigen und kritischen Staatsbürgers. Die Volksbildung gewann für Diesterweg den Charakter der Volksbefreiung. Als liberaler Schulpolitiker wandte er sich sowohl gegen einen starken kirchlichen als auch politischen Einfluss auf die Bildung. Er forderte eine pädagogisch-fachliche (und nicht mehr geistliche) Schulaufsicht und eine einheitliche Schulorganisation, das heißt, er wollte eine Professionalisierung des Lehrerstandes erreichen. Außerdem kämpfte er für die relative Autonomie der Schule gegenüber den gesellschaftlichen Mächten. Seinen großen Einfluss auf die Lehrerschaft der damaligen Zeit verdankt er vor allem seiner Zeitschrift Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht, die er ab 1827 herausgab, aber auch seinem Jahrbuch für Lehrer- und Schulfreunde ab 1851.
Aus politischen Gründen wurde er 1850 aus dem Staatsdienst in den Ruhestand versetzt. Von 1858 bis 1866 kämpfte Diesterweg als Abgeordneter der Fortschrittspartei im preußischen Landtag gegen die Volksschulerlasse Preußens. Adolph Diesterweg ist der Vater von Moritz Diesterweg, dem Gründer des Diesterweg Verlages.
Diesterweg verfasste 50 Bücher und veröffentlichte ca. 400 Abhandlungen. Weiterhin schrieb er etliche Buchrezensionen und zielte mit seinen Veröffentlichungen auf ein selbständiges und kritisches sowie ein weltoffenes, modernes Denken ab.
Neben seiner pädagogischen Tätigkeit war Diesterweg auch sozialpolitisch engagiert. Im Jahr 1844 gingen von ihm wesentliche Anregungen zur Gründung des Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen aus.
Bedeutung für die Reformpädagogik
Winfried Böhm erläutert in seiner „Geschichte der Pädagogik“, dass „die Idee einer „naturgemäßen“ oder „natürlichen“ Erziehung im Sinne der begleitenden Unterstützung natürlicher Reifungs- und Wachstumsprozesse vor allem bei (…) Diesterweg [pädagogisch] durchdacht und begrifflich gefasst“ [2] wird.
Damit nimmt Diesterweg, nach Böhm, „viele Grundgedanken und -thesen der späteren Reformpädagogik um fast einhundert Jahre vorweg. In der um 1820 herum heftig geführten Auseinandersetzung um Naturalismus oder Supranaturalismus, Pädagogik oder Kirchendoktrin ergreift er massiv Partei für den Naturalismus.“ [3]
Als Entscheidendes Argument Diesterwegs für den Naturalismus führt Böhm folgendes an:
- „Während der pädagogische Supranaturalismus - geblendet von der christlichen Erbsündenlehre und dem negativen Menschenbild des Pietismus - „die Menschennatur knickt, statt sie zu entfalten“ und „das Kind zur Passivität verdammt, statt die Selbsttätigkeit zu entwickeln“, geht der Naturalismus „vom Kinde aus“ und nimmt dessen natürliche Neigungen, Interessen und Bedürfnisse zum pädagogischen Richtmaß: Nicht das Kind einer äußeren Ordnung unterwerfen, es vielmehr sich frei entfalten und spontan entwickeln lassen, wird zur pädagogischen Maxime schlechthin. (Diesterwegs Tagebuch 1818-1822, hg. von H. G. Bloth, 1956)“ [4]
Ehrungen
Diesterweg wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg beigesetzt. Die Grabstätte wurde bis 2011 als Ehrengrab des Landes Berlin gepflegt.
Nach ihm wurden viele Schulen und Straßen benannt sowie die Volkssternwarte Adolph Diesterweg in Radebeul.
Schriften
- Praktisches Rechenbuch für Elementar- und höhere Bürger-Schulen. Elberfeld, Büschler 1828 (Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf)
- Ausgewählte Schriften. hg. v. E. Langenberg, 4 Bände, 1876-78
- Schriften und Reden in 2 Bdn. hg. v. H. Deiters, 1950
- Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer / Bearbeitet und herausgegeben von F.A.W. Diesterweg. Vierte, verbesserte und in der Literatur fortgeführte Auflage. Bädeker, Essen 1850–1851
- Erster Band 1850 in der Google Buchsuche
- Zweiter Band 1851 in der Google Buchsuche
- 6., durchges. u. verm. u. in der Litteratur fortgef. Aufl. / als Jubiläumsausgabe zu Diesterwegs hundertjährigem Geburtstag am 29. Oktober 1890 bearb. u. hrsg. von Karl Richter. Mit dem Bildnis Diesterwegs in Kupferstich, Diesterweg, Frankfurt a. M. 1890
Literatur
- Karl Dienst: Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1790-1866). In: Henning Schröer / Dietrich Zilleßen (Hrsg.): Klassiker der Religionspädagogik. Frankfurt/M. 1989, S. 135ff. ISBN 3425077112
- Winfried Böhm, Wilhelm Hehlmann: Wörterbuch der Pädagogik, Kröner Verlag, 2006, ISBN 3-520-09415-0
- Alexander Hesse: Adolph Diesterweg (1790-1866). Eine Erinnerung anlässlich des 140. Todestages. In: Jahrbuch für regionale Geschichte 11, S. 69-88, Hrsg.: Geschichtswerkstatt Siegen -Arbeitskreis für Regionalgeschichte, Siegen, 2006
- Schneider: Diesterweg, Adolf. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 5, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 150–153.
- Juliane Eckhardt unter Mitw. v. Dieter Schiewe: Diesterweg, Friedrich Adolf Wilhelm. In: Internationales Germanistenlexikon 1800 – 1950 / hrsg. und eingel. von Christoph König. Teil 1, A – G. Berlin: de Gruyter, 2003, S. 388–390, ISBN 3-11-015485-4 [auch als CD-ROM-Ausg.] (Vorschau in der Google Buchsuche)
- Klaus Goebel: "Wer die Schule hat, hat die Zukunft", Klaus Goebel, Bochum : Brockmeyer 1995, 461 S. - (Dortmunder Arbeiten zur Schulgeschichte und zur historischen Didaktik; 25)
Weblinks
Quellen
- ↑ Siegerländer Heimatkalender von 1969, S.113, Verlag für Heimatliteratur, Herausgeber: Siegerländer Heimatverein e.V.
- ↑ Winfried Böhm: Geschichte der Pädagogik, S. 109, C.H. Beck München, 2004, ISBN 3-406-50853-7
- ↑ Ebd. S. 109
- ↑ Ebd. S. 109-110
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