Nāser ad-Dīn Schāh

Nāser ad-Dīn Schāh
Nāser ad-Dīn Schāh
Nāser ad-Dīn Schāh fotografiert von Nadar
Nāser ad-Dīn Schah in späteren Jahren, Porträt von Antoin Sevruguin
Naser ad-Din Schah im Kreise seiner Minister

Nāser ad-Dīn Schāh, auch Nasreddin Schāh (persisch ‏ناصرالدین شاه‎ [nɔːseroˈdːiːn ʃɔːh]; * 16. Juli 1831 in Teheran; † 1. Mai 1896 ebenda (erschossen)). Naser al-Din Schah war von 1848 bis 1896 Schah von Persien. Durch seine lange, absolutistische Regentschaft hat er die Entwicklung Persiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Naser al-Din Schah war mit 25 Frauen verheiratet, die ihm 14 Söhne und eine nicht näher bestimmte Anzahl Töchter gebaren.[1]

Inhaltsverzeichnis

Regentschaft und Politik

Nāser al-Dīn Schāh stammte aus der Dynastie der Kadscharen. Der erste Premierminister, Mirza Taqi Khan Farahani genannt Amir Kabir, unter Naser al-Din Schah gilt als einer der fähigsten iranischen Politiker des 19. Jahrhunderts. Seine Reisen nach Russland und in die Türkei machten ihm klar, dass es an der Zeit war, die unter Abbas Mirza in Aserbaidschan begonnenen und unter Mohammed Schah mit dem Mord an Premierminister Qaem abrupt beendeten Reformen wieder in Angriff zu nehmen. Um Persien aus seiner Rückständigkeit herauszuführen, begann er ein Industrialisierungsprogramm, in dem er kleine Fabriken in Isfahan, Teheran und Sari gründen ließ, und er begann mit dem systematischen Rohstoffabbau durch Errichtung von Bergwerken. Nach Amir Kabirs Vorstellungen sollte sich Persien aus eigener Kraft zu einer modernen Industrienation europäischen Musters entwickeln. Er reformierte das Bildungswesen und ließ 1851 nach dem Vorbild europäischer Hochschulen die erste technische Universität (Dar al-Fonoun) in Teheran errichten.[2]

Nach nur vier Jahren traf Amir Kabir das Schicksal des Reformers Qaem. 1852 ließ Naser al-Din-Schah Amir Kabir ermorden. Zahlreiche iranische Historiker sind der Meinung, dass sich Persien und der Iran nie vollständig von der Ermordung Amir Kabirs erholt hat. Im 19. Jahrhundert entwickelt sich in Europa der Nationalstaat als neue politische Institution. Industrialisierung und kapitalistische Wirtschaftsweise lassen eine neue, bürgerliche Gesellschaft entstehen. Die Nation begreift sich als eine von ihrer Wirtschaft lebenden Einheit. Steuersysteme entstehen, die den Staat handlungsfähig machen. Der Adel verliert tendenziell an Bedeutung.

25 Jahre nach der Ermordung Amir Kabirs versuchte ein weiterer Premierminister Mirza Hosein Khan Moshir al Dowleh Naser al-Din Schah von Reformen zu überzeugen. Er überredete ihn, nach Europa zu reisen, um sich selbst ein Bild von den Fortschritten der gesellschaftlichen Entwicklungen Europas zu machen. Naser al-Din Schah reiste dreimal nach Europa und besuchte die meisten Hauptstädte des Kontinents. Aus seinen Tagebüchern geht hervor, dass er Europa und vor allem die europäischen Staatsformen nicht besonders schätzte.[3] Statt Persien aus eigener Kraft zu modernisieren, verfolgte er eine Politik der Konzessionsvergabe an ausländische Personen und Firmen. Die Konzessionen waren so angelegt, dass der Konzessionsnehmer Naser al-Din Schah eine Vorauszahlung und eine jährliche Abgabe leisten musste. Hinzu kam die Überlassung einer prozentualen Beteiligung an neu gegründeten Unternehmen. Die erteilte Konzession war in der Regel mit einem Monopol verbunden.

Auf der Grundlage von Konzessionen erhielt Persien in der Regierungszeit Naser al-Din Schahs ein Postsystem, die erste Eisenbahn zwischen Teheran und Ray, sowie eine britische Bank, die Imperial Bank of Persia, die dadurch, dass sie als einzige Bank dazu berechtigt war, persische Geldscheine zu drucken, sowohl als Geschäftsbank wie als persische Nationalbank fungierte. Besonders bekannt wurde die 1872 an Paul Julius Reuter erteilte Konzession für den Eisenbahnbau mit der gleichzeitig eine Fülle von Folgerechten (Enteignungen, Boden- und Schürfrechte) verbunden war, sowie die an den britischen Major Talbot 1890 erteilte Tabakkonzession. Das in London mit einem Kapitalwert von £650.000 registrierte Unternehmen, das die Tabakmonopol-Konzession verwalten sollte, sollte einen jährlichen Gewinn von £ 500.000 erzielen, wovon 25% an die persische Regierung, sprich an Naser al-Din Schah und seinen Hofstaat, ausgeschüttet werden sollte. Das Tabakmonopol stieß auf den Widerstand der Iraner und löste einen Aufstand (Tabakbewegung) aus, denn es raubte vielen einheimischen Tabakhändlern die Existenz und erhöhte zudem die Tabakpreise. Der Schah musste die Konzession zurücknehmen und die Konzessionsinhaber mit Hilfe eines Auslandsdarlehns von £ 500.000 entschädigen. Das von Großbritannien finanzierte Darlehn wurde mit einem Zinssatz von 6% verzinst und belastete die persische Staatskasse mit £ 30.000 Zinsen pro Jahr, ohne dass der persische Staat irgendeine Gegenleistung erhalten hätte. Mit diesem Darlehen waren die ersten iranischen Staatsschulden entstanden.[4]

Auch außenpolitisch war Naser al-Din Schah wenig erfolgreich. 1863 folgte der endgültige Verlust Herats an Afghanistan. Erfolge hatte er lediglich im Kampf gegen religiöse Abweichler. Ab 1848 ließ er die neu entstandene religiöse Bewegung der Babi und Bahai systematisch verfolgen. Die Verfolgungen wurde noch intensiviert, nachdem 1852 zwei Babi, aus Rache für die öffentliche Füsilierung des Bab Sayyid Ali Muhammad, einen erfolglosen Anschlag auf Naser al-Din Schah verübt hatten. In dieser Zeit wurde auch die iranische Nationalflagge modifiziert. Bis dahin galten der Löwe und die aufgehende Sonne als Symbol Persiens. Naser al-Din Schah ließ das Krummschwert hinzufügen, um die Wehrhaftigkeit Irans gegen innere und äußere Feinde zu verdeutlichen.

Naser al-Din Schah reiste insgesamt drei Mal nach Europa. Die erste im Jahr 1873 durchgeführte Reise führte ihn von Russland über Deutschland, England, Frankreich, die Schweiz und Italien am Ende nach Österreich zu der Wiener Weltausstellung. Persien war dort mit einem eigenen Ausstellungsgebäude vertreten, dem Persischen Haus. Johann Strauss (Sohn) hatte eigens zu dem Besuch eine persische Nationalhymne komponiert, um den Gast nach europäischem Standard protokollarisch korrekt empfangen zu können.

Zu Beginn der Regierungszeit Naser al-Din Schah hatte Persien kein organisiertes Militärwesen, geschweige denn eine Armee. Naser al-Din Schah versuchte vor allem mit der Hilfe Österreichs seine Armee zu reformieren. 1878 wurde die Entsendung einer österreichischen Militärmission nach Persien vereinbart, die das „Österreichische Korps“, eine persische Eliteeinheit, aufbauen sollte. Auf seiner zweiten Europareise, die ihn auch nach Russland führte, nahm Naser al-Din Schah das erste Mal eine Parade russischer Kosaken ab. Er war so beeindruckt, dass er den Zar ersuchte, eine vergleichbare Truppe im Iran aufbauen zu helfen. 1879 wurde ein Militärabkommen zwischen Persien und Russland geschlossen, das den Aufbau einer persischen Kosakenbrigade bestehend aus iranischen Mannschaften und russischen Offizieren zum Ziel hatte. Der Aufbau der persischen Kosaken erfolgte parallel zum Aufbau des Österreichischen Korps. Mit der von Naser al-Din Schah eingeleiteten Militärreform durch österreichische und russische Offiziere waren die Finanzen Persien hoffnungslos überfordert. Die Österreicher gaben bereits nach drei Jahren ihre Bemühungen weitgehend auf. Das zaristische Russland verfolgte mit der Kosakenbrigade sowohl wirtschaftliche als auch politische Interessen und finanzierte den Sold der persischen Kosakenbrigade zeitweise aus eigenen Mitteln. Die persischen Kosaken wurden später sogar auf Divisionsstärke aufgestockt und blieben bis 1920 unter dem Kommando eines russischen Offiziers. Erst Reza Khan integrierte 1922 die Division in die von ihm neu geschaffene iranische Armee und beendete die Befehlsgewalt der russischen Offiziere.

Mit der Kosakenbrigade bekam Naser al-Din Schah ein Instrument in die Hand, das ihm half, seine autokratische Herrschaft trotz zunehmender Kritik weiter aufrechtzuerhalten. So wandte sich vor allem der islamische Theoretiker und politische Aktivist Jamal ad-Din al-Afghāni gegen die absolutistische Herrschaftsweise Naser al-Din Schahs. Al-Afghani, der es wagte, Naser al-Din Schah öffentlich zu kritisieren, wurde verhaftet, gefoltert und ins Exil nach Anatolien geschickt.

Ermordung

Mirza Reza Kermani (1896)

Am 1. Mai 1896 besuchte Nāser al-Dīn Schāh das Abd-al-Azim-Heiligtum in der Nähe Teherans. Nach dem Verlassen der Moschee schoss ein Umstehender, Mirza Reza Kermani, auf den Schah und verwundete ihn schwer. Der Premierminister Ali Asghar Khan Atabak trug den Leblosen in seine vor der Moschee wartende Kutsche und fuhr nach Teheran zurück. Naser al-Din Schah saß aufrecht in seiner Kutsche und Atabak winkte mit dem Arm des Sterbenden der Menge zu, um den tödlichen Mordanschlag zu vertuschen. Noch am selben Abend starb Naser al-Din Schah am Vorabend seines 50. Jubiläums.[3][5]

Kermani wurde sofort verhaftet, verhört und gehängt. Die Verhörprotokolle weisen Kermani, der ein Anhänger Jamal ad-Din al-Afghānis war, allerdings nicht, wie oft behauptet wird, als religiösen Fanatiker aus. Bei den Verhören sagte Kermani, dass er der festen Überzeugung sei, dass sich die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation im Iran nur ändern ließe, wenn die absolutistische Herrschaft der Kadscharen beendet würde. Er machte den Schah persönlich, den negativen Einfluss britischer Spekulanten und die Bestechlichkeit und Korruption der Iraner selbst für die desolate wirtschaftliche Lage Persiens verantwortlich. Kermani dachte offensichtlich wie ein iranischer Nationalist, der sein Land liebt und sein Leben für eine bessere Zukunft seines Landes opfert.[6]

Mit dem Tod Naser al-Din Schahs sollte die Ära der absolutistischen Herrschaft in Persien ein Ende nehmen. Unter seinem Nachfolger Muzaffar ad-Din Schah erhielt Persien 1906 als Folge einer konstitutionellen Revolution seine erste Verfassung.

Zitat

Sven Hedin hat Nāser al-Dīn Schah im Frühjahr 1890 in Teheran besucht und folgendermaßen beschrieben:

„An der Stirnseite des Saales, zwischen dem einzigen bis zum Erdboden reichenden Fenster und dem Pfauenthron, stand Schah Nasreddin. Der eigenartige Thron, der einem großen Stuhl mit Rückenlehne und verlängertem Sitz und Stufen gleicht, war mit dicken Goldplatten belegt und mit Edelsteinen besetzt. Er gehörte einst dem Großmogul in Delhi; vor bald zweihundert Jahren hatte ihn Nadir Schah auf seinem indischen Feldzug erobert. - Nasreddin Schah war schwarz gekleidet und trug auf der Brust achtundvierzig riesige Diamanten und auf jedem Schulterstück drei große Smaragde. An der schwarzen Mütze hatte er eine Diamantenagraffe und an der Seite einen krummen Säbel, dessen Scheide mit Juwelen übersät war. Er betrachtete uns unverwandt; seine Haltung war königlich, er stand da wie ein echt asiatischer Despot, seiner Erhabenheit und Macht bewusst.“

Hier irrte Hedin, denn der originale Pfauenthron war zu diesem Zeitpunkt schon lange verschollen. Hedins Beschreibung legt nahe, dass er den "Nader-Thron" gesehen hatte.

Einzelnachweise

  1. Children of Nasser-ed-Din Shah Qajar (Kadjar).
  2. Cyrus Ghani: Iran and the Rise of Reza Shah. I.B. Tauris, 2000, S. 3f.
  3. a b Cyrus Ghani: Iran and the Rise of Reza Shah. I.B. Tauris, 2000, S. 5.
  4. W. Morgan Shuster: The Strangling of Persia. New York 1912. S. xvii.
  5. Abbas Amanat Nāsir al-Dīn Shāh. In: Encyclopaedia of Islam
  6. Cyrus Ghani: Iran and the Rise of Reza Shah. I.B. Tauris, London 2000, S. 6.

Schriften

  • Hans Leicht (Hrsg.): Ein Harem in Bismarcks Reich. Das ergötzliche Reisetagebuch des Nasreddin Schah. 4. Auflage. Thienemann, Edition Erdmann, Stuttgart 2001, ISBN 3-522-60970-0.
  • Mostafa Edjtehadi: Zerfall der Staatsmacht Persiens unter Nasir ad-Din Schah Qagar (1848-1896): Einblicke in die Machtverhältnisse am Teheraner Hof nach den Tagebüchern Ictimad as-Saltanas. Klaus-Schwarz, Berlin 1992, ISBN 3-87997-204-4.
  • Mangol Bayat: Iran's First Revolution: Shi'ism and the Constitutional Revolution of 1905-1909. Oxford University Press, New York 1991, ISBN 0-19-506822-X.

Siehe auch

Weblinks

Galerie


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