Käthe Stern

Käthe Stern

Käthe (Catherine) Stern (* 6. Januar 1894 in Breslau; † 8. Januar 1973 in New York City) war eine deutsch-US-amerikanische Montessori-Pädagogin, die nach ihrer Emigration in die USA Werke zur Structural Arithmetic publizierte, welche die Grundschule maßgebend beeinflussten.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Sie war das zweitälteste von vier Kindern des Humanmediziners Oskar Brieger und desen Ehefrau Hedwig, geb. Lion, und wuchs in einer assimilierten und wohlhabenden jüdischen Familie auf. Alle Kinder erhielten eine sorgfältige Erziehung, unterstützt von Privaterziehern. Ihr Bruder Peter war ein bedeutender Kunsthistoriker. Nach dem Abitur studierte sie Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität Breslau. 1918 promovierte Käthe Brieger. Das Thema ihrer Doktorarbeit lautete: Reflexionsmessungen im Ultrarotem. Ein Beispiel zur Konstitution der Kristallhydrate.[1] Die junge Akademikerin entschied sich nicht für eine naturwissenschaftliche Karriere, sondern für die Arbeit mit Kindern.

Im April 1919 heiratete Käthe Brieger den Humanmediziner Rudolf Stern. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Tochter Toni und Sohn Fritz. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin, wo Käthe Stern die Ausbildung zur Montessori-Pädagogin absolvierte, rief sie in Breslau ein Montessori-Kinderhaus ins Leben. Dort erprobte und erarbeitete sie eine neue Methode, die sie Erweitertes Montessori-System nannte. Damit versuchte sie eine Synthese aus der Pädagogik Friedrich Fröbels und Maria Montessoris herzustellen, dabei die neuesten Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie berücksichtigend. Diesbezüglich konstatierte Käthe Stern:

Wir mußten uns dort von Montessori trennen, wo die eigene psychologische Beobachtung oder die Ergebnisse der entwicklungspsychologischen Forschung zum Ausbau zwangen. Da nun die heutige Psychologie in vielen Punkten bestätigt, was Fröbel intuitiv erfaßt hatte, so ist allein dadurch unsere Verbindung zu Fröbel gegeben.[2]

Mit Beginn der NS-Diktatur musste Käthe Stern, weil nicht arischer Abstammung, ihre pädagogisches Wirken einstellen. Doch sie blieb nicht untätig und entwickelte zuhause neue Materialien für den Rechenunterricht. Ferner wurde sie zu Vorträgen in das Ausland eingeladen. So hielt sie zum Beispiel 1935 auf der Berner Oktobertagung der Kindergärtnerinnen Vorträge, die in der Fachzeitschrift "Der Schweizer Kindergarten" veröffentlicht wurden, über ihr "Erweitertes Montessori-System". Ihr Fazit:

Es darf nicht wundernehmen, dass zwischen dem 'erweiterten Montessori-System' und dem neu gestalteten Fröbel-Kindergarten die krassen Unterschiede wegfallen... Es bleibt Montessoris unvergesslicher Verdienst, eine Methode geschaffen zu haben, die die freie Entwicklung des Kindes gewährleistet, und es ist ein unbeabsichtigter, aber fast ebenso gewaltiger Erfolg, dass sie den Anstoss dazu gegeben hat, den Fröbel-Kindergarten mit neuem Geist zu efüllen.[3]

In letzter Minute emigrierte die Familie Stern in die USA. Dort arbeitete Käthe Stern mit Max Wertheimer zusammen, der großes Interesse an ihrem in Deutschland entwickelten Rechenmaterial, genannt Structural Arithmetic, hatte. Darüber verfasste Käthe Stern, zusammen mit ihrer Tochter und Schwiegertochter, einige größere Werke. Diesbezüglich schrieb ihr Sohn:

Die Bücher und das Rechenmaterial meiner Mutter haben im amerikanischen Bildungswesen erheblichen Niederschlag gefunden. Rückblickend erkenne ich, daß die Methode... eines von vielen Beispielen dafür war, wie deutsche Ideen sich in den Vereinigten Staaten weiterentwickelt und positive Wirkung entfaltet haben, als eine Transplatation, in der Einsichten und Vorzüge aus beiden Ländern zusammenflossen.[4][5]

Werke (Auswahl)

  • Zum optischen Verhalten des Kristallwassers. In: Annalen der Physik. 1918, S. 287 ff.
  • Sprachlicher Egozentrismus und Gemeinschaftsgefühle im Kinderhaus. In: Erziehung zur Gegenwart. 1932, S. 28 ff.
  • Methodik der täglichen Kinderhauspraxis. Psychologische und pädagogische Erfahrungen mit meinem erweiterten Montessori-System. Leipzig 1932.
  • Wille/Phantasie und Werkgestaltung in einem erweiterten Montessori-System. Leipzig 1933.
  • Children Discover Arithmetic. Harper&Brothers 1949.

Literatur

  • Harold Baumann: Hundert Jahre Montessori-Pädagogik 1907-2007. Eine Chronik der Montessori-Pädagogik in der Schweiz. Bern/Stuttgart/Wien 2007.
  • Manfred Berger: Hilf mir, es allein zu tun! - Vor 50 Jahren starb Maria Montessori. In: Forum. Frau und Gesellschaft. 2002, S. 25 f
  • Franz-Michael Konrad: Kindergarten oder Kinderhaus? Montessori-Rezeption und pädagogischer Diskurs in Deutschland bis 1939. S. 228 ff.
  • Fritz Stern: Fünf Deutschland und ein Leben. Erinnerungen. München 2007.
  • Helge Wasmuth: Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen Zur Bedeutung von Bildung und Erziehung in der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland bis 1945. Bad Heilbrunn 2011, S. 333 ff.

Weblinks

Einzelnachweis

  1. Zum optischen Verhalten des Kristallwassers. Ausschnitt aus der Dissertation
  2. Stern 1933, S. 94.
  3. zit. n. Baumann 2007, S. 167.
  4. Stern 2007, S. 219
  5. http://sternmath.com

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Stern (Familienname) — Stern ist ein Familienname. Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Käthe Recheis — (* 11. März 1928 in Engelhartszell, Oberösterreich) ist eine österreichische Kinder und Jugendbuchautorin. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Auszeichnungen 3 Werke 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Käthe Braun-Prager — (* 12. Februar 1888 in Wien als Katharina Maria Braun; † 18. Juni 1967 in Wien) war eine österreichische Schriftstellerin und Malerin. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Leistungen 3 Zum Werk …   Deutsch Wikipedia

  • Käthe Kern — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Stern der Völkerfreundschaft — Verleihung des Großen Sterns der Völkerfreundschaft an Edgar Miles Bronfman durch Erich Honecker, 1988 Der Stern der Völkerfreundschaft ist ein Orden, der in der DDR verliehen wurde. Er wurde am 20. August 1959 gestiftet[1] …   Deutsch Wikipedia

  • Fritz Stern — (2007) Fritz Stern, né le 2 février 1926 à Breslau, est un historien américain d’origine allemande. Fils de parents de lignage juif, il dut fuir avec sa famille l’Allemagne nazie en 1938. On s’installa à New York, où Fritz Stern fit des …   Wikipédia en Français

  • Fritz Stern — Fritz Richard Stern (born February 2, 1926) is a German American historian of German history, Jewish history, and historiography. He is a University Professor Emeritus and a former provost at New York s Columbia University. His work focuses on… …   Wikipedia

  • Fritz Stern — (2007) Fritz Richard Stern (* 2. Februar 1926 in Breslau) ist ein US amerikanischer Historiker deutsch jüdischer Herkunft. Inhaltsverzeichnis 1 Leben …   Deutsch Wikipedia

  • Liste Breslauer Persönlichkeiten — Breslau war als kulturell und wirtschaftlich bedeutende Stadt, Wirkungs oder Geburtsort vieler wichtiger Persönlichkeiten. Hier findet sich eine Auflistung der Nobelpreisträger, Ehrenbürger, wichtigsten Söhne und Töchter der Stadt nach ihrem… …   Deutsch Wikipedia

  • Kindergarten — Der Kindergarten ist eine Einrichtung der öffentlichen oder privaten frühen Bildung des Kindes sowie zur Kindertagesbetreuung/Kinderbetreuung. Kindergarten in Frankfurt am Main …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”