Change Agent

Change Agent

Ein Change Agent (etwa: Erneuerer, Betreiber des Wandels) ist ein Experte für die konstruktive Herbeiführung von Klärungen in Entscheidungs- und Konfliktsituationen sowie von Innovationen bzw. Neuerungen und Veränderungen im persönlichen, organisatorischen, wirtschaftlich-technologischen oder politisch-sozialen Bereich.

Er bewirkt dies entweder durch absichtsvolles Handeln zur direkten Einwirkung auf das Verhalten Anderer, oder als mittelbare Auslösung von Reaktionen auf die Art seines Verhaltens oder auf dazu herbeigeführte Ereignisse.

Schwerpunktmäßig wird hier der Change Agent im engeren Sinn behandelt. Die Aufgreifung des Begriffs durch Beratungsunternehmen führte zu Ausweitungen seiner Bedeutung (siehe unten: Begriff).

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung und Arbeitsweise

Das Ziel eines Change Agents ist, das Zustandekommen und die Nachhaltigkeit von Entscheidungen und ihren Umsetzungen auf psycho-sozialer Ebene abzusichern.

Der Change Agent sorgt im günstigsten Fall für geeignete Rahmensituationen, die ein natürliches Heranreifen quasi-autonomer Entscheidungen und ihrer Umsetzungen fördern.

  • So bewirkt er die Identifikation der Beteiligten und Betroffenen mit deren eigenem Verhalten,
  • gibt ihnen Zuversicht in ihr eigenes Können und in die Lösbarkeit der Aufgabe und
  • verleiht ihnen Zufriedenheit mit den eigenen Anteilen an dem Entwicklungs- bzw. Veränderungsprozess.

Entwicklungsszenarien

Für Klärungen in Entscheidungs- oder Konfliktsituationen beschreibt ein Change Agent, welche Rahmensituationen geeignet sind, das Zustandekommen erforderlicher Entscheidungen zu fördern. Darüber hinaus beschreibt er, welche Ereignisse zu diesen Situationen führen und auf welchen Wegen diese auszulösen sind.
Für Innovationen bzw. Neuerungen beschreibt ein Change Agent die zu erfüllenden Anforderungen und den Bedarf, der diesen zugrunde liegt. Gegebenenfalls schildert er, wie, bzw. durch welche Ereignisse, dieser Bedarf geweckt werden kann, und welche Lösungsansätze zur Befriedigung des Bedarfs er sieht. Schließlich erläutert er, mit welcher Einführungsstrategie die Innovationen bzw. Neuerungen zum Erfolg geführt werden können.

Der Change Agent beeinflusst die Diffusion (Verbreitung) einer Innovation positiv oder negativ, und ist hierbei nicht Mitglied des Sozialen Systems in dem sich die Neuerung verbreitet.

Für Veränderungen beschreibt ein Change Agent Leistungs- und Entwicklungshindernisse und -reserven. Er konzipiert "Auslöser", die in der Regel bestehende organisatorische Schwächen bis zur Übertreibung - im günstigsten Fall bis zur Lächerlichkeit - überzeichnen. So fordert er die Beteiligten dazu heraus, quasi "kopfschüttelnd" oder "lachend über sich selbst", gelegentlich auch nach einem "heilsamen Schreck", selber die nötigen Änderungen zu verlangen. - Die daraus folgende Umgehung einer Oppositionshaltung wesentlich Beteiligter führt in der anschließenden Projektarbeit zu einer beträchtlichen Minimierung von Reibungsverlusten und zu einer hochgradigen Eigenmotivation, wie sie durch direkte Einwirkung Dritter nicht erreicht werden kann.

Umsetzungsprojekte

Fremdbestimmten Umsetzungsaktivitäten verleiht ein Change Agent Akzeptanz. Toleranz reicht nicht aus, da sie unterschwelligen Widerstreit nicht ausschließt. Dies erreicht er durch positives Denken und konstruktive Teilnahme an den psycho-sozialen Prozessen, die infolge der Veränderung auftreten, in der Rolle als Mitbetroffener.
Selbstbestimmten Umsetzungsaktivitäten verschafft er Anregung und fördert die Initiative der Beteiligten. Dies erreicht er durch engagierte Mitwirkung an den Konzeptions- und Umsetzungsprozessen zur Mitgestaltung der Veränderung, in der Rolle als Beteiligter.

Begriff

In der Diffusionsforschung wird der Begriff "Change Agents" insbesondere von Everett M. Rogers (Diffusion of Innovations) verwandt. "Change Agents" nutzten hierbei u. U. Meinungsführer ("Opinion Leaders") um eine Innovation zu verhindern oder durchzusetzen. Der Begriff war in den Sozial- und Kommunikationswissenschaften bereits eingeführt, als er auch an anderer Stelle aufgegriffen wurde:

1994 tauchte der Begriff im Zusammenhang mit Unternehmensorganisation auf. Eine Beibehaltung des englischen Begriffs im Deutschen ist sinnvoll, da bei der Übertragung zu viel Prägnanz verloren ginge.

  • Unternehmen in den USA ließen untersuchen, warum Änderungen in der Unternehmenspolitik so selten erfolgreich vom Management bis zu den Ausführenden durchdringen konnten, und wie die rühmlichen Ausnahmen zu erklären waren.
  • Dabei fielen einige wenige Schlüsselpersonen auf, die auch ohne speziellen Auftrag oder entsprechende Kompetenzen, eher aus der zweiten Reihe heraus, durchaus etwas bewegen konnten.
  • An statistisch erfassbaren Unterschieden waren sie kaum zu erkennen, ein paar besondere Eigenschaften und Fähigkeiten hatten sie jedoch gemeinsam, z.B.:
    • Sie lehnten höhere Führungsaufgaben ab, wenn sie dadurch nicht mehr in der Nähe der "Praxisfront" arbeiten konnten, weil sie überzeugt waren, dass dort über den Erfolg des Unternehmens entschieden wird.
    • In den Führungsmethoden waren sie sehr variabel: Obwohl sie einen liberalen Umgang mit den Mitarbeitern eindeutig bevorzugten, gingen sie in ähnlichen Situationen durchaus unterschiedlich mit ihnen um, abhängig von deren Persönlichkeit, und konnten, wenn nötig, auch recht autoritär auftreten.
  • Als Suchkriterien, um weiteres Potential an "Change Agents", an "Betreibern des Wandels", zu finden, erschienen diese Erkenntnisse nicht besonders ergiebig.
    • Die Trefferquote blieb gering; fast ausschließlich Frauen waren darunter, vermutlich dank ihrer höheren Sozial- und Sprachkompetenzen, aber wohl auch wegen ihres geringeren Karrierestrebens (s.o.).

Begriffsverwendung

Das Auftauchen des Begriffs löste Mitte der 1990er Jahre in der Beratungsbranche einen Hype aus. Ihre Marketingexperten erkannten, dass der Wirtschaft, die allgemein unter scharfem Veränderungsdruck stand, mit diesem Begriff die Beherrschung besonders wirkungsstarker Methoden nahegelegt werden konnte, wenn ihn eine Unternehmensberatung in der Beschreibung ihrer Vorgehensweise verwandte.

Die Erläuterungen dieses Artikels reflektieren diesen Hype und die damit verbundene Ausdehnung der Begriffsbedeutung nicht. Große Beratungsgesellschaften verzichten meist auf seine Verwendung. Sie sprechen im Rahmen der Organisationsentwicklung (OE) von der Methodik des Veränderungsmanagements (change management), die jedoch anders zu verstehen ist, als die eines Change Agents:

Während "Change Manager" wohl den Einsatz eines "Change Agents" eher als Sonderfall für einen Ausschnitt aus ihrer Methodik ansähen, neigten "Change Agents" wohl eher zu der Ansicht, wer einen "Change Agent" habe, brauche kein "Change Management".

Forschung

Wissenschaftliche Untersuchungen befassen sich

  • mit der Erforschung der bei einem Change Agent wirksamen (eher bewussten) Techniken und der (eher unbewussten) Situations- und Verhaltensmuster sowie
  • mit der praktischen Anwendbarkeit der gefundenen Mechanismen, um bestimmte Veränderungen gezielt herbeizuführen.

Im Stanford Persuasive Technology Lab wählt man einen weitergehenden Ansatz: "Alles, was zu Verhaltensveränderungen führt, könnte als Change Agent funktionieren."

Dort werden die Beeinflussungsmöglichkeiten durch alle Arten interaktiver Computerprodukte untersucht. - Dieser Forschungszweig wird Captology (Wortspiel, etwa: "Einvernahme-" oder "Vereinnahmungs-Technologie") genannt.

Siehe auch

Literatur

  • B.J. Fogg: Persuasive Technology. Using Computers to Change What We Think and Do. Morgan Kaufmann Publishers, San Francisco 2002. ISBN 1-55860-643-2
  • Everett M. Rogers: Diffusion of innovations. Free Press, New York 2003. ISBN 0-7432-2209-1

Weblinks


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