Kraftwerk Finkenheerd

Kraftwerk Finkenheerd

Das Kraftwerk Finkenheerd, später auch Heizkraftwerk Finkenheerd, ist ein durch die Märkische Elektrizitätswerke erbautes, wärmegeführtes Braunkohlekraftwerk. Es befand sich am Brieskower See nahe der deutsch-polnischen Grenze im Ortsteil Brieskow-Finkenheerd, etwa zehn Kilometer südlich von Frankfurt (Oder), und war von 1923 bis 1992 in Betrieb.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Errichtung

1916 beschloss die MEW (Märkische Elektrizitätswerke), die 1909 von AEG gegründet worden war, den Bau eines Großkraftwerkes an einer günstigen Stelle in der ländlichen Region um die Stadt Frankfurt (Oder), um die Landesversorgung mit elektrischer Energie östlich von Berlin auf- und auszubauen. 1923 wurde mit dem Bau einer Kraftwerksanlage nach Plänen von Georg Klingenberg unter der Leitung von Georg Warrelmann (Vorstandsvorsitzender der MEW) am Brieskower See begonnen. Die Bekohlung sollte über die seit 1907 betriebene Braunkohlegrube Finkenheerd per Direktbeschickung erfolgen. Nach damaligen Berechnungen sollte der Vorrat der Grube etwa 170 Jahre reichen. Das Kraftwerk war als Musteranlage geplant und sollte in mehreren Bauabschnitten fertiggestellt und in Betrieb genommen werden. So bot die Anordnung der Kesselhäuser quer zur Achse des Maschinenhauses die Möglichkeit die Anlage später zu erweitern. Die Inflation 1922 gefährdete das Bauvorhaben ernsthaft und machte der MEW so zu schaffen, dass sie kurzfristig erwog, die gerade angeschafften Maschinen wieder zu verkaufen. 1923 konnte der erste Bauabschnitt fertiggestellt und mit einer Leistung von 12,5 MW aus zwei Maschinen dem Betrieb übergeben werden. Die gewonnene Energie wurde hochgespannt und über eine 50-kV-Leitung nach Frankfurt (Oder) übertragen, wo sie die Anlagen der FEW (Frankfurter Elektrizitätswerke) entlastete. In den folgenden Jahren wurden weitere Ausbaustufen realisiert. So konnte die Leistung 1928 auf 120 MW, 1932 auf 170 MW und 1942 nach dem Einbau von zwei weiteren Turbosätzen auf 270 MW gesteigert werden. Bereits 1932 wurden weitere Kohlegruben, der Tagebau Katja, und im Jahr 1943 der Tagebau Helene eröffnet.

Zeit des Nationalsozialismus

Auch im Kraftwerk Finkenheerd wurden zur Zeit des Dritten Reiches Zwangsarbeiter beschäftigt. In der „Liste der Unternehmen, die im Nationalsozialismus von der Zwangsarbeit profitiert haben“ wird im Zeitraum 1939 bis 1945 ein Lager mit 536 Mann Stärke erwähnt. Im Zweiten Weltkrieg blieb das Werk vor größerer Zerstörung verschont, wurde jedoch bei dem Übertritt der Roten Armee über die Oder stark beschädigt und musste darauf hin seinen Betrieb am 6. Februar 1945 einstellen. Am 16. April wurde es von der Roten Armee besetzt. Die Schaltstation in der Katjagrube, die den Brennstoff in dieser Zeit für das Kraftwerk lieferte, war nach Artilleriebeschuss komplett ausgebrannt. Als Folge soffen die Gruben Katja und Helene ab. Die Kohleflöze brannten an den Stellen, die das Wasser verschont hatte.

Wiederinbetriebnahme

Nach Ende des Krieges wurde die Katjagrube behelfsmäßig hergerichtet und konnte am 7. Juni 1945 mit 400 t Förderleistung pro Tag in Betrieb gehen. Das war die Grundlage dafür, dass nach umfangreichen Reparaturarbeiten im Kraftwerk Finkenheerd und an den betroffenen Leitungen knapp eine Woche später Maschine 1 wieder anlaufen konnte. Der erzeugte Strom diente jedoch in erster Linie zur Durchführung der Demontagearbeiten im Kraftwerk selbst. Dieses war im Rahmen der zu erbringenden Reparationsleistung zur kompletten Demontage vorgesehen. Der Umfang konnte jedoch auf Grund der Dringlichkeit der Versorgung des Gebietes mit Elektroenergie auf die Maschinen 5 bis 8 begrenzt werden. Auch die schon halb demontierte Maschine 4 konnte wieder ans Netz gehen.

Nach der Verstaatlichung der Energieversorgung erfolgte nach mehreren Umstrukturierungen die Überführung in den „VEB Energieversorgung Frankfurt (Oder)“, dem auch das Kraftwerk Finow angegliedert war und später in das „VEB Energiekombinat Frankfurt (Oder)“. Die Lücken der Demontageverluste konnten bald wieder geschlossen werden. Vermutlich kamen dafür Maschinen aus dem Kraftwerk Stralsund zum Einsatz. Die alten Maschinensätze 1-4 wurden weiterbetrieben. Maschine 1 erlitt in dieser Zeit einen Unwuchtschaden und musste aufgegeben werden. Offenbar kam es später noch zu weiteren Änderungen im Maschinenbestand, da die letzte Leistungsangabe aus 1989 drei Blöcke à 32 MW nennt. Mit dem Ende der Kohleförderung im Nahbereich musste ab 1956 auf Fernbekohlung umgestellt werden. Es wurde das Stichgleis zum Werk verlängert und eine Entladebrücke gebaut. 1972 wurde das Kraftwerk für die Erzeugung von Fernwärme ertüchtigt und eine Fernwärmeleitung zu der etwa zehn Kilometer entfernten Stadt Frankfurt (Oder) gebaut. Es versorgte nun 22.000 Haushalte, vor allem in den Neubaugebieten, mit Fernwärme. Im Kraftwerk war unter anderem die Konsumgüterproduktion der beliebten Lautsprecherbox BR50 angesiedelt. Es gab auf dem Gelände eine Lehrwerkstatt für Schlosser, Maschinisten und Elektriker, sowie die Betriebsberufsschule „Hans Weber“. Ein Lehrlingswohnheim befand sich am Kohlelagerplatz im Ort Finkenheerd.

Stilllegung

Nach der politischen Wende wurde das Kraftwerk in die neugegründete „Oder Spree Energieversorgung“ (OSE) überführt. Schnell war klar, dass ein Weiterbetrieb des inzwischen technisch veralteten Kraftwerkes unter den neuen Voraussetzungen aus wirtschaftlicher und umweltschutztechnischer Sicht nicht vertretbar ist. 1992 wurde das Kraftwerk Finkenheerd nach 71 Jahren Betriebszeit abgeschaltet. Einige auf dem Kraftwerksgelände befindliche Betriebsstätten, wie die Lehrwerkstatt, ein Kabelschulungszentrum, eine Reparaturwerkstatt für Hochspannungsschalter, sowie das Umspannwerk mit Schaltfeld blieben vorerst weiterhin in Betrieb. Auch die Bedienung des Schaltfeldes erfolgte weiterhin von der Schaltwarte des Maschinenhauses aus. Die Anlage stand fast unverändert bis 1996. Für die durch die Stilllegung wegfallende Wärmeversorgung für die Stadt Frankfurt (Oder) wurde eine Ersatzanlage auf Erdgasbasis zur Wärmeerzeugung neben den Kesselhäusern errichtet und die Fernleitung entlang der Bundesstraße weiterbetrieben. 1996 wurde dann mit den Abrissarbeiten begonnen. Die letzten beiden Schornsteine wurden 1998 bei einer Wette der Fernsehsendung Wetten, dass..? gesprengt. Die Fläche des ehemaligen Kraftwerkes wurde vollständig abgeräumt. Ein vermutlich zu dem Ensemble gehörendes Wohnhaus direkt daneben ist dem Verfall preisgegeben.

Siehe auch

Weblinks

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